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Montag, 18. Juni 2012

Kommentar Griechenland hat keine Zeit

Kommentar  Griechenland hat keine Zeit

Mit dem Ausgang der Wahl in Griechenland haben sich die Probleme des Staates nicht in Luft aufgelöst. Die neue Regierung muss die Ärmel hochkrempeln und handeln. Und das im Eiltempo - denn die Zeit ist knapp.

Gerd Höhler ist Handelsblatt-Korrespondent in Athen. Quelle: Pablo Castagnola
Gerd Höhler ist Handelsblatt-Korrespondent in Athen. Quelle: Pablo Castagnola
AthenGerade noch mal gut gegangen, könnte man angesichts der Griechenwahl sagen. Die pro-europäische Nea Dimokratia wurde stärkste Partei, wenn auch mit knappem Vorsprung vor den Radikallinken. Ende gut, alles gut?  Keineswegs.


Problem Nummer eins: Es wird nicht leicht sein, gegen die radikallinke Opposition zu regieren. Deren Chef Alexis Tsipras schien am Wahlabend sogar erleichtert, dass der Kelch des Ministerpräsidenten an ihm vorübergegangen ist und er in dieser verzweifelten Lage des Landes keine Regierungsverantwortung übernehmen muss. Die Oppositionsbank ist weicher als der Stuhl des Regierungschefs. Tsipras hätte wohl auch kaum das politische Personal für eine Kabinettsbildung gehabt. Er wird als Oppositionsführer nicht nur feurige Rede im Parlament halten. Tsipras könnte auch seine Anhänger mobilisieren und das Land mit Streiks und Protesten ins Chaos stürzen. Mit dem Druck der Straße hat das Linksbündnis Syriza bereits in der Vergangenheit Politik gemacht.
Zweites Problem: Der konservative Wahlsieger Antonis Samaras muss jetzt erst einmal Koalitionspartner finden. Das könnte schwierig werden. Die ersten Äußerungen führender Politiker am Wahlabend lassen befürchten, dass jetzt eine Neuauflage des politischen Gerangels vom Mai droht. Konsens scheint für die meisten Athener Politiker immer noch ein Fremdwort zu sein, Kompromisse etwas Faules. Was muss eigentlich noch passieren, bis endlich ein Ruck durch die erstarrte politische Kaste des Landes geht? Griechenlands Probleme so gewaltig, dass die politischen Parteien gut beraten wären, jetzt eine möglichst breit aufgestellte Regierung zu bilden. Dabei ist Eile geboten. Wochenlange Koalitionsverhandlungen kann sich das Land ebenso wenig leisten wie eine dritte Wahl, falls die Bemühungen um eine Regierungsbildung erneut scheitern sollten.
Griechenland
Griechenlands Partner erwarten jetzt klare Ansagen aus Athen. Wenn zum nächsten EU-Gipfel in zehn Tagen wieder nur ein politisch unbefugter griechischer Interims-Premier erscheint, weil sich die Parteien nicht auf eine Regierung einigen können, werden auch die letzten verbliebenen Freunde Griechenlands – und das sind wenige - die Geduld verlieren. Auch die Finanzmärkte erwarten, dass Griechenland endlich wieder regiert wird. Die zweimonatige politische Lähmung seit der Auflösung des Parlaments Mitte April hat das Land weit zurückgeworfen. Die Reformen sind zum Stillstand gekommen, die Privatisierungen liegen auf Eis. Die Zerrüttung der Staatsfinanzen schreitet immer schneller fort. Der Haushalt läuft aus dem Ruder, den Sozialkassen droht der Zusammenbruch, in den staatlichen Kliniken gehen sogar die Mullbinden aus, und in  Athen stehen 400 Linienbusse in den Depots, weil Ersatzteile fehlen. Mitte Juli sind die Kassen leer.
Wenn die internationalen Geldgeber nicht einspringen, geht Griechenland pleite. Die Gläubiger haben in den vergangenen Wochen deutlich signalisiert, dass sie über Kurskorrekturen bei den Sparvorgaben durchaus mit sich reden lassen. Athen soll mehr Zeit bekommen, die Konsolidierungsziele umzusetzen, kündigte am Sonntag auch Außenminister Guido Westerwelle an. Doch Voraussetzung dafür ist eine stabile, handlungsfähige Regierung in Athen. Die Zeit drängt.

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