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Sonntag, 24. August 2014

Trotz historisch niedriger Zinsen liegt der durchschnittliche Dispo-Zins bei 10 Prozent. Das ist der Bundesregierung ein Dorn im Auge. Die Banken reagieren mit Beratungsangeboten und Warnhinweisen


Dispo-ZinsBanken warnen Kunden nach Kontoüberziehung

Trotz historisch niedriger Zinsen liegt der durchschnittliche Dispo-Zins bei 10 Prozent. Das ist der Bundesregierung ein Dorn im Auge. Die Banken reagieren mit Beratungsangeboten und Warnhinweisen.

© IMAGOVergrößernSchlechte Nachrichten für den Kunden: Einige Bankkunden wollen an das Minus auf dem Konto nicht erinnert werden
Mehr ausgeben als man auf dem Konto hat – das machen viele. Umfragen haben ergeben, dass jeder fünfte Deutsche seinen Dispo-Kredit regelmäßig oder sogar ständig nutzt. Über die Gründe ist wenig bekannt: Kommen viele Menschen anders nicht über die Runden? Oder passen sie schlicht nicht auf und konsumieren (zu) munter drauf los? Zumindest haben Verbraucherschützer die Politiker alarmiert. Schließlich sind die Zinsen für die Kontoüberziehung im von Banken und Sparkassen erlaubten Rahmen (Dispo) und erst recht die Kontoüberziehung darüber hinaus richtig teuer. Nach Angaben der FMH-Finanzberatung liegt der durchschnittliche Dispo-Zins in Deutschland trotz der historisch tiefen Zinsen derzeit bei 10 Prozent. Für die über den Rahmen hinausgehende Kontoüberziehung verlangen Banken und Sparkassen oft sogar Zinsen von mehr als 13 Prozent.
In Umfragen gibt mehr als die Hälfte der Kunden an, sie wüssten gar nicht, dass sie ihr Konto überzogen haben. Vor neun Monaten hat die Bundesregierung im Koalitionsvertrag vereinbart, Banken zu verpflichten, ihre Kunden zu warnen, wenn sie im Minus liegen. Justizminister Heiko Maas (SPD) hält sogar einen gesetzlichen Zinsdeckel für richtig, konnte sich mit der Forderung nach einem gesetzlich maximal erlaubten Überziehungszins aber nicht gegen die Union durchsetzen. Nun kommen die ersten Banken zumindest der Forderung der Bundesregierung nach, ihre Kunden besser zu informieren. Das ist aber ein zweischneidiges Schwert: „Vielen Kunden ist das peinlich. Sie wollen gar nicht daran erinnert werden, dass sie mit ihrem Konto im Minus sind“, sagt ein Banker hinter vorgehaltener Hand. Solche Kunden wollten auch von Alternativen zum Dispo-Kredit nichts hören.

Hinweise per Post und Kontoauszug

Erste Alternative zu einem Dispo-Kredit ist der Ratenkredit. Mit durchschnittlichen Zinsen von derzeit 5,5 Prozent ist der Ratenkredit in aller Regel deutlich günstiger als der Dispo-Kredit und erst recht der Überziehungskredit. Allerdings muss der Zins beim Ratenkredit in der Regel auf einen festen Betrag, zum Beispiel 5000 Euro, bezahlt werden. Wer nur mal kurz vor Monatsende wegen eines überraschend notwendigen Einkaufs sein Girokonto überzieht, fährt mit dem flexiblen Dispokredit also meist besser.
Dies hat die größte Direktbank in Deutschland, die ING Diba, mit ins Kalkül gezogen, wenn sie jetzt auf die Forderung der Bundesregierung nach besserer Verbraucherkreditberatung reagiert. Die Diba schickt ab 1. September allen ins Minus gerutschten Kunden per Post Briefe. Für eine differenzierte Kundenansprache hat die Diba drei Briefvarianten entwickelt. Wer nur gelegentlich den Dispo in Anspruch nimmt, wird auf den in seiner Höhe flexiblen Ratenkredit und auf noch an anderer Stelle vorhandene Guthaben hingewiesen. Wer hingegen den Dispo regelmäßig und sogar mit mehr als 5000 Euro benötigt, erhält ein Angebot für einen Ratenkredit mit strukturierten Tilgungsraten und wird auch auf die Möglichkeit der Schuldnerberatung hingewiesen. Ändert sich am negativen Kontostand nichts Grundlegendes, gibt es für Diba-Kunden spätestens nach sechs Monaten wieder automatisch Post.
Vergleichsweise altmodisch wirkt die Reaktion der Commerzbank auf die Forderungen der Bundesregierung nach Warnhinweisen für Kontoüberzieher. Wenn das Konto ins Minus gerutscht ist, steht seit Freitag bei Kunden des teilverstaatlichten Kreditinstituts auf dem ausgedruckten Kontoauszug: „Ihr Konto weist aktuell einen negativen Kontostand auf. Dafür bezahlen sie Zinsen.“ Darüber hinaus heißt es: „Planen Sie, diesen Saldo länger in Anspruch zu nehmen? Dann lassen Sie sich bei uns über mögliche Alternativen beraten.“ Ein Sprecher der Commerzbank versichert, die Information auf dem Kontoauszugsdrucker, auf dem ohnehin der aktuelle Kontostand ausgewiesen ist, sei nur ein erster Schritt, dem weitere folgen sollen.

Sparkassen schaffen Überziehungszins ab

Der Vorstandsvorsitzende der Commerzbank Martin Blessing hatte sich vor einigen Monaten von der Bundesregierung „ein Gesetz gegen das dauerhafte Nutzen des Dispokredites“ gewünscht. Die Bundesregierung solle Banken verpflichten, ihren Kunden nach zehn Tagen im Dispo eine SMS oder E-Mail zu schicken. „Dann könnten wir mit ihnen über günstigere Kredite reden“, hatte Blessing gesagt. Auf die Frage, warum die Commerzbank das nicht ohne gesetzliche Vorgabe tue, hatte Blessing bekannt, die Commerzbank habe nicht von allen Kunden die E-Mail-Adresse oder Mobilnummer. Ein Sprecher des Kreditinstituts sagte nun am Freitag, die direkte Ansprache von Kontoüberziehern per SMS oder E-Mail plane die Commerzbank ab 2015. Von der ING Diba hieß es dagegen, sie plane dies nicht. Sie wolle auch keinen E-Mail-Kontakt sondern den postalischen Weg zu ihren Kontoüberziehern suchen.
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Die Sparkassen sind nach Auskunft ihres Verbandssprechers technisch noch nicht in der Lage, eine ähnliche Information wie die Commerzbank auf die Kontoauszüge zu drucken. Man arbeite daran, habe andere Prioritäten gesetzt. So erlaube ein Programm (App) für Smartphones und Tablett-Computer Sparkassenkunden den permanenten Abruf des Kontostandes. Die App ermögliche auch, Kunden Warnhinweise per SMS oder E-Mail zu senden, wenn sie ihr Konto überziehen. Von der Deutschen Bank war am Freitag keine Auskunft darüber zu erhalten, was sie plant. Bisher hatte sich Jürgen Fitschen, einer ihrer beiden Vorstandsvorsitzenden, skeptisch geäußert: „Wer nach einer Woche beispielsweise schon einen Anruf bekommt, weil er mit 1000 Euro im Dispo ist, kann sich möglicherweise nicht beraten, sondern vielmehr belästigt fühlen“, hatte Fitschen, der auch Präsident des privaten Bankenverbandes ist, zu bedenken gegeben. Doch diese Position dürfte nicht zu halten sein.
Auch an anderer Stelle ist der Markt in Bewegung. Im Februar hatte die ING Diba öffentlichkeitswirksam den Zins für die zuvor nicht erlaubte Kontoüberziehung dem Dispo-Zins angeglichen. Zuvor hatten schon mehrere Genossenschaftsbanken wie die Volksbank Mittelhessen aus Gießen den besonders hohen Überziehungszins abgeschafft. Nun ziehen auch einige Sparkassen nach. Sparkassen-Kunden in Berlin, München, Gifhorn-Wolfsburg und Harburg-Buxtehude zahlen nur noch den Dispo-Zins, selbst wenn sie den zugestandenen Rahmen überziehen. Allerdings ist auch der Dispo-Zins noch zu hoch, um diesen Kredit sinnvoll dauerhaft in Anspruch zu nehmen.

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