Griechenland-Krise
Noch kein weisser Rauch über Brüssel
Ein Spitzentreffen in Brüssel brachte erwartungsgemäss noch keine Entscheidung in der Griechenland-Krise. Die Kreditgeber sind offenbar zu gewissen Zugeständnissen bereit, der Showdown naht.
Ein Treffen des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras mit dem EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker ist in der Nacht auf Donnerstag erwartungsgemäss ohne bahnbrechende Neuigkeiten zu Ende gegangen. Es sei ein «gutes, konstruktives Treffen» gewesen, teilte die EU-Kommission danach schriftlich mit. Es seien Fortschritte dabei erzielt worden, die jeweiligen Positionen «auf Basis verschiedener Vorschläge» gegenseitig zu verstehen. Man sei übereingekommen, sich wieder zu treffen; intensive Arbeit werde weitergehen. Tsipras war kurzfristig für ein Treffen und ein anschliessendes Arbeitsessen mit Juncker nach Brüssel gereist. Vorangegangen waren ein Telefongespräch von Tsipras mit der deutschen Bundeskanzlerin Merkel und dem französischen Staatspräsidenten Hollande sowie ein Treffen von Juncker mit Jeroen Dijsselbloem, dem Chef der Finanzminister der Euro-Staaten (Euro-Gruppe), in Brüssel. Dijsselbloem wurde später auch zum Arbeitsessen der beiden dazu gebeten.
Zugeständnisse der Geber
Auf dem Tisch lagen zwei Vorschläge . Zum einen sind Tsipras laut Angaben aus EU-Kreisen am Mittwoch die von den Kreditgebern vorgeschlagenen Eckpunkte für eine Vereinbarung über ein Reformpaket unterbreitet worden, das die Freigabe ausstehender Hilfsgelder von 7,2 Mrd. € ermöglichen würde. Bei einem Treffen in Berlin hatten die Spitzen der beteiligten Institutionen – der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IMF) – am Montagabend zusammen mit Merkel und Hollande Differenzen unter den Gläubigern ausgeräumt. Auf dieser Basis hatten Beamte der drei Institutionen, die im Namen der Geber mit Griechenland verhandeln, am Dienstag das Eckpunkte-Papier ausgearbeitet.
Zum andern hat Griechenland schon am Montag einen eigenen Reformvorschlag vorgelegt. Beide Papiere sind nicht öffentlich, doch sind sie laut Angaben von Beteiligten erwartungsgemäss nicht deckungsgleich. Einer der wichtigsten Konfliktpunkte scheint auch nach dem Brüsseler Treffen das Thema Rentenreformen zu bilden. Während diese aus Sicht der Institutionen zur Sanierung der Staatsfinanzen unerlässlich sind, hat Tsipras seinen Wählern die Schonung der Rentner versprochen. Laut unbestätigten Berichten fordert das Papier der Institutionen einen Primärüberschuss (Saldo im Staatshaushalt vor Zinszahlungen), der schrittweise von 1% des Bruttoinlandprodukts (BIP) im laufenden Jahr auf 3,5% im Jahr 2018 steigt. Dies ist mehr als das, was Athen vorschlägt, zugleich aber ein unter anderem mit der Verschlechterung der Wirtschaftslage begründetes Zugeständnis: Das bisherige Programm sah einen Primärüberschuss von 3% des BIP 2015 und je 4,5% 2016 und 2017 vor.
Wenig Verhandlungsspielraum
Tsipras sagte beim Verlassen des Gebäudes, man sei sich bei der Frage des Primärüberschusses sehr nahe. Bezüglich der verbleibenden Differenzen erklärte er, «der realistische Vorschlag» sei jener der griechischen Seite. Doch auch wenn EU-Vertreter alles tun, um den Eindruck eines Diktats oder eines Ultimatums zu vermeiden: Für die Geber sei das Papier der Institutionen eine Art «letztes Angebot» und nicht eine Ausgangsposition, um sich mit Tsipras auf halbem Weg zu treffen, erklärten vor dem Treffen in EU-Diplomaten.
Nächster Schritt ist eine Telefonkonferenz der Eurogroup Working Group, in der alle Euro-Staaten auf Ebene der Finanzstaatssekretäre vertreten sind, am Donnerstag. Danach bleiben angesichts der zeitlichen Zwänge und der prekären Liquiditätslage Griechenlands wenige Tage für eine Einigung.
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