da ging es darum ob die Argys mit Berufung auf einen Staatsnotstand sich darum drücken konnten die Argy-Altanleihen zu bedienen....
Dieses Notstandsfrage spielt im GRI-Zusammenhanh (noch) keine Rolle.....
III. Das Sondervotum von Richterin Lübbe-Wolff:
Staatsnotstand als allgemeiner Rechtsgrundsatz
Richterin L ü b b e - W o l f f konnte sich der Senatsmehrheit nicht anschließen
und kritisierte in ihrem Sondervotum nicht nur die Unzulässigkeit des Vorlageverfahrens,
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sondern griff auch die materiellrechtliche Entscheidung des Senats an. Sie
argumentierte, dass Staatsnotstand einen allgemeinen Rechtsgrundsatz darstelle,
der es einem Staat erlaube, in bestimmten, eng begrenzten Fällen dem Gemeinwohl
seiner Bevölkerung Vorrang vor Zahlungsverpflichtungen zu geben, selbst wenn
diese Verpflichtungen auf privatrechtlichen Ansprüchen beruhten und durch das
nationale Recht eines ausländischen Staates geregelt seien.
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Insofern bot L ü b b e - W o l f f eine andere Lesart bestehender Staaten- und internationaler Rechtsprechungspraxis an. Sie betonte, dass die Staatenpraxis, die von
der Völkerrechtskommission während der Vorbereitung der Artikel zur Staatenverantwortlichkeit dokumentiert wurde, impliziere, dass Notstand als Rechtsprinzip bestehe, das stets und unabhängig vom jeweils anwendbaren materiellen Recht
gegen Ansprüche an einen Staat eingewendet werden könne.
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Diese Überlegung
liege insbesondere der Entscheidung im Russian Indemnity-Fall zu Grunde, in der
das Schiedsgericht den Einwand der force majeure – als Terminus, der damals den
Staatsnotstand umfasste – ausdrücklich vom Privat- ins Völkerrecht übertrug.
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Anstatt nach Rechtssphären zu unterscheiden, bestätige diese und andere Entscheidungen
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aus Sicht L ü b b e - W o l f f s vielmehr, dass “Sinn und Zweck der
Rechtsfigur des Notstandes nicht dafür sprechen, dass sie den Schuldnerstaat gegenüber einem ausländischen Privatgläubiger weniger schützt als gegenüber einem
Staat”.
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Denn wenn Staatsnotstand gegenüber Staaten eingewendet werden könne,
müsse dies gegenüber Privaten erst recht möglich sein.
Anders als die Senatsmehrheit wertete sie auch die Anwendbarkeit des Staatsnotstandes in Investor-Staat-Schiedsverfahren unter Investitionsschutzabkommen
als Gegenargument gegen die restriktive Auffassung der Senatsmehrheit. Zudem
seien zwischenstaatliche Verfahren, die auf der Grundlage diplomatischen Schutzes
ergingen, letztlich identisch mit dem zu Grunde liegenden Rechtsverhältnis, das
auf nationalem Recht beruhe und das Verhältnis zwischen Staat und Privaten regele.
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Für L ü b b e - W o l f f machte die Unterscheidung zwischen völkerrechtlicher
und nationalstaatlicher Ebene in den Anleiheverfahren daher insgesamt wenig
Sinn, da der Schuldnerstaat bei der Berufung auf Staatsnotstand in einem staatlichen Gerichtsverfahren “den völkerrechtlichen Anspruch, im Notstandsfall der
Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung seiner Funktionsfähigkeit im Inneren
Vorrang geben zu können, gegenüber dem Forumstaat und damit in einem völkerrechtlichen Verhältnis geltend” mache.
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Darin sah sie letztlich eine Überbrückung
der Trennung zwischen Völkerrecht und staatlichem Recht, die die Senatsmehrheit
so vehement vertrat.
Schließlich wies L ü b b e - W o l f f darauf hin, dass in vergleichbaren Gerichtsverfahren bezüglich argentinischer Staatsanleihen in anderen Staaten, wie Italien
und den Vereinigten Staaten, die jeweiligen Gerichte dem Schuldnerstaat Schutz
vor Ansprüchen durch Privatgläubiger entweder im Rahmen der Staatenimmunität
oder durch eine Aussetzung der entsprechenden Verfahren zur Ermöglichung einer geordneten Restrukturierung seiner Auslandsschulden gewährten.
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Durch eine
im Vergleich zur Senatsmehrheit breiter angelegte rechtsvergleichende Basis, die
nicht nur auf die enge dogmatische Figur der Existenz eines Leistungsverweigerungsrechtes im Falle von Zahlungsunfähigkeit gerichtet war, sondern das zugrundeliegende Wirklichkeitverhältnis samt der prozessualen Durchsetzung der Ansprüche der Anleihegläubiger betrachtete, gelangte L ü b b e - W o l f f damit zu dem
Schluss, dass die Praxis verschiedener Staaten durchaus konvergiere.
Das Sondervotum von Lü b b e - W o l f f präsentiert damit eine kraftvolle Argumentation, dass wirtschaftlicher Staatsnotstand als allgemeiner Rechtsgrundsatz
anerkannt ist, der es einem Staat erlaubt, sich auf diesen auch im Verhältnis zu Privatgläubigern zu berufen, selbst wenn die Rechtsbeziehungen zu diesen auf Basis
nationalstaatlichen Vertragsrechts geregelt sind. L ü b b e - W o l f f weist jedoch
auch darauf hin, dass Staatnotstand als Leistungsverweigerungsrecht einer strengen
gerichtlichen Kontrolle unterliegt, die darauf gerichtet ist festzustellen, ob die tatsächlichen Voraussetzungen des Staatsnotstandes gegeben sind und damit keinen
Ermessensspielraum für den Schuldnerstaat eröffnet.
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Auch stellt sie klar, dass die
Rechtsfolgen der Notstandseinrede unzweifelhaft darauf beschränkt sind, die Verpflichtungen des Schuldnerstaates zeitweise zu suspendieren.
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Offen ließ sie hingegen die Frage, ob für diese Zeit Zinsen zu zahlen sind.
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aus:
Völkerrechtlicher Staatsnotstand in BVerfG-Entscheidung zu Argentischen Staatsanleihen
http://www.zaoerv.de/68_2008/68_2008_1_a_45_68.pdf
Zeitweise zu suspendieren....
AntwortenLöschenDas liegt bei uns ja nun wohl definitiv nicht vor!