SchuldenkriseGriechenland kündigt neue Vorschläge für Krisengipfel an
Bewegt sich Griechenland doch noch auf die Gläubiger zu? „Wir reisen nicht mit dem alten Vorschlag an“, sagt ein Minister mit Blick auf den Krisengipfel am Montag.
20.06.2015
Griechenland will einem Minister zufolge bei dem Euro-Sondergipfel zur Schuldenkrise neue Vorschläge vorlegen. „Wir werden versuchen, unsere Vorlage zu ergänzen, damit wir einer Lösung näher kommen“, sagte Staatsminister Alekos Flambouraris, ein enger Berater von Ministerpräsident Alexis Tsipras, am Samstag dem Fernsehsender Mega. „Wir reisen nicht mit dem alten Vorschlag an.“
Vermutlich werde es am Samstagabend ein Telefonat zwischen Tsipras und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker geben. Er gehöre zu den Optimisten, die daran glaubten, dass man sich auf eine Lösung der Krise zubewege, sagte Flambouraris.
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Athen: Es geht nur noch um 450 Millionen Euro
Laut seiner Einschätzung liegen Griechenland und die internationalen Geldgeber im Streit um das griechische Sparprogramm letztlich nur noch um Maßnahmen für 450 Millionen Euro auseinander. Die Gläubiger machten zusätzliche Einsparungen in diesem Umfange zur Bedingung für die Auszahlung weiterer Hilfen, sagte Staatsminister Alekos Flambouraris im griechischen Fernsehsender Mega.
Flambouraris hatte aber zuvor die Aussicht auf einen Erfolg des Griechenland-Sondergipfels am Montagabend in Brüssel gedämpft. Die Gläubiger seien nicht bereit, Athen wie gefordert eine Reduzierung des Schuldenberges zuzusichern. „Hoffentlich akzeptieren sie es, aber sie werden es nicht machen, das ist meine persönliche Ansicht“, hatte Flambouraris gesagt.
Sollten die Gläubiger Tsipras ultimativ auffordern, ihren Plan zu akzeptieren oder sein Land pleite gehen zu lassen, schloss Flambouraris eine Volksabstimmung über das Sparprogramm nicht aus. „Das würde ich machen“, sagte der griechische Staatsminister. Auch Euclid Tsakalotos, ein anderer sehr enger Berater von Tsipras, hatte kürzlich von der Notwendigkeit einer Volksabstimmung gesprochen, falls keine Einigung mit den Gläubigern erzielt wird: Die griechische Regierung habe ansonsten „kein Mandat, den Euro zu verlassen“, hatte er der BBC gesagt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel pocht derweil weiter auf zusätzliche Reformmaßnahmen aus Athen: „Der Gipfel am Montag kann nur ein Entscheidungs-Gipfel werden, wenn eine Entscheidungsgrundlage vorliegt", sagte sie in Berlin.
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SPD-Chef Sigmar Gabriel warnte am Samstag vor dramatischen Folgen eines Euro-Austritts von Griechenland. „Das wäre ein fatales Signal“, sagte er nach Teilnehmerangaben bei einem nicht-öffentlichen SPD-Konvent in Berlin. Der Nationalismus sei ohnehin überall in Europa auf dem Vormarsch. Ein Scheitern der Verhandlungen würde diese Tendenzen verstärken.
Reger Betrieb vor den Geldautomaten
Die griechischen Banken verlieren derweil weiter an Einlagen: Allein am Freitag sollen die Griechen nach übereinstimmenden Berichten der Athener Presse 1,7 bis zwei Milliarden Euro von ihren Konten abgehoben haben. Damit seien seit Montag fünf Milliarden Euro aus dem Banksystem abgeflossen, berichtete die konservative Athener Zeitung "Kathimerini". Einen sichtbaren so genannten "Bank Run" mit langen Schlangen vor den Schaltern gab es jedoch nicht.
Am Samstagmorgen herrschte nach Augenzeugenberichten reger, aber nicht unnormaler Betrieb vor den Geldautomaten. Dass die Europäische Zentralbank die griechischen Banken fallen lässt, glaubt der griechische Staatsminister Flambouraris aber nicht: Die EZB wüsste um den Dominoeffekt, den ein Zusammenbruch des Bankensystems auslösen würde, sagte er.
Weißes Haus ruft Griechenland und Gläubiger zu Kompromiss auf
Die amerikanische Regierung hat Griechenland und die internationalen Geldgeber des Landes zu einer Einigung ermahnt. Es müsse rasch ein glaubwürdiges Reformprogramm aufgelegt werden, sagte Regierungssprecher Eric Schultz. Das sei Grundlage für langfristiges Wachstum in Europa.
Ende Juni droht Griechenland die Staatspleite, wenn bis dahin keine Übereinkunft über die Auszahlung von Hilfsgeldern in Höhe von 7,2 Milliarden Euro erzielt wird. Zudem muss Athen bis zum 30. Juni 1,6 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zahlen.
Union skeptisch
Mögliche Vereinbarungen müssen auch noch von den nationalen Parlamenten durchgewunken werden. Doch auch im Bundestag wächst die Zahl der Skeptiker, insbesondere in der Union. Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Gunther Krichbaum (CDU), sagte der „Saarbrücker Zeitung“, eine Zustimmung für eine Verlängerung des Hilfspaketes sei "äußerst schwierig". Zum aktuellen Stand der Verhandlungen sagte er, Minsterpräsident Alexis Tsipras müsse "eine 180-Grad-Wende vollziehen, damit wir noch zum Erfolg kommen".
Sollte es tatsächlich zu einem Grexit kommen, erwarten einige Wirtschaftswissenschaftler fatale Auswirkungen. "Er würde das Land ins ökonomische Chaos stürzen. Für die Wirtschaft wäre es ein massiver Schock“, sagte etwa der Wirtschaftsweise Peter Bofinger der „Passauer Neuen Presse“. „Das Land würde eine Inflation gigantischen Ausmaßes erleben, da die Regierung versuchen müsste, den Absturz durch das Drucken von Geld abzufedern." Auch für die Eurozone hätte ein Ausscheiden Griechenlands Konsequenzen. Bislang gelte die Währungsunion als unangreifbare Festung. "Doch wenn ein Land ausscheidet, würde das Spekulanten anziehen. Sobald ein Land in eine wirtschaftlich schwierige Situation käme, würden Wetten auf einen weiteren Euro-Austritt abgeschlossen.“
Andere Wirtschaftswissenschaftler rechnen zwar ebenfalls mit einem deutlichen Einbruch der griechischen Wirtschaft nach einem Grexit, nach ein paar Monaten oder einem Jahr aber mit einer spürbaren Erholung. Sie stützen ihre Hoffnung darauf, dass eine neue Währung spürbar abwerten würde, was Exporte billiger machte. Griechische Waren wären dann auf dem Weltmarkt wieder wettbewerbsfähig.
Zypern macht Fortschritte
Während sich die Lage in Griechenland weiter zuspitzt, kommen positive Nachrichten zu Zypern. Der Internationale Währungsfonds (IWF) gab weitere Finanzhilfen im Umfang von 278,4 Millionen Euro frei. In einer Mitteilung wurden dem Land zugleich Reformfortschritte bescheinigt. Die Euroländer und der IWF hatten für Zypern im März 2013 ein Hilfspaket mit Notkrediten in Höhe von insgesamt zehn Milliarden Euro geschnürt. Zu den Auflagen gehörte neben einem Sparkurs auch ein radikaler Umbau des Finanzsektors.
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