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Dienstag, 16. Februar 2016

Banken misstrauen ihren Kunden Als Bankkunde automatisch verdächtigt Wer Kunde einer Schweizer Bank werden oder bleiben will, muss immer mehr damit rechnen, als verdächtiges, wenn nicht sogar als kriminelles Element behandelt zu werden.

Banken misstrauen ihren Kunden
Als Bankkunde automatisch verdächtigt

Wer Kunde einer Schweizer Bank werden oder bleiben will, muss immer mehr damit rechnen, als verdächtiges, wenn nicht sogar als kriminelles Element behandelt zu werden.
  • von Zoé Baches
Der Weg zu einem Bankkonto bei einer Schweizer Bank wird für manche Kunden immer schwieriger. (Bild: Steffen Schmidt / Keystone)

Der Weg zu einem Bankkonto bei einer Schweizer Bank wird für manche Kunden immer schwieriger. (Bild: Steffen Schmidt / Keystone)

Während Jahrzehnten haben Schweizer Banken Kunden aus der ganzen Welt willkommen geheissen. Stabile politische und rechtliche Verhältnisse, Diskretion, eine starke Währung und die exzellente Servicequalität waren beste Argumente für ein Konto in der Schweiz. Der Kampf gegen Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung, die Finanzkrise, die globalen Kampfansagen an die Steuerumgehung und die Weissgeldstrategie haben dazu geführt, dass viele Schweizer Banken Kunden nicht mehr primär als Auftraggeber und Geschäftspartner, sondern zuallererst einmal als mögliches Compliance-Risiko einstufen. Als Risiko dafür, dass die Bank mit der Betreuung eines Kunden eine der immer zahlreicheren gesetzlichen Bestimmungen, die sie einhalten muss, verletzen könnte. Überspitzt gesagt, muss ein Kunde heute vermehrt damit rechnen, von der Bank unter Generalverdacht gestellt oder gar als Krimineller behandelt zu werden.

Überreaktion der Banken

Ein paar ausgewählte Beispiele zeigen einige Kundengruppen, die von den steigenden Sicherheitsvorkehrungen der Banken besonders betroffen sind. Diese kommen so auch bei anderen Banken und Kunden anderer Nationalitäten vor. Bekanntermassen am schwierigsten haben es Kunden mit einem Pass aus den USA. Diesen bleibt heute meist nur der Gang zu einer US-Bank oder, wenn sie genügend Gelder mitbringen, zu einer der US-Einheiten von Schweizer Banken. Seit dem Steuerstreit begutachten die Banken aber auch Kunden misstrauisch, die zwar nicht über einen US-Pass verfügen, aber Verbindungen in die USA haben. Banken wie die Credit Suisse (CS) durchforsten ihre Konten nach solchen Verbindungen. So erhielt jüngst eine Rentnerin, die vor vierzig Jahren in den USA gelebt hatte und seither in der Schweiz wohnt, einen Brief ihrer langjährigen Hausbank CS. Der Standardbrief informierte die Schweizer Bürgerin darüber, dass sie oder ein anderer wirtschaftlich Berechtigter «gemäss unseren Aufzeichnungen» entweder einen US-Pass, US-Wohnsitz, eine Postadresse, eine Telefonnummer in den USA oder einen Dauerauftrag in die USA eingerichtet habe. Die Verbindung müsse sofort offengelegt werden, zudem müsse die Erlaubnis erteilt werden, alle Daten an die US-Steuerbehörde zu schicken. Sonst werde das Konto aufgelöst. Die Rentnerin antwortete, über keine solche Verbindung zu verfügen. Ohne darauf einzugehen, schickte ihr die CS erneut zwei gleichlautende Briefe.
Nach einem milliardenteuren Steuerstreit gelten die USA in der Schweiz als Hochrisikoland. Kein Institut gehe heute im Umgang mit den USA auch nur das kleinste Risiko ein, erklären Befragte. Die Compliance-Stellen haben sich in den letzten Jahren bei den Banken zu zentralen Schaltstellen für alle Fragen bei der Eröffnung von Kundenbeziehungen und der Kundenbetreuung entwickelt. Selbst Compliance-Experten sagen aber, dass heute viele Banken komplett überreagierten. Diese Haltung werde auch von externen Anwälten genährt, die so ihre Mandate verlängern könnten. Wie in allen anderen Beispielen nimmt auch die CS keine Stellung zum konkreten Fall, betont aber, jeden einzelnen Fall sorgfältigst abzuklären. In- und ausländischen gesetzlichen und regulatorischen Vorschriften werde uneingeschränkt Beachtung geschenkt. Die Beurteilung eines Kunden könne abhängig vom Wohnsitz und von dessen Nationalität unterschiedlich ausfallen und sich im Zeitverlauf ändern.

Ausländer als Risiko

Generell beäugen Banken ausländische Kunden ohne Schweizer Wohnsitz immer kritischer. Dies zeigt der Fall eines Deutschen, der jahrelang in Zürich gelebt und gearbeitet hat. Als ihn seine Firma, ein Zürcher Traditionshaus, für eine begrenzte Zeit nach Peking schickt, will die Zürcher Kantonalbank sein Salärkonto nur weiterführen, wenn er mindestens 500 000 Fr. darauf einzahlt. Trotz Empfehlungsschreiben seiner Firma weigern sich in der Folge alle angefragten Schweizer Institute, ihn als Kunden aufzunehmen. Abgesehen von den üblichen Hinweisen auf schweizerische Richtlinien zur Identifikation des Kunden und von dessen wirtschaftlichen Hintergründen, welche beispielsweise die Swissquote Bank geltend machte, erhielt er keine Erklärungen.
Banken fragen sich heute konsequent, welche Konten noch rentabel geführt werden können. Aus einem Markt wird ausgestiegen, wenn die Kosten, Kunden in Einklang mit dem hiesigen und dem jeweiligen Landesrecht grenzüberschreitend zu betreuen, höher sind als die Erträge, die diese für die Bank generieren. Werden ausländische Kunden weiter grenzüberschreitend betreut, verlangen die Banken vermehrt hohe Mindesteinlagen. Nur so, erklären Compliance-Fachleute, könnten die Banken die rasant wachsenden Kosten für die internationalen und länderspezifischen Vorschriften und Regulierungen, aber auch für die bankinternen Cross-Border-Kontrollen decken. Die deutschen Behörden seien relativ scharf im Umgang mit Steuerthemen, der Compliance-Aufwand für einen deutschen Kunden mit Wohnsitz ausserhalb der Schweiz sei deshalb hoch. Die Swissquote Bank betont, jeden Einzelfall genau abzuklären.
Auch für Auslandschweizer wird es immer schwieriger, ein Schweizer Konto zu erhalten. Verschiedene Betroffene aus unterschiedlichsten Ländern berichten von exorbitanten Gebühren, hohen Mindesteinlagen und sehr weit gehenden Pflichten, zu Vermögen und eigener Person Auskunft zu geben. Die Banken befürchten auch bei solchen Kunden, in Konflikt mit den Steuer- oder Untersuchungsbehörden des jeweiligen Domizillandes zu geraten. Mit dem in Berlin lebenden Ex-Botschafter Tim Guldimann nimmt sich nun ein Nationalrat des Themas an. Guldimann möchte einen pragmatischen Weg finden, damit Schweizer Banken Auslandschweizer wieder und vermehrt als Kunden akzeptieren. Gemäss Guldimann soll dies möglich werden, ohne dass die Banken Geld verlieren und ohne dass sie gesetzlich dazu verpflichtet werden können.

Miserabler Kundenservice

Etwas anders gelagert ist der Fall eines iranischen Studenten, der an der ETH Lausanne seinen Mathematik-Master macht. Unter Vorweisung seines iranischen Passes eröffnete er bei der UBS ein Sparkonto. Wenige Monate später wird ihm aus Dubai ein grösserer Betrag überwiesen. Die UBS friert alle Gelder auf dem Konto ein, auch sein Salär von der ETH. Der Student muss Geld ausleihen, um seine Rechnungen zu bezahlen. Der UBS belegt er, dass das Geld aus den Einnahmen eines elterlichen Mietshauses in Dubai stammt. Die Beraterin verweist den Studenten auf die iranische Nationalität der in Iran lebenden Eltern. Mehrere Wochen nach der Einfrierung überweist ihm die UBS sein Geld auf das Konto einer anderen Schweizer Bank. In diesem Fall kamen wohl die verschärften Vorsichtsmassnahmen bezüglich Geldern aus Risikoländern zur Anwendung.
Die Beispiele zeigen das wachsende Spannungsfeld, dem hiesige Banken ausgesetzt sind. So werden die Anforderungen auch des Schweizer Regulators an die Sorgfaltspflichten immer strenger. Es gibt zwar kein Menschenrecht auf ein Bankkonto; jede Bank entscheidet selbst, mit wem sie Geschäfte machen will. Wie die Beispiele aber zeigen, nimmt mit der Fixierung auf die Compliance die Qualität des hochgelobten Kundenservices Schaden. Für den auf seine weltweite Vermögensverwaltung stolzen Schweizer Finanzplatz ist das keine erbauliche Perspektive. Es fragt sich, ob das sogenannte Weisswaschen nicht überschiesst.

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