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Montag, 21. Mai 2012

Jeder druckt für sich allein // also druckt GRI doch ihre eigenen Euros

Welt am Sonntag 20.05.12

Jeder druckt für sich allein

Eigentlich soll die Europäische Zentralbank kontrollieren können, welche Banken wie viel Geld bekommen. Doch nebenbei werfen nationale Notenbanken die Notenpresse an, um eigene Nothilfen zu vergeben. So entsteht ein Risiko in Milliardenhöhe - auch für den deutschen Steuerzahler Von Matthias Brendel und Sebastian Jost

 Georgios Provopoulos machte aus seiner Sorge keinen Hehl mehr. "Die Gesundheit unserer Banken ist heute sehr schlecht", klagte der griechische Zentralbankpräsident Anfang der Woche. Den Kreditinstituten des Krisenlandes fehlt es an Eigenkapital. Und nun verlieren auch die kleinen Sparer endgültig das Vertrauen, immer mehr Griechen plündern ihre Konten. Man habe noch keinen Bank-Run, sagte Provopoulos. Aber er habe Angst, dass es bald dazu kommen könnte.


Griechenlands Banken taumeln am Abgrund. Wenn nun sogar die Sparer flüchten, wer soll einem solchen Kreditinstitut in einem Land mit chaotischer politischer Situation noch Geld leihen?
Und doch müssen die Hellas-Banken nicht fürchten, kurzfristig ohne flüssige Mittel dazustehen. Es gibt einen Gläubiger, der stoisch zu ihnen hält - die griechische Notenbank. Sie verleiht munter weitere Milliarden. Dabei lautet einer der Glaubensgrundsätze der Zentralbanken unter dem Dach der EZB, dass Geld nur an solvente Banken verliehen wird. Doch dieses Prinzip drückt schon längst eher das aus, was die Notenbanken tun sollten - aber nicht das, was sie tatsächlich tun. In Wirklichkeit wird es in der Staatsschuldenkrise immer weiter unterlaufen. Und die schlimmsten Auswüchse hat die EZB noch nicht einmal unter Kontrolle. Vielmehr verleihen die nationalen Notenbanken einzelner Krisenländer reichlich Geld an die wackligsten unter den wackligen Banken - ohne dass es für diese Kredite Sicherheiten gäbe, die auch die EZB selbst akzeptieren würde. Und das, obwohl die Risiken für diese Kredite letztlich bei allen Notenbanken der Währungsunion liegen - also auch bei der Bundesbank und damit beim deutschen Steuerzahler. Bei einem nicht mehr so unwahrscheinlichen Euro-Austritt Griechenlands könnten aus diesen Risiken schnell reale Verluste werden.
Die heiklen Notfallkredite werden im internationalen EZB-Jargon "Emergency Liquidity Assistance" oder kurz ELA genannt. Die ELA ist der Dispokredit einer Geschäftsbank bei ihrer nationalen Notenbank. Ein Dispokredit, dessen Limit die EZB nur schwer kontrollieren kann. Und dessen Höhe sie noch nicht einmal bekannt gibt. Recherchen der "Welt am Sonntag" zeigen nun erstmals das Ausmaß des Verleih-Wildwuchses: Griechenland, Irland, Spanien und Zypern hatten ihren Banken im März Notfallkredite in Höhe von mehr als 120 Milliarden Euro gewährt. Inzwischen dürfte die Summe sogar auf 145 Milliarden gestiegen sein. Seit Jahresbeginn 2011 hat sich das Volumen damit verdoppelt. Und "dieser Betrag könnte jederzeit noch viel weiter steigen", klagt man in Notenbankkreisen. Die gemeinsame Geldpolitik werde unterwandert.
Das zeigte sich bereits in den vergangenen Wochen. Je weiter sich die Lage in Griechenland zuspitzt, desto höher der ELA-Bedarf der dortigen Banken. Als die EZB Anfang Mai beschloss, verschiedene Wertpapiere mit Ursprungsort Griechenland nicht mehr als Sicherheiten anzunehmen, sanken die Standard-Kredite der EZB an griechische Banken um fast 20 Milliarden Euro. Doch weil die Banken keine anderen Geldquellen mehr hatten, stieg der Umfang der griechischen ELA um den entsprechenden Betrag. In der zweiten Maiwoche kamen noch einmal etwa 3,6 Milliarden Euro hinzu. Allein die ELA Griechenlands dürfte inzwischen rund 75 Milliarden Euro betragen. Ursache dafür ist, dass die EZB mehrere griechische Banken von Standard-Geschäften ausgeschlossen hat, weil sie nicht genügend Eigenkapital vorweisen können - diese Institute sind nun vorwiegend von ELA abhängig.
Es geht um Milliarden, die es nach der reinen Notenbanklehre gar nicht geben dürfte. Zwar können sich Banken jederzeit Geld bei der EZB leihen, seit der Finanzkrise sogar in unbegrenzter Höhe. Aber eben nur solange sie entsprechende Sicherheiten bieten können: Sie müssen der Zentralbank beispielsweise Staatsanleihen oder verbriefte Hypothekenforderungen verpfänden, auf die die Notenbank zugreifen kann, falls die Bank ihren Kredit nicht zurückzahlt.
Banken in Griechenland oder Irland haben aber längst nicht mehr genug Vermögenswerte, die sie verpfänden könnten, um ihren gesamten Finanzbedarf zu decken. Diese Banken drohten ohne flüssige Mittel pleitezugehen. Wenn es da nicht das Gegenmittel ELA gäbe. Im Rahmen dieser Notfallhilfen kann eine nationale Zentralbank nach eigenem Ermessen weitere Milliardensummen verleihen - und sie kann selbst entscheiden, welche Sicherheiten sie dafür verlangt. In der Praxis bedeutet das: Selbst Wertpapiere oder Kredite mit Ramsch-Status können als Sicherheit für eine ELA noch lange gut genug sein. Die Notenbank tauscht Schrottpapiere in harte Euro ein.
Das Instrument an sich ist nicht neu und war auch schon vor Ausbruch der Euro-Krise im Einsatz. So erhielt in Deutschland die Pleitebank Hypo Real Estate im Jahr 2008 ELA-Kredite von bis zu 20 Milliarden Euro von der Bundesbank. Diese Hilfen verschwanden aber binnen weniger Monate wieder - nun aber machen diverse Notenbanken ELA zur Dauereinrichtung. Und erhalten damit Banken am Leben, die längst abgewickelt gehören. Zombie-Banken, wie sie inzwischen genannt werden.
Wie stark dieses Instrument tatsächlich genutzt wird, darum macht das Euro-System der Zentralbanken ein großes Geheimnis. Teilweise bekommt nicht einmal die EU-Kommission konkrete Daten, wie es in Brüssel heißt. Aus versteckten Hinweisen im Zahlenwerk der Währungshüter und Angaben aus Zentralbankkreisen konnte die "Welt am Sonntag" jedoch einen Überblick über das ELA-Volumen Ende März dieses Jahres zusammenstellen - neuere Zahlen liegen nicht komplett vor. Die griechische Notenbank hatte damals ELA-Mittel in Höhe von etwa 48 Milliarden Euro verliehen. Die irische ELA war zu diesem Zeitpunkt ungefähr 43,5 Milliarden Euro schwer. Der Notfall-Dispo wurde von spanischen Banken mit etwa 25 Milliarden Euro genutzt und von zypriotischen mit rund vier Milliarden. Eine ELA der portugiesischen Notenbank in Höhe von acht Milliarden Euro konnte Ende Februar wieder aufgelöst werden.
ELA sei für die Krisenstaaten eine Lizenz, praktisch unkontrolliert eigenes Geld zu drucken, knurren nordeuropäische Notenbanker. Und die übrigen Zentralbanken in Euroland müssen dieses Spiel sogar indirekt finanzieren. Denn die ELA-Mittel, die die Notenbanken in der Peripherie an ihre Banken ausgeben, leihen sie sich wiederum beim Euro-System insgesamt. Damit werden die Kredite Teil der sogenannten Target-Verbindlichkeiten gegenüber der EZB, über deren Risiken ohnehin seit Monaten gestritten wird. Diese werden wiederum von den nationalen Notenbanken jener Länder finanziert, in die ängstliche Anleger derzeit ihre Milliarden tragen - allen voran von der Deutschen Bundesbank.
Der Anreiz für die Notenbanken in Südeuropa, diese Überziehungskredite bei der EZB nicht zu nutzen, ist denkbar gering. Denn die Target-Kredite müssen noch nicht einmal verzinst werden. Umgekehrt zahlen die Banken für die ELA-Mittel Strafzinsen, genaue Zahlen gibt es allerdings nicht. Für die Notenbanken der Krisenländer ist ELA zunächst also ein gutes Geschäft: Sie leihen sich das Geld zu null Prozent und verleihen es mit einem Aufschlag weiter.
Im Gegenzug muss die nationale Zentralbank freilich auch das Risiko für die Notfallkredite tragen: Kann eine der Geschäftsbanken die ELA-Mittel nicht zurückzahlen, wird der Verlust nicht wie bei normalen EZB-Geschäften unmittelbar auf das ganze Euro-System verteilt, sondern bleibt allein an der nationalen Notenbank hängen. Zwar gab es für alle bisherigen ELA-Kredite eine Staatsgarantie des jeweiligen Heimatlandes. Diese hilft aber im Fall der Fälle wenig: Schließlich ist das größte Insolvenzrisiko für griechische Banken eine Pleite der Regierung in Athen - in diesem Moment ist auch die Staatsgarantie wertlos.
Spätestens an diesem Punkt träfe der ELA-Ausfall nicht mehr nur die griechische Notenbank - sondern das gesamte Euro-System. Zwar verweist man in EZB-Kreisen darauf, dass es keinerlei Pflicht für die übrigen Eurosystem-Notenbanken gebe, die Verluste etwa der Bank von Griechenland auszugleichen. Doch die hat sich das Geld, das sie an die Banken weitergereicht hat, ja selbst von der EZB geliehen, in Form von Target-Krediten - deren Rückzahlung dann in den Sternen stünde. Im Falle eines Staatsbankrotts eines Landes müsse das gesamte Risiko der ELA-Volumina durch die anderen Mitgliedsbanken des Euro-Systems getragen werden, warnt Jürgen Michels, EZB-Experte bei Citigroup in London. "In diesem Fall würde daraus ein Verlust für die Europäische Zentralbank entstehen, der nach dem Kapitalschlüssel der EZB auf die nationalen Zentralbanken aufgeteilt wird", sagt auch Volker Wieland, Professor für monetäre Ökonomie an der Universität Frankfurt. Die Bundesbank hält als größte Anteilseignerin 27 Prozent des EZB-Kapitals und müsste einen entsprechenden Anteil der Verluste übernehmen.
Für die Experten steht damit fest: Die offizielle Lesart, dass das Risiko der ELA-Kredite eine rein nationale Angelegenheit sei, ist Augenwischerei. Um diesen heimlichen Risikotransfer zu stoppen, müssten die Frankfurter Währungshüter das Treiben begrenzen. Theoretisch gibt es diese Möglichkeit auch. Allerdings brauchte es eine Zweidrittelmehrheit im Rat der EZB, um eine nationale ELA zu stoppen. In diesem Gremium haben jedoch alle Zentralbanken nur eine Stimme, und die Länder, die eine großzügige Politik der Notenbank favorisieren, sind derzeit klar in der Mehrheit. Dass etwa die Bundesbank die jüngsten Ausweitungen der Notkredite in Griechenland dem Vernehmen nach äußerst skeptisch sieht und zumindest auf klarere Regeln für den Umfang der Notkredite drängt, ändert daher wenig. Ein Votum gegen ELA-Hilfen sei derzeit illusorisch, sagen Notenbanker.
Und so dürften die heimlichen Notenpressen weiter rotieren. Vor allem in Griechenland: Das Geld, das ängstliche Sparer von ihren Bankkonten holen, wird derzeit eins zu eins von der Zentralbank ersetzt - in Form von neuen ELA-Krediten

2 Kommentare:

  1. wenn das so wäre, dann hätte GR nie Finanzhilfen gebraucht sondern hätte sich ganz normal weiter am Kapitalmarkt finanziert. Als Käufer wären die lokalen Banken aufgetreten, die sich wiederum bei der EZB refinanziert hätten oder eben bei der Bank of Greece. GR tut das ja auch, aber nur in sehr kleinem Rahmen von ein paar Mrd. € in kurzlaufenden Treasuries.

    Ganz so einfach sind die ELAs nämlich nicht: sie bedürfen der Höhe nach einer Genehmigung des Zentralbankrats und Alleingänge einer nationalen Notenbank können mit 2/3-Mehrheit des EZB-Rats blockiert werden. Unendlich Euro erzeugen können die NZBs nur, wenn sie sich darüber hinwegsetzen und sobald das passiert ist die Eurozone am Ende.

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  2. @Johann

    Da Du Dich ja scheinbar gut auskennst: Hast Du schon was von der FMA gehört? Ich warte seit 1,5 Monaten auf eine Antwort. Von der Kontrollbank kams nach 2 Tagen, dass sie nicht zuständig sind und auf FMA verwiesen. Auf eine mail während des PSI bekam ich von der FMA auch umgehend Antwort, nur auf die Post nach dem PSI und Zwangstausch nicht.Lt. Webseite äussert sie sich nicht zu laufenden Verfahren, könnte also ein Hinweis auf Eröffnung eines Verfahrens sein. Ich denke, dass die EFSF Bonds das Problem ist. Wenn es im PSI rechtwidrig war, dann wohl doch auch über CAC Law 4050 immer nocht ein REchtsverstoß in Ö für Kleinanleger?!

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