Kommentar Griechenland hat keine Zeit
17.06.2012, 22:00 Uhr
Mit
dem Ausgang der Wahl in Griechenland haben sich die Probleme des
Staates nicht in Luft aufgelöst. Die neue Regierung muss die Ärmel
hochkrempeln und handeln. Und das im Eiltempo - denn die Zeit ist knapp.
AthenGerade
noch mal gut gegangen, könnte man angesichts der Griechenwahl sagen.
Die pro-europäische Nea Dimokratia wurde stärkste Partei, wenn auch mit
knappem Vorsprung vor den Radikallinken. Ende gut, alles gut?
Keineswegs.
Problem Nummer eins: Es wird nicht leicht
sein, gegen die radikallinke Opposition zu regieren. Deren Chef Alexis
Tsipras schien am Wahlabend sogar erleichtert, dass der Kelch des
Ministerpräsidenten an ihm vorübergegangen ist und er in dieser
verzweifelten Lage des Landes keine Regierungsverantwortung übernehmen
muss. Die Oppositionsbank ist weicher als der Stuhl des Regierungschefs.
Tsipras hätte wohl auch kaum das politische Personal für eine
Kabinettsbildung gehabt. Er wird als Oppositionsführer nicht nur feurige
Rede im Parlament halten. Tsipras könnte auch seine Anhänger
mobilisieren und das Land mit Streiks und Protesten ins Chaos stürzen.
Mit dem Druck der Straße hat das Linksbündnis Syriza bereits in der
Vergangenheit Politik gemacht.
Zweites Problem:
Der konservative Wahlsieger Antonis Samaras muss jetzt erst einmal
Koalitionspartner finden. Das könnte schwierig werden. Die ersten
Äußerungen führender Politiker am Wahlabend lassen befürchten, dass
jetzt eine Neuauflage des politischen Gerangels vom Mai droht. Konsens
scheint für die meisten Athener Politiker immer noch ein Fremdwort zu
sein, Kompromisse etwas Faules. Was muss eigentlich noch passieren, bis
endlich ein Ruck durch die erstarrte politische Kaste des Landes geht?
Griechenlands Probleme so gewaltig, dass die politischen Parteien gut
beraten wären, jetzt eine möglichst breit aufgestellte Regierung zu
bilden. Dabei ist Eile geboten. Wochenlange Koalitionsverhandlungen kann
sich das Land ebenso wenig leisten wie eine dritte Wahl, falls die
Bemühungen um eine Regierungsbildung erneut scheitern sollten.
Griechenland
Griechenlands
Partner erwarten jetzt klare Ansagen aus Athen. Wenn zum nächsten
EU-Gipfel in zehn Tagen wieder nur ein politisch unbefugter griechischer
Interims-Premier erscheint, weil sich die Parteien nicht auf eine
Regierung einigen können, werden auch die letzten verbliebenen Freunde
Griechenlands – und das sind wenige - die Geduld verlieren. Auch die
Finanzmärkte erwarten, dass Griechenland endlich wieder regiert wird.
Die zweimonatige politische Lähmung seit der Auflösung des Parlaments
Mitte April hat das Land weit zurückgeworfen. Die Reformen sind zum
Stillstand gekommen, die Privatisierungen liegen auf Eis. Die Zerrüttung
der Staatsfinanzen schreitet immer schneller fort. Der Haushalt läuft
aus dem Ruder, den Sozialkassen droht der Zusammenbruch, in den
staatlichen Kliniken gehen sogar die Mullbinden aus, und in Athen
stehen 400 Linienbusse in den Depots, weil Ersatzteile fehlen. Mitte
Juli sind die Kassen leer.
Wenn die
internationalen Geldgeber nicht einspringen, geht Griechenland pleite.
Die Gläubiger haben in den vergangenen Wochen deutlich signalisiert,
dass sie über Kurskorrekturen bei den Sparvorgaben durchaus mit sich
reden lassen. Athen soll mehr Zeit bekommen, die Konsolidierungsziele
umzusetzen, kündigte am Sonntag auch Außenminister Guido Westerwelle an.
Doch Voraussetzung dafür ist eine stabile, handlungsfähige Regierung in
Athen. Die Zeit drängt.
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