Konflikt im Südchinesischen Meer
Die USA lassen die Muskeln spielen
Die USA haben ihre Ankündigung wahr gemacht und einen Zerstörer in das Südchinesische Meer geschickt. Die Aktion ist ein Beleg dafür, wie schlecht die amerikanisch-chinesischen Beziehungen sind.
Der seit Monaten zwischen den USA und China schwelende Konflikt um die im Südchinesischen Meer gelegenen Spratly-Inseln hat sich verschärft. Am frühen Dienstagmorgen Pekinger Zeit hatte der amerikanische Zerstörer «USS Lassen» die Zwölf-Meilen-Zone rund um das Subi-Riff durchbrochen, ohne dass es jedoch zu chinesischen Gegenreaktion gekommen wäre. Das chinesische Aussenministerium bezeichnete die Aktion als illegal, da sie ohne Genehmigung Pekings erfolgt sei. Die USA missachte mit ihrem Vorgehen die Souveränität Chinas und beschädige den Frieden sowie die Stabilität in der Region, sagte ein Sprecher des Aussenministeriums.
Aggressives Vorgehen Chinas
Mit der Präsenz und dem Durchbrechen der Zwölf-Meilen-Zone rund um die von China zu Inseln aufgeschütteten Riffe habe die USA ihren Anspruch auf freie Navigation («Freedom of Navigation Operations») in der für den Welthandel wichtigen Region untermauern wollen, hiess es dagegen aus Washington. Gleichzeitig dürfte das Vorgehen auch als Botschaft der USA zu verstehen sein, dass man nicht willens sei, die umstrittenen Gebietsansprüche Pekings zu akzeptieren. Dies ist eine Abkehr vom bisherigen Kurs der Vereinigten Staaten. Bisher gab Washington stets vor, in den Streitigkeiten für keine Seite Partei ergreifen zu wollen.
Das 3,7 Millionen Quadratkilometer grosse Südchinesische Meer – es ist rund ein Drittel grösser als das Mittelmeer – sorgt mit den Paracel- und Spratly-Inseln unter den Anrainerstaaten seit jeher für Konflikte. Vor allem China und Vietnam beanspruchen das Südchinesische Meer unter Berufung auf historische Quellen für sich. Besonders weit gehen die Ansprüche der Chinesen, die vor dem Hintergrund einer aus neun Strichen bestehenden Linie rund 90 Prozent des Gebiets ihr eigenen nennen. Diese – historisch begründeten – Ansprüche auf Basis der «Neun-Striche-Linie» hatte Peking erstmals 1948 präsentiert und beruft sich seitdem darauf.
Neben China haben Malaysia, die Philippinen, Vietnam und Taiwan bereits Aussenposten auf den Spratly-Inseln, und jedes Land verfügt in dem Gebiet über eine eigene Landebahn. Allerdings haben die aggressiven Baumassnahmen der Chinesen seit 2013, indem sie Riffe aufgeschüttet und zu Inseln ausgebaut haben, den Argwohn der Anrainer und der USA hervorgerufen. Inzwischen befindet sich auf dem Fiery-Cross-Riff eine 3000 Meter lange Landebahn, auf der sämtliche Flugzeuge der chinesischen Volksbefreiungsarmee starten und landen können.
Chinas Staatschef Xi Jinping hatte während seines USA-Besuchs im September darauf verwiesen, man wolle die künstlichen Inseln nicht für militärische Zwecke nutzen. Vielmehr betont Peking immer wieder, diese sollten der Meeresforschung, der Seenotrettung, dem Katastrophenschutz und die Leuchttürme als Navigationshilfen dienen. Wer die Entwicklung der Bauvorgänge auf Satellitenbildern verfolgt, zweifelt jedoch an der chinesischen Version, Peking wolle die aufgeschütteten Riffe und Inseln allein für zivile Zwecke nutzen.
Erschwerend kommt hinzu, dass es um das Verhältnis zwischen Washington und Peking nicht zum Besten bestellt ist. Im Mai hatten die USA zunächst China provoziert, als sie ein Aufklärungsflugzeug vom Typ P8-A Poseidon ins Gebiet rund um die Spratly-Inseln schickten, und die Piloten erst nach mehrmaligen Aufforderungen durch chinesisches Militär das Gebiet wieder verliessen. Im Vorfeld des Staatsbesuchs von Xi in den USA verärgerten dann die Chinesen mit Schiffen vor der Küste Alaskas die Amerikaner.
«Korrektes Verhalten der USA»
Laut Henning Jessen vom Institut für Seerecht und Seehandelsrecht an der Universität Hamburg verstossen die USA nicht gegen das Seevölkerrecht, wenn sie sich mit Schiffen den von China zu Inseln aufgeschütteten Riffen nähern. Für diese gilt nach dem Seerechtsübereinkommen (Unclos) der Vereinten Nationen nicht die sonst übliche Zwölf-Meilen-Zone. Und selbst wenn es ein Küstenmeer gäbe, bestünde für die USA gemäss Unclos das Recht auf friedliche Durchfahrt, fügt Jessen an. Die USA dürften sich auf das Seerechtsübereinkommen berufen, auch wenn sie es nicht ratifiziert hätten. Bisher sperrt sich der amerikanische Senat gegen eine Ratifizierung.
Es gibt diverse Erklärungen, das internationale Gerangel um die Spratly-Inseln zu verstehen, auch wenn keine wirklich überzeugt. So soll es in dem Gebiet Erdöl- und Erdgasvorkommen sowie grosse Fischbestände geben. Allerdings warnt Gerhard Will in seinem Aufsatz «Tough Crossing: Europa und die Konflikte in der Südchinesischen See», vor allzu grossem Optimismus. Es erscheine als unangebracht, von einem neuen Persischen Golf zu sprechen.
Skepsis herrscht auch über die militärische Bedeutung der Spratly-Inseln. In diesem Punkt sei der Mehrwert überschaubar, heisst es in der von Christian Becker verfassten Studie «Die militärstrategische Bedeutung des Südchinesischen Meeres». Kein Staat würde auf die Idee kommen, die militärische Vorherrschaft über das Mittelmeer dadurch zu erlangen, dass er Malta und Lampedusa in Besitz nimmt, versinnbildlicht Becker die geringe Bedeutung der Spratly- und auch Paracel-Inseln.
Amerikanische Demonstration
Washington dürfte es mit der der Präsenz des Zerstörers USS Lassen vor den Spratly-Inseln um eine Machtdemonstration an die Adresse Pekings und der Bündnispartner in der Region gegangen sein. In den USA mehren sich die Sorgen, dass die seit dem Amtsantritt Xis aggressivere politische Ausrichtung der chinesischen Aussenpolitik zum Ziel hat, Washington aus der Region zu vertreiben. Der angebliche Test, ob China das Recht auf freie Navigation akzeptiere, ist dagegen ein vorgeschobenes Argument für die Aktion. Gerade die Handelsnation China kann kein wirtschaftliches Interesse daran haben, diese für die internationale Schifffahrt wichtige Route zu kappen.
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