Griechenland wird weitere Milliarden brauchen
Europa will Griechenland mehr Zeit
für sein Sparprogramm geben. Schon jetzt ist klar: Wegen einer
Milliardenlücke im Haushalt werden die Eurostaaten Geld nachschießen
müssen. Von Peter Ehrlich, Brüssel
Kaum hat der Chef der griechischen Konservativen den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten, da steht seine Mission schon fest: Er wolle mit den internationalen Kreditgebern über eine Lockerung der Sparauflagen verhandeln,
kündigte Antonis Samaras, Vorsitzender des Wahlsiegers Nea Demokratia,
in Athen an. Es gehe darum, weitere Härten vom griechischen Volk
abzuhalten.
Noch will in Berlin und Brüssel niemand offiziell über
eine Neuverhandlung des griechischen Rettungsprogramms sprechen.
Schließlich ist es erst wenige Monate her, dass man sich in langen Nachtsitzungen auf das Kreditprogramm Nummer zwei geeinigt
hat. Deshalb verlangen von der Eurogruppe bis hin zum
sozialdemokratischen Parlamentspräsidenten Martin Schulz auch alle
EU-Offiziellen, dass sich die nächste Regierung erst einmal zum
Sparprogramm bekennt. Aber dann beginnt schon die Aufweichung.
Kein Rabatt für Griechenland
Das
Programm sei die "Basis", auf der man Wachstum, Wohlstand und
Arbeitsplätze schaffen werde, erklären EU-Ratspräsident Herman Van
Rompuy und Kommissionschef José Manuel Barroso. Vom möglichen
"Feintuning" spricht Schulz. Und selbst Bundesaußenminister Guido
Westerwelle (FDP) betont, über den "Zeitplan" für die Griechen könne man
reden. Einen "Rabatt" für die Griechen im Vergleich zu anderen
Programmländern wie Irland oder Portugal dürfe es aber nicht geben.
Schon
im Wort vom Zeitplan steckt das Eingeständnis, dass man wieder einmal
alle Griechenland-Berechnungen vergessen kann. Auf die Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) wartet
eine neue Milliardenlücke. Das hat zwei Gründe: Zum einen hat sich die
Wirtschaft auch wegen der Unsicherheit vor zwei Wahlgängen noch
schlechter entwickelt als ohnehin schon angenommen. Zum anderen sind
wegen des politischen Stillstands vereinbarte zusätzliche Sparbeschlüsse
nicht getroffen worden. "Ende Juni ist der kritische Punkt", hatten die
IWF-Experten im März vorausgesagt.
Gespart werden soll bei den Rentnern
Denn
offiziell geht es bei der Troika-Mission, die schon im Mai fällig
gewesen wäre, um Kontrolle: Hat Griechenland seine Bedingungen erfüllt?
Eine Bedingung wäre die Verabschiedung eines Sparplanes gewesen, der bis
2014 für strukturelle Einsparungen im Haushalt in Höhe von 5,5 Prozent
des Bruttoinlandsprodukts sorgt - das sind rund zwölf Milliarden Euro.
Die Troika hatte unter anderem Personalkürzungen im öffentlichen Dienst,
Einsparungen bei Familienleistungen und erneut bei den Renten
vorgeschlagen, so lange nicht die Ärmsten getroffen werden.
Auch die Nea Demokratia und ihr voraussichtlicher Partner Pasok haben nicht gerade mit neuen Einsparungen Wahlkampf gemacht.
Die Troika wird also nicht nur eine Milliardenlücke vorfinden, sondern
auch mit dem Wunsch nach Korrekturen des Sparplans konfrontiert werden.
Wenn die Bundesregierung und Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker die
Ankündigung ernst meinen, den Zeitplan für die Einsparungen zu strecken,
müssten sie einem langsameren Sparkurs zustimmen und dafür noch mehr
Wert auf die Umsetzung der Strukturreformen und die Modernisierung der
maroden Verwaltung legen.
EU muss zusätzliche Milliarden bereitstellen
Weniger
Steuereinnahmen und weniger Einsparungen vergrößern jedoch die
Finanzierungslücke. Das Haushaltsdefizit pro Quartal ohne Zins- und
Tilgungszahlungen sollte pro Quartal in diesem Jahr eigentlich nur noch
500 Millionen Euro betragen und sich ab Anfang 2013 in einen kleinen
Überschuss verwandeln. Zins- und Tilgungszahlungen werden größtenteils
ohnehin vom Rettungsfonds EFSF und dem IWF übernommen. Im zweiten
Halbjahr 2014 sollte das Land sogar schon seine Zinsen wieder selbst
bezahlen können, nur die Umschuldung auslaufender Kredite sollte Sache
der Fonds sein.
Wenn die bis 2014 laufende Planung
nicht mehr stimmt, müsste zumindest die EU zusätzliche Milliarden für
das Land bereitstellen. Viele Experten hatten schon im März ein drittes
Griechenland-Programm vorausgesagt, das spätestens 2015 komme.
Allzu optimistische Prognose
Ob
der IWF seine geplante Überweisung von 1,6 Milliarden Euro pro Quartal
aufstocken würde, ist fraglich. Der Währungsfonds darf eigentlich nur
Geld geben, wenn die langfristige Tragfähigkeit der Schulden gesichert
ist. Nach der erfolgreichen Umschuldung der privat gehaltenen
Griechen-Anleihen im März sollte der Schuldenstand nach einem Hoch von
167 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in 2013 auf 116 Prozent in 2020
sinken. Einen Stand von unter 120 Prozent akzeptiert der IWF als
nachhaltig. Die IWF-Experten waren sich aber schon im März darüber klar,
dass diese Prognose sehr optimistisch war. Die Risiken, die inzwischen
Wirklichkeit geworden sind, sahen sie voraus. In einem
Alternativszenario mit der Annahme von weniger Wachstum und politischem
Stillstand kommen sie auf eine Verschuldung von 145 Prozent in 2020.
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