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Sonntag, 17. März 2013

Ich habe Jahr um Jahr für mein Geld gearbeitet und nun verliere ich es, weil die Holländer und Deutschen es so wollen. Die Russen bleiben ungeschoren.“


ZWANGSABGABE FÜR SPARERDie Zyprer wollen ihr Geld retten

Die Sparer in Zypern müssen für die notleidenden Banken im Land gerade stehen und einen Teil ihrer Einlagen abgeben. Die Reaktionen auf die Zwangsabgabe: Verwunderung, Entsetzen, Wut.
Vergebliche Versuche: Die Banken sperren in Zypern ihre Geldautomaten. Quelle: AP/dpa
Vergebliche Versuche: Die Banken sperren in Zypern ihre Geldautomaten.Quelle: AP/dpa
NikosiaZypern im Ausnahmezustand: Das Rettungspaket für die angeschlagenen Banken der Mittelmeerinsel sieht eine Zwangsabgabe auf Guthaben der Sparer vor. Die reagierten mit Wut und Entsetzen. Ausgestanden ist die Krise noch längst nicht: Die Zustimmung des zyprischen Parlaments ist unsicher. Und weil die Regierung einen Ansturm auf die Banken befürchtet, erwägt sie, diese über den Feiertag am Montag hinaus geschlossen zu halten.
Ohne das Brüsseler Rettungspaket wäre zu einem Zusammenbruch des Bankensystems und einem ungeordneten Staatsbankrott gekommen, sagte Nikos Anstasiades. Dann doch lieber „das Szenario eines schmerzhaften, aber kontrollierten Managements der Krise“.

So funktioniert die Zypern-Steuer

Schmerzhaft ist die Entscheidung vor allem für die Bankkunden – anders als bei früheren Rettungsaktionen für Griechenland, Irland, Portugal und Spanien. Denn die Retter brechen ein Tabu: Damit Zypern die bis zu zehn Milliarden Euro aus dem Euro-Krisenfonds ESM erhält, muss das Land die Anleger an der Rettung beteiligen. Bei Einlagen unter 100.000 Euro wird eine Abgabe von 6,75 Prozent fällig, bei höheren Beträgen liegt der „Zypern-Soli“ sogar bei 9,9 Prozent.
Von den 69 Milliarden Euro, die auf zyprischen Konten liegen, gehören zwar rund 37 Prozent ausländischen Anlegern, vor allem reichen Russen und Briten. Doch besonders hart trifft es die Insulaner selbst – vor allem jene, die nicht so wohlhabend sind.

INFOGRAFIK

Zypern

Basisdaten
-1.91.10.5-2.3-3.5-1.36.15.36.35.54.53.8BruttoinlandsproduktVeränd. zum VorjahrHaushaltssaldoin Prozent des BIP20092010201120122013*2014** SchätzungHandelsblatt I Quellen: EU-Kommission

„Und ich dachte, alles unter 100.000 Euro wäre sicher“, stöhnt der Angestellte Andri Menelapou. „Ich habe nicht viel und sehe nicht ein, warum ich für Fehler der Banken zahlen soll.“ Und ein 28-jähriger Mechaniker fragt: „Wo bleibt die Solidarität der EU? Was haben wir bekommen? Nichts.“ Der 54-jährige Andy Georgiou macht seinem Zorn über die Russen Luft: „Ich bin sehr verärgert. Ich habe Jahr um Jahr für mein Geld gearbeitet und nun verliere ich es, weil die Holländer und Deutschen es so wollen. Die Russen bleiben ungeschoren.“

Die Zyprer wollen ihr Geld retten

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Geldautomat: Die Bankkunden werden an dem Rettungspakt beteiligt. Quelle: AP/dpa
Geldautomat: Die Bankkunden werden an dem Rettungspakt beteiligt.Quelle: AP/dpa

Geld abheben ist verboten

Nachdem die Zwangsabgabe Samstagmorgen bekannt wurde, versuchten viele Kunden, ihre Konten zu räumen. Allerdings vergeblich: In den wenigen Genossenschaftsbanken, die am Samstag überhaupt aufmachten, speisten sie die Angestellten damit ab, dass das Online-System außer Betrieb sei. Später schlossen auch die wenigen geöffneten Filialen.
Das Entsetzen reicht sogar bis ins Regierungslager. Er sei schockiert, bekennt Nicholas Papadopoulos, der Vorsitzende des Finanzausschusses im Parlament. „Die Entscheidung ist schlimmer als erwartet und ist das genaue Gegenteil von dem, was uns die Regierung noch gestern Abend versprochen hat“, stöhnt der Vizechef der mitregierenden Demokratischen Partei. „Wenn wir so weitermachen, droht ein Schrecken ohne Ende, weil die Banken wegen massiver Kapitalflucht anfällig bleiben werden“, befürchtet er.
Glück im Unglück dürften tausende Briten haben: Die britische Regierung will Militärs und Regierungsangestellten, die auf Zypern stationiert sind, die Sonderabgabe erstatten. „Personen, die für unseren Staat Dienst tun, werden vor dieser Banksteuer geschützt. Wir werden jeden entschädigen, der von dieser Banksteuer betroffen ist“, sagte Schatzkanzler George Osborne am Sonntag.
Ob sich die Lage bald klärt, hängt vom Parlament ab. Es sollte eigentlich am Sonntag über das Gesetz für das Rettungspaket abstimmen, vertagte die entscheidende Sitzung aber um 24 Stunden. Ebenfalls verschoben wurde eine Fernsehansprache von Präsident Nikos Anastasiades.
Die Entscheidung könnte knapp ausfallen: Das Staatsoberhaupt hat keine klare Mehrheit im Repräsentantenhaus. Die beiden Mitte-Rechts-Parteien DISY und DIKO, die ihn stützen, haben im Parlament nur 28 von 56 Sitzen, nachdem ein Abgeordneter der DIKO seine Fraktion verlassen hat. Auch ist keineswegs gesichert, dass die verbleibenden acht DIKO-Abgeordneten für das Gesetz stimmen werden.


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