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Sonntag, 17. August 2014

Freihandel Bei uns gibt’s heute Chlorhuhn Das Chlorhuhn ist zum Politikum geworden. Wir haben einmal getestet, wie es eigentlich schmeckt.

FreihandelBei uns gibt’s heute Chlorhuhn

Das Chlorhuhn ist zum Politikum geworden. Wir haben einmal getestet, wie es eigentlich schmeckt.
© FRICKE, HELMUTVergrößernSchmeckt man einen Unterschied zwischen einem Chlorhuhn (links) und einem normalen Huhn? Silvaner passt zu beidem.
Meine Frau hat fröhlich herumerzählt, dass es bei uns Chlorhühnchen zum Abendbrot gibt. Das fand unser Freund Stefan, ein Informatikprofessor, so attraktiv, dass er auch zum Essen kam. Er vervollkommnete damit die Probandengruppe, die bis dahin genau genommen aus unserem Freund Matthias, dem Vertriebsberater, bestand.
Mir war diese Entwicklung lieb, vor allem wegen der Empirie: Je mehr Testesser, desto höher die Urteilsqualität. Zusammen mit meiner sehr geschmackssensiblen Frau sind nun drei Probanden für ein Testessen gewonnen, das es in Deutschland so schnell nicht wieder geben wird: Chlorhuhn gegen Normalhuhn - wer schmeckt den Unterschied?
Der feinsinnige Matthias verleiht seiner Freude Ausdruck, diesem historischen Moment beiwohnen zu dürfen. Stefan erzählt von einem Chlorgas-Unfall in einer Frankfurter Badeanstalt ausgerechnet in dieser Woche: 13 Leute kamen mit Augen- und Rachenreizungen ins Krankenhaus, das Bad wurde geräumt, das Wasser abgelassen. Meine Frau lacht über die Koinzidenz.
Das Chlorhuhn kommt in freier Wildbahn nicht vor. Es ist eine amerikanische Spezialität, die unfreiwillig zu großer Berühmtheit kam. Das Geflügel wurde quasi das Wappentier des freien Handels zwischen den Vereinigten Staaten und Europa. Präziser, es wurde zum Symbol für den Missmut, den die Aussicht auf freien Handel mit Amerika vor allem unter Deutschen erzeugt.
Chlorhuhn - Winand von Petersdorff bereitet in seiner Privatwohnung in Frankfurt ein von ihm selbst gechlortes Huhn zuDie Vorbereitung: Unser Huhn im Chlorbad© FRICKE, HELMUTBilderstrecke 
Wer den Begriff Chlorhuhn erfunden hat, wird wohl immer im Verborgenen bleiben. Die Amerikaner waren es wohl nicht, denn sie halten nichts von schlechtem Marketing. Der Begriff ist in diskriminierender Absicht gewählt. Das Huhn wird nach der Entkeimungsmethode benannt, der es nach der Schlachtung unterzogen wird. Die Amerikaner tauchen ihr Geflügel nach der Schlachtung in ein Chlorbad, bevor es in den Verkauf kommt. Sie wollen damit die Erreger auf der nackten Hühnerhaut vernichten. Die Deutschen praktizieren dafür andere Methoden.
Nackt liegt es da, das einzige deutsche Chlorhuhn, nach einem ausführlichen Chlorbad. Bevor ich es mit Kollege Normalhuhn in die Backröhre schiebe, wird Testphase eins eingeleitet: Ich bitte die Probanden zum Geruchstest. Sie führen ihre Nasen sehr nahe an beide Hühnchen heran und atmen tief ein. Tatsächlich, meine Frau und Matthias identifizieren das Chlorhuhn wirklich, Stefan riecht keinen Unterschied, ich ohnehin nicht. Gesalzen, gepfeffert, mit flüssiger Margarine und Paprika eingepinselt, verschwinden die Tiere für 80 Minuten im Ofen (Chefkoch.de-Rezept, Kategorie simpel, fünf Sterne).
Nie hat mich ein Essen so viel Aufwand gekostet wie die Zubereitung dieses Chlorhuhns, kein runder Geburtstag, keine Konfirmation und kein Überraschungsdinner. Die Idee, sich dem Geflügel zu nähern, war in der Redaktionskonferenz aufgekommen. Ich muss da so etwas gesagt haben wie: „Kein Problem, ich besorge uns das Vieh.“
Das war ein schwerer Fehler. Denn in Deutschland gibt es keine Chlorhühner. Als ich in einer Geflügelmetzgerei nachfragte, musste die Verkäuferin sehr lachen. „Unsere Hühner sind aus Herborn“, sagte sie. Mit dem eklatanten Mangel an Chlorhühnern hierzulande hat es die schlichte Bewandtnis, dass sie verboten sind. Frische Lebensmittel dürfen im Prinzip in Deutschland nur mit Trinkwasser behandelt werden, nicht aber mit gechlortem Wasser.

Fragen und Antworten zum Freihandelsabkommen TTIP


Was soll überhaupt herauskommen?

Für die EU führt die Verhandlungen – wie stets in Handelsfragen – die Europäische Kommission. Sie ist dabei an das Mandat gebunden, das ihr die EU-Staaten im Juni 2013 erteilt haben. Das inzwischen durchgesickerte geheime Mandat ist allerdings weit gefasst und lässt der Kommission viel Spielraum. Andererseits steht klar darin, dass ein hohes Umwelt-, Arbeits- und Verbraucherschutzniveau gefördert werden soll. Ziel der Gespräche ist nicht nur, die schon heute niedrigen Zölle abzubauen, sondern auch andere Handelshemmnisse zu beseitigen. Im Blick haben beide Seiten dabei etwa unterschiedliche Standards. Das soll der Wirtschaft in Amerika und Europa mehr Schwung verleihen. Europa darf auf wirtschaftliche Zugewinne von 119 Milliarden Euro im Jahr hoffen, Amerika auf 95 Milliarden Euro. Ursprünglich wollten Amerikaner und Europäer sich bis Ende dieses Jahres einigen. Nun ist von Ende 2015 die Rede. Wahrscheinlich werden sich die Verhandlungen aber auch wegen des öffentlichen Widerstands Jahre hinziehen.
Warum wird nicht alles veröffentlicht?

Wer entscheidet am Ende?

Warum wird über "nichttarifäre Handelshemmnisse" verhandelt?

Unterhöhlt das den Umwelt- und Verbraucherschutz?

Und was ist mit Chlorhuhn, Hormonfleisch und Gentechnik?

Besonders umstritten ist der Investorenschutz. Worum geht es da?

Wie reagieren Kommission und Bundesregierung auf die Kritik?


Man hätte das Tier natürlich heimlich durchs Freibad ziehen können, wenn keiner guckt. Aber das wäre nicht das Gleiche gewesen und zudem schwierig mit der fotografischen Dokumentation. Meine Hoffnungen ruhten deshalb auf den amerikanischen Streitkräften. Es müsste sich doch so ein gechlorter Broiler in den extraterritorialen Kasernensupermärkten oder Kantinen auftreiben lassen. Doch die Amerikaner kaufen offenbar selbst die Hamburger inzwischen lokal ein. Eine Enttäuschung ist das.
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