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Donnerstag, 14. August 2014

Vergangene Woche aber sagte die US-Regierung, sie halte den ICJ nicht „für ein angemessenes Forum, um Argentiniens Schuldenprobleme zu erörtern"

Argentiniens Finanzchaos nimmt kein Ende

Bankenrettungsplan gilt als unwahrscheinlich, Peso stürzt auf Rekordtief

    Von NICOLE HONG und KEN PARKS
[image]Reuters
Bürgerprotest in Buenos Aires gegen US-Hedgefonds, die von Argentinien Geld verlangen. Die Regierung beschimpft die störrischen Gläubiger als "Geier". Das Volk ist jedoch zunehmend nervös und verkauft die schwache Landeswährung aus Angst vor einer Wirtschaftskrise.
In Argentinien ist kein Ende der Finanzprobleme in Sicht. Im Schuldenstreit mit unnachgiebigen Gläubigern werde es auf absehbare Zeit keine Einigung geben, teilte der Hedgefonds Aurelius Capital Management am Mittwoch mit, der mit Banken gerade um eine Lösung für das zahlungsunfähige Land ringt. Zudem stürzte der argentinische Peso am Mittwoch nach einer überraschenden Zinssenkung der Zentralbank auf ein Rekordtief – ein Hinweis auf die wachsende Kapitalflucht in dem Land.
Aurelius sagte, es gebe „keine realistische Aussicht" darauf, dass der Konflikt zwischen der argentinischen Regierung und Anleihegläubigern in einem Deal mit Außenstehenden gelöst werden könne.
Mehrere Banken versuchen gerade einen Rettungspakt auszuhandeln. Sie wollen Argentinien helfen, einer kleinen Gruppe störrischer Gläubiger Altschulden zurückzuzahlen, die ihnen per Gerichtsbeschluss zustehen. Erst wenn Argentinien diese Altgläubiger unter Führung von US-Hedgefonds bezahlt, darf das Land aktuellen Anleihegläubigern wieder Zinsen zahlen. Eine Rate von 539 Millionen Dollar ist längst fällig. De facto ist Argentinien seit dem 30. Juli zahlungsunfähig – zum zweiten Mal in 13 Jahren.

Suche nach einem Ausweg aus der Zahlungsklemme

Viele Investoren und Analysten haben große Hoffnung in einen möglichen Banken-Deal gesetzt, der Argentiniens Zahlungsklemme beenden soll.
Anleihen mit einer Laufzeit bis 2033, die in US-Dollar ausgestellt sind und von der Insolvenz betroffen sind, handelten am Mittwochabend nach Angaben von Händlern und des Datendienstes Markit zu einem Kurs von rund 84 Cent je Dollar Nennwert. Das ist weniger als am Dienstag, als ihr Kurs laut den Angaben noch bei 86,8 Cent je Dollar lag. Die Händler sagen, das Handelsvolumen sei in dieser Woche dünn, weshalb ein akkurater Preis schwerer zu bestimmen sei.
Der argentinische Peso verbilligte sich kräftig, nachdem die Zentralbank unerwartet ihre Geldpolitik gelockert hatte. Sie senkte auf ihrer wöchentlichen Auktion von Peso-denominierten Anleihen die Zinsen für drei- und viermonatige Papiere um rund einen Prozentpunkt. Beobachter werten diese Zinssenkung als Zeichen, dass sich Wirtschaftsminister Axel Kicillof mit seinen Plänen zur Stimulierung der Konjunktur durchgesetzt hat. Ihm steht laut Analysten der Zentralbankgouverneur Juan Carlos Fabrega gegenüber, der die hohe Inflation im Land zu senken versucht.
„Die Regierung hält eisern an ihrem Kurs fest", sagt Peter Lannigan, ein Geschäftsführer beim Broker-Dealer CRT Capital Group. „Mit jedem Tag, an dem sich das weiter hinzieht, wird [der Markt] schwerer."

Viele Argentinier sind nervös und verkaufen Pesos

Die argentinische Währung verbilligte sich am Mittwoch auf dem Schwarzmarkt auf 13,15 Peso je US-Dollar. Das ist ein neuer Rekordtiefstand. Das bisherige Rekordtief lag nach Angaben der Zeitung El Cronista, die den Schwarzmarkthandel verfolgt, bei 13,10 Peso je Dollar. Dieser ergab sich im Januar, als die Regierung den Peso um ein Fünftel abwertete. Der offizielle Wechselkurs war am Mittwoch stabil mit 8,2730 Peso je Dollar.
Der nicht enden wollende Schuldenstreit und die erneute Zahlungsunfähigkeit Argentiniens haben die Nachfrage nach US-Dollar erhöht, weil viele Menschen fürchten, dass der Peso noch weiter abwerten und die Preise noch rasanter steigen könnten als bisher. Dass der Peso auf dem Schwarzmarkt so heftig an Wert verliert, zeigt, wie nervös viele Argentinier sind.
Anders als zur Staatspleite im Jahr 2001, als Argentinien Schulden in Höhe von 100 Milliarden Dollar nicht zurückzahlen konnte, stehen die Wirtschaft und die Währung des Landes momentan nicht vor dem Kollaps. Trotzdem machen sich viele auf härtere Zeiten gefasst. Analysten der Wirtschaftsforschung Focus Economics sagen bereits voraus, dass die argentinische Wirtschaft in diesem Jahr um rund 0,9 Prozent schrumpfen wird.
Der US-Dollar ist in Argentinien begehrt, weil sich das argentinische Geld so rasch entwertet. Die Regierung hat ihre Staatsausgaben in den vergangenen Jahren kräftig ausgeweitet und damit die Inflationsrate angeheizt, die inzwischen zu den höchsten weltweit gehört.
Ausländer und Einheimische haben deshalb in Massen begonnen, Pesos in US-Dollar zu tauschen, und damit die Dollarreserven der Zentralbank geplündert. Damit die Dollarbestände nicht ganz zur Neige gehen, schränkte Argentinien vor drei Jahren den Devisentausch ein. Aber das aktuelle Debakel um Argentiniens Anleiheschulden hat die Nachfrage nach Dollar wieder erhöht.
Eine Einigung in dem Schuldenstreit bleibt jedoch fraglich. Der Hedgefonds Aurelius erklärte am Mittwoch, er habe sich „mit verschiedenen privaten Parteien" kurzgeschlossen, um einen Ausweg aus der argentinischen Zahlungsunfähigkeit zu finden. Eine gut informierte Person sagte, noch in dieser Woche habe es Verhandlungen gegeben.
Diese Gesprächen hätten jedoch die Überzeugung geliefert, dass „es keine realistische Aussicht auf eine private Lösung gibt", sagte Aurelius in einer Stellungnahme.

Ein Bankenpakt gilt als nahezu unmöglich

An den Verhandlungen sind unter anderem die Banken J.P. Morgan Chase, Citigroup,C +0,64% Credit Suisse CSGN.VX +1,19% und HSBC Holdings HSBA.LN +1,30%beteiligt, sagen gut informierte Personen. Zudem haben zahlreiche argentinische Unternehmen, darunter auch der Holdingkonzern Corporación America, ihre Zahlungsbereitschaft erklärt. Auch sie wollen, dass ein Deal zustandekommt.
Die Verhandlungen seien zusammengebrochen, weil die Banken von den störrischen Gläubigern Garantien auf eine vollständige Rückzahlung ihrer Auslagen verlangt hätten für den Fall, dass Argentinien am Ende die Ansprüche doch nicht begleicht, sagt eine mit der Sache vertraute Person.
[image]Reuters
Eine Argentinierin hat für eine Demonstration ein "Anti-Geier"-Schild gebastelt.
Andere Sachkenner aus dem Umfeld der Gespräche sagen, dass es nahezu unmöglich sei, einen Pakt zu schließen, weil die Situation so komplex sei. Diese Personen warnen, dass sich der Streit bis ins nächste Jahr hinziehen könnte.
Obendrein fällte ein US-Bezirksgericht vergangene Woche eine Entscheidung, die es NML Capital - ein zweiter unnachgiebiger Hedgefonds – erleichtern könnte, Vermögen eines Geschäftspartners von Präsidentin Cristina Kirchner und ihrem verstorbenen Ehemann Néstor Kirchner, zu beschlagnahmen.
Bezirksrichter Thomas Griesa drohte Argentinien mit Ordnungsmitteln, sollte das Land weiter „falsche und irreführende" Aussagen über seine Schuldensituation treffen. Unter anderem behauptet Argentinien, es sei nicht zahlungsunfähig.
Argentinien hat indes versucht, die USA vor dem Internationalen Gerichtshof (International Court of Justice, ICJ) in Den Haag, dem höchsten UN-Gericht, wegen Missachtung seiner staatlichen Souveränität zu verklagen. Die Klage kann jedoch nur voranschreiten, wenn die USA das Gericht als zuständig anerkennen. Vergangene Woche aber sagte die US-Regierung, sie halte den ICJ nicht „für ein angemessenes Forum, um Argentiniens Schuldenprobleme zu erörtern".
—Mitarbeit: Taos Turner, Matt Wirz und Matt Day
Kontakt zum Autor: redaktion@wallstreetjournal.de

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