Staatsanleihenkäufe durch die EZB Warnschuss der Richter stoppt Draghi nicht
13.09.2012 ·
Die Worte vom Bundesverfassungsgericht waren deutlich. Doch die
Euro-Retter im Frankfurter EZB-Hochhaus lassen sich davon nicht
beeindrucken. Die Währungshüter betonen ihre Unabhängigkeit - auch beim
Kauf von Staatsanleihen der Euro-Krisenländer.
Euro-Retter Mario Draghi ist nicht zu
bremsen. Zwar feuerten die Karlsruher Verfassungsrichter am Mittwoch
einen Warnschuss Richtung Frankfurt. Doch stoppen kann das Gericht die
umstrittenen Anleihenkäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht. Die
Verfassungsrichter hatten in ihrer vorläufigen Entscheidung
zwar durchblicken lassen, dass sie den unbegrenzten Kauf von Anleihen
notleidender Eurostaaten für europarechtswidrig halten - sie verwiesen
dabei auf den „Vertrag über die Arbeitsweise der EU“ (Artikel 123 AEUV siehe Kasten unten).
Die Verfassungsrichter wollen aber noch bis Dezember genauer prüfen und
können letztlich die EU-Institution EZB auch nicht kontrollieren. Das
Bundesverfassungsgericht müsste den Fall dem Europäischen Gerichtshof in
Luxemburg zur Prüfung vorlegen.
Die EZB betont derweil ihre Unabhängigkeit. In ihrem am Donnerstag veröffentlichten Monatsbericht
verteidigt die Notenbank die Notwendigkeit der geplanten
Staatsanleihenkäufe. Sie weist den Vorwurf der Staatsfinanzierung weit
von sich. Man handle „strikt im Rahmen des Mandats zur Gewährleistung
von Preisstabilität“. Sie erläutert, wie hohe Staatsanleiherenditen in
einigen Ländern dazu führen, dass Kreditzinsen trotz sinkender
Leitzinsen steigen. Das betrachtet sie als eine Störung ihres
geldpolitischen Signals. Sie will deshalb Staatsanleihen der betroffenen
Länder kaufen und durch die so erzeugte künstliche Nachfrage die
Anleihezinsen senken. Dadurch, so ihr Kalkül, würden auch die
Kreditzinsen für Unternehmen zurückgehen.Allerdings kaufen manche Volkswirte und Politiker - besonders in Deutschland - EZB-Präsident Mario Draghi diese Geschichte nicht ab. Sie sind der Meinung, dass niedrigere Anleihezinsen vor allem den betroffenen Staaten zugute kämen, weil sie deren Refinanzierungskosten senken würden. Und Staatsfinanzierung ist der EZB vertraglich verboten.
Wie also begründet die EZB ihr Programm genau? Wohl wissend, dass sie sich auf dünnem rechtlichen Eis bewegt, argumentiert die EZB-Führung, die Sondermaßnahmen dienten dazu, der klassischen Geldpolitik wieder zu mehr Durchschlagskraft zu verhelfen. Hohe Staatsanleiherenditen können nach Auffassung der EZB auf verschiedenen Wegen zu unangemessen hohen Kreditzinsen für Unternehmen führen.
Vier Wege, wie hohe Staatsanleiherenditen zu hohen Zinsen für Unternehmen führen
Die EZB nennt insgesamt vier Wege, auf denen hohe Staatsanleiherenditen zu unangemessen hohen Kreditzinsen führen: Verfestigen sich Befürchtungen, dass ungünstige Entwicklungen den Staatssektor beeinträchtigen, dann bewirkt dies aus Sicht der EZB erstens, dass sich negative Erwartungen hinsichtlich der Finanzierungsbedingungen von Banken und Kreditnehmern einstellen.Zweitens stünden Banken im Privatkundengeschäft bei der Verzinsung von Kundeneinlagen und Anleihen in Konkurrenz zu den hoch verzinsten Staatsanleihen und Schatzwechseln. „Dies treibt ihre Refinanzierungskosten in die Höhe“, merkt die EZB an.
Drittens werden bei besicherten Interbankenkrediten in der Regel Staatsanleihen als Sicherheiten verwendet. Aus diesem Grund lassen Spannungen an den Staatsanleihemärkten die Sicherheitenbasis der Banken schrumpfen und beeinträchtigen somit ihren Zugang zu Liquidität. Viertens bewirken Wertminderungen bei den Staatsanleiheportfolios eine Verschlechterung der Bankbilanzen.
In der Folge wird laut EZB die Fähigkeit der Banken zur Kreditvergabe erheblich eingeschränkt, was negative Auswirkungen auf die Realwirtschaft habe.
Der Artikel 123 AEUV im Wortlaut
(1) Überziehungs- oder andere Kreditfazilitäten bei der
Europäischen Zentralbank oder den Zentralbanken der Mitgliedstaaten (im
Folgenden als „nationale Zentralbanken“ bezeichnet) für Organe,
Einrichtungen oder sonstige Stellen der Union, Zentralregierungen,
regionale oder lokale Gebietskörperschaften oder andere
öffentlich-rechtliche Körperschaften, sonstige Einrichtungen des
öffentlichen Rechts oder öffentliche Unternehmen der Mitgliedstaaten
sind ebenso verboten wie der unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln von
diesen durch die Europäische Zentralbank oder die nationalen
Zentralbanken.
(2) Die Bestimmungen des Absatzes 1 gelten nicht für Kreditinstitute in öffentlichem Eigentum; diese werden von der jeweiligen nationalen Zentralbank und der Europäischen Zentralbank, was die Bereitstellung von Zentralbankgeld betrifft, wie private Kreditinstitute behandelt.
(2) Die Bestimmungen des Absatzes 1 gelten nicht für Kreditinstitute in öffentlichem Eigentum; diese werden von der jeweiligen nationalen Zentralbank und der Europäischen Zentralbank, was die Bereitstellung von Zentralbankgeld betrifft, wie private Kreditinstitute behandelt.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/staatsanleihenkaeufe-durch-die-ezb-warnschuss-der-richter-stoppt-draghi-nicht-11888786.html
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