Alternative Bank SchweizNegative Zinsen auch für ganz normale Privatkunden
Eine kleine Schweizer Bank macht ganz offen, was andere Banken verdeckt probieren. Nun werden prompt die Mitarbeiter als Verbrecher beschimpft.
23.10.2015, von CHRISTIAN SIEDENBIEDEL
Eine kleine Bank aus der Schweiz hat die Rolle als Tabubrecher übernommen: Die Alternative Bank Schweiz (ABS), ein Kreditinstitut mit Sitz in Olten im Kanton Solothurn und Niederlassungen in Zürich, Genf und Lausanne, führt als erste Bank negative Zinsen auch für Privatkunden vom ersten Franken an ein. Wie die Bank auf ihrer Internetseite darstellt, senkt sie zum Jahreswechsel alle Zinsen. Für Einlagen bis zu 100 000 Franken werden negative Zinsen in Höhe von 0,125 Prozent auf dem sogenannten Alltagskonto fällig. Bei größeren Einlagen verlangt die Bank 0,75 Prozent. Die Bank verweist zwar auf Möglichkeiten, wie Kunden den Strafzinsen entgehen können, indem sie etwa Aktionär der Bank werden. Gleichwohl ist es soweit bekannt das erste Mal, dass eine Bank negative Zinsen von Privatkunden auch dann verlangt, wenn diese keine ungewöhnlich großen Beträge deponieren.
Bislang gab es vor allem Fälle, in denen Banken negative Zinsen von Firmenkunden für Millionen-Einlagen verlangt hatten - oder von Privatkunden ab einer sehr hohen Schwelle, wie 500.000 Euro bei der Deutschen Skatbank. In Skandinavien hatte es einzelne Fälle gegeben, in denen Kunden Hauskredite mit negativen Zinsen bekommen hatten, weil der Zinssatz an einen Referenzzins gekoppelt war, der negativ wurde. Die sonstigen Gebühren waren in diesen Fällen jedoch meisten so hoch, dass die Kunden von den (in diesem Fall für sie günstigen) Negativzinsen wenig profitierten.
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Was steckt dahinter, dass eine kleine Bank in der Schweiz jetzt negative Zinsen auch von Privatkunden verlangt? Die Bank selbst argumentiert, sie verschaffe sich dadurch „mehr Handlungsspielraum im Geschäft mit sinnvollen Krediten“. Es ist unumstritten, dass es vielen Banken in der Schweiz zu schaffen macht, dass sie ihren Kunden positive Zinsen zahlen sollen, selbst aber bei der Notenbank unter die negativen Zinsen fallen. Die großen Banken UBS und Credit Suisse nehmen zwar bei sehr großen Einlagen von institutionellen Anlegern und Firmenkunden mittlerweile eine sogenannte Guthabengebühr, versichern aber, so etwas für Privatanleger nicht zu planen. Studien hatten gezeigt, dass einige Schweizer Banken den Verzicht auf negative Zinsen für Privatkunden durch eine höhere Marge im Hypothekengeschäft oder höhere Gebühren ausgleichen.
Und was machen die Kunden der Alternativen Bank jetzt? Ziehen sie ihr Geld ab? Die Bank selbst berichtet, die Reaktionen seien unterschiedlich. Alle Kunden wurden jetzt angeschrieben. Umgehend meldeten sich Leute, von denen einige die Bankmitarbeiter als „Verbrecher“ beschimpften. Manche lösten ihr Konto sofort auf - ihre Zahl soll aber für die Bank verkraftbar sein, zumindest bis jetzt. Einzelne Kunden haben Geld wohl gleich in Aktien oder Kassenobligationen umgeschichtet. Auf jeden Fall haben nicht auf Anhieb so viele Kunden ihr Geld abgezogen, dass die Bank sich genötigt gesehen hätte, den Schritt zurückzunehmen.
Die Bank hatte wohl darauf spekuliert, dass ihre ganz besondere Kundschaft eher dazu bereit ist, negative Zinsen zu tolerieren. Die Alternative Bank, die nach eigenen Angaben gut 30.000 Kunden hat und über eine Bilanzsumme von mehr als 1,5 Milliarden Franken verfügt, ist ohnehin auf sogenannte nachhaltige Investments spezialisiert, bei denen nicht Gewinnmaximierung und Rendite im Vordergrund stehen. Zudem gibt es in der Bank oft kritische Vorträge zu Themen rund um das Geldsystem, beispielsweise von Mathias Binswanger aus Sankt Gallen, dem Sohn von Josef Ackermanns Doktorvater, der über „Geld aus dem Nichts“ spricht.
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Die Bank meint, es sei sogar gerecht, wenn durch die negativen Zinsen Leute mit viel Geld auch mehr Zinsen zahlen müssten. Offenkundig kam die Alternative Bank aber auch mit ihrer bisherigen Zins- und Gebührenkalkulation nicht mehr hin. Als Nationalbank-Präsident Thomas Jordan im September andeutete, die Notenbank werde die negativen Zinsen in der Schweiz nicht abschaffen, sondern den Einlagenzinssatz eher noch weiter ins Negative senken, soll das für die Bank das Fass zum Überlaufen gebracht haben. Ähnlich wie Jordan hatte sich am Donnerstag auch EZB-Präsident Mario Draghi für den Euroraum geäußert: Eine weitere Absenkung des Einlagensatzes für Banken, der im Augenblick minus 0,2 Prozent beträgt, stehe in der Diskussion.
Außer in der Schweiz gibt es negative Leitzinsen der Notenbanken derzeit in Schweden - und im Euroraum, für Einlagen von Banken bei der EZB. Schwedische Banken geben die negativen Zinsen wohl überwiegend nicht weiter, leiden aber sehr unter der Situation, wie die jüngsten Zahlen von Nordea, SEB und Svenska Handelsbanken zeigen. Im Euroraum hatten Banken Gebühren für alles Mögliche erhöht, vom Geldautomaten bis zum Schließfach, und für einige Firmenkunden Guthabengebühren eingeführt.
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