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Montag, 18. August 2014

Schweizer Gründlichkeit überfordert Amerikaner Schweizer Banken tun beflissen, was das US-Justizdepartement im Steuerstreit von ihnen verlangt. Dieses kämpft nun mit der Menge der gelieferten Daten und den komplexen Prozessen.

Schweizer Gründlichkeit überfordert Amerikaner

Schweizer Banken tun beflissen, was das US-Justizdepartement im Steuerstreit von ihnen verlangt. Dieses kämpft nun mit der Menge der gelieferten Daten und den komplexen Prozessen.

Chefklägerin Kathryn Keneally hatte es Ende 2013 abgelehnt, eine Bagatellklausel für Banken einzuführen. Foto: A. Harrer (Bloomberg)
Chefklägerin Kathryn Keneally hatte es Ende 2013 abgelehnt, eine Bagatellklausel für Banken einzuführen. Foto: A. Harrer (Bloomberg)

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Mit einer derart gewissenhaften Auf­arbeitung der Vergangenheit hat das US-Justizministerium (DoJ) nicht gerechnet: Statt der erwarteten zwei bis drei Dutzend haben sich 106 Banken gemeldet, die potenziell unversteuerte US-Vermögen verwaltet haben und nach US-Recht bereinigen wollen. Sie gehören zu der sogenannten Gruppe 2, die ursprünglich bis Ende Mai Zeit hatte, alle Unterlagen im US-Geschäft einzureichen.
Beobachtern zufolge erhielt das Justizministerium so viel Untersuchungsmaterial und Terminanfragen, dass es die Abgabefrist verschieben musste. Die letzte Frist läuft Mitte September ab.
Warum Terminanfragen? Das Standardverfahren sieht vor, dass jede der 106 Schweizer Banken zwei Präsenta­tionen in Washington oder New York vor US-Staatsanwälten machen muss. In der ersten müssen sie darlegen, wie sie ihr Geschäft mit US-Kunden betrieben haben und wer es seit 2008 verantwortete und überwachte. In der zweiten werden Kontensaldi, Zu- und Abflüsse und die sogenannten Abschleicherlisten (Leaverlisten) präsentiert, die zeigen, zu welcher Bank (im In- oder Ausland) das Geld überwiesen wurde. Weiter müssen die Namen aller Mitarbeiter, externer Anwälte, Vermögensverwalter und Treuhänder genannt werden, die das Geschäft betreuten.
Teure US-Anwälte
Videokonferenzen waren bei den Präsentationen nicht erlaubt. So musste jede Bank einen in Steuerfragen anerkannten US-Steueranwalt engagieren, der die Resultate der Bank den Behörden vortrug. Diese US-Anwälte stützten sich auf das Material, das die Banken zuvor in monatelangen, umfangreichen Recherchen erarbeitet hatten. Um sich vorzubereiten, reisten die US-Anwälte in die Schweiz, wo sie sich ein Bild von den Arbeiten machten.
Zum Teil hielten sie sich «wochenlang in der Schweiz auf, um den ganzen Prozess zu verstehen», sagt ein Kenner. Sie führten Interviews mit Kader und Mitarbeitern durch. Ein solche Aufenthalt sei «sehr teuer». Ein führender US-Anwalt einer bedeutenden Wirtschaftskanzlei («Top tier») verrechne 1000 bis 1200 Dollar pro Stunde, plus Flug und Hotel­aufenthalt. Zwei Wochen kosteten gut und gern 700 000 Franken.
Ein anderer hält die Aufenthalte insofern für gerechtfertigt, als dass an diesen Präsentationen «Softfactors eine nicht zu unterschätzende Rolle» bei der Beurteilung spielen würden. Wenn also eine Bank «kooperiere», könne das zu einer tieferen Busse führen.
Bei einigen Sitzungen sei es zu kuriosen Situationen gekommen. Einige Banken kamen zum Fazit, man habe beim Durchforsten keine US-Person mit nicht versteuertem Vermögen (Kriterium: mehr als 50 000 Franken) gefunden. Darauf fragten die US-Staatsanwälte überrascht: «Warum habt ihr euch denn überhaupt zur Kategorie 2 gemeldet?»
Ausschlaggebend für das Vorgehen der Banken war, dass im November 2013 die damals zuständige Chefklägerin ­Kathryn Keneally es abgelehnt hatte, eine Bagatellklausel für Banken mit wenigen US-Kunden und -vermögen einzuführen. Öl ins Feuer goss Wochen später auch der Chef der Schweizer Finanzmarktaufsicht, Patrick Raaflaub, der die Banken aufforderte, sich für Gruppe 2 zu entscheiden. Dies führte dazu, dass auch Kantonal- und Regionalbanken, so die St. Galler oder die Tessiner, jetzt in ­Washington ihr Geschäft erklären.
Entscheide sollen vorliegen
Nun aber heisst es unter Beratern, Anwälten und den vorgeschriebenen«Independent Examiners» (unabhängigen Prüfern), das DoJ sei sehr wohl bereit, «spezielle Umstände» oder Gegenbeweise anzuerkennen, die zu einen reduzierten Busse führten. «Trotz unversteuerter US-Vermögen werden einige Banken mit einer glimpflichen Busse davonkommen», sagt der Leiter für Untersuchungen eines grossen Wirtschaftsprüfers dem «Tages-Anzeiger». Er vermutet, dass bereits einige Vergleiche (sogenannte «Non prosecution agreements») zwischen Banken und dem DoJ vorlägen. Die Schweizer Banken interessiert, ob ihre Busse die bisher genannten 20, 30 oder 50 Prozent des unversteuerten, verwalteten Vermögens von US-Kunden betragen wird oder am Ende doch nicht bezahlt werden muss. Dabei gehen einige auf Nummer sicher: Sie übergeben die verlangte Abschleicherliste den Staatsanwälten erst, wenn sie den Entwurf des Vergleichs und der Busse gesehen haben.
Die Vergleiche werden in den kommenden Monaten im Internet veröffentlicht, das heisst, die Schweizer Öffentlichkeit wird von jeder der 106 Banken erfahren, wie sie das Geschäft mit US-Steuerpflichtigen betrieben hat.
(Tages-Anzeiger)
(Erstellt: 15.08.2014, 08:54 Uhr)

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