Welt am Sonntag
20.05.12
Jeder druckt für sich allein
Eigentlich soll die Europäische Zentralbank kontrollieren
können, welche Banken wie viel Geld bekommen. Doch nebenbei werfen
nationale Notenbanken die Notenpresse an, um eigene Nothilfen zu
vergeben. So entsteht ein Risiko in Milliardenhöhe - auch für den
deutschen Steuerzahler Von Matthias Brendel und Sebastian Jost
Georgios Provopoulos machte aus seiner Sorge keinen Hehl mehr. "Die
Gesundheit unserer Banken ist heute sehr schlecht", klagte der
griechische Zentralbankpräsident Anfang der Woche. Den Kreditinstituten
des Krisenlandes fehlt es an Eigenkapital. Und nun verlieren auch die
kleinen Sparer endgültig das Vertrauen, immer mehr Griechen plündern
ihre Konten. Man habe noch keinen Bank-Run, sagte Provopoulos. Aber er
habe Angst, dass es bald dazu kommen könnte.
Griechenlands Banken taumeln
am Abgrund. Wenn nun sogar die Sparer flüchten, wer soll einem solchen
Kreditinstitut in einem Land mit chaotischer politischer Situation noch
Geld leihen?
Und doch müssen
die Hellas-Banken nicht fürchten, kurzfristig ohne flüssige Mittel
dazustehen. Es gibt einen Gläubiger, der stoisch zu ihnen hält - die
griechische Notenbank. Sie verleiht munter weitere Milliarden. Dabei
lautet einer der Glaubensgrundsätze der Zentralbanken unter dem Dach der
EZB, dass Geld nur an solvente Banken verliehen wird. Doch dieses
Prinzip drückt schon längst eher das aus, was die Notenbanken tun
sollten - aber nicht das, was sie tatsächlich tun. In Wirklichkeit wird
es in der Staatsschuldenkrise immer weiter unterlaufen. Und die
schlimmsten Auswüchse hat die EZB noch nicht einmal unter Kontrolle.
Vielmehr verleihen die nationalen Notenbanken einzelner Krisenländer
reichlich Geld an die wackligsten unter den wackligen Banken - ohne dass
es für diese Kredite Sicherheiten gäbe, die auch die EZB selbst
akzeptieren würde. Und das, obwohl die Risiken für diese Kredite
letztlich bei allen Notenbanken der Währungsunion liegen - also auch bei
der Bundesbank und damit beim deutschen Steuerzahler. Bei einem nicht
mehr so unwahrscheinlichen Euro-Austritt Griechenlands könnten aus
diesen Risiken schnell reale Verluste werden.
Die heiklen
Notfallkredite werden im internationalen EZB-Jargon "Emergency Liquidity
Assistance" oder kurz ELA genannt. Die ELA ist der Dispokredit einer
Geschäftsbank bei ihrer nationalen Notenbank. Ein Dispokredit, dessen
Limit die EZB nur schwer kontrollieren kann. Und dessen Höhe sie noch
nicht einmal bekannt gibt. Recherchen der "Welt am Sonntag" zeigen nun
erstmals das Ausmaß des Verleih-Wildwuchses: Griechenland, Irland,
Spanien und Zypern hatten ihren Banken im März Notfallkredite in Höhe
von mehr als 120 Milliarden Euro gewährt. Inzwischen dürfte die Summe
sogar auf 145 Milliarden gestiegen sein. Seit Jahresbeginn 2011 hat sich
das Volumen damit verdoppelt. Und "dieser Betrag könnte jederzeit noch
viel weiter steigen", klagt man in Notenbankkreisen. Die gemeinsame
Geldpolitik werde unterwandert.
Das zeigte sich
bereits in den vergangenen Wochen. Je weiter sich die Lage in
Griechenland zuspitzt, desto höher der ELA-Bedarf der dortigen Banken.
Als die EZB Anfang Mai beschloss, verschiedene Wertpapiere mit
Ursprungsort Griechenland nicht mehr als Sicherheiten anzunehmen, sanken
die Standard-Kredite der EZB an griechische Banken um fast 20
Milliarden Euro. Doch weil die Banken keine anderen Geldquellen mehr
hatten, stieg der Umfang der griechischen ELA um den entsprechenden
Betrag. In der zweiten Maiwoche kamen noch einmal etwa 3,6 Milliarden
Euro hinzu. Allein die ELA Griechenlands dürfte inzwischen rund 75
Milliarden Euro betragen. Ursache dafür ist, dass die EZB mehrere
griechische Banken von Standard-Geschäften ausgeschlossen hat, weil sie
nicht genügend Eigenkapital vorweisen können - diese Institute sind nun
vorwiegend von ELA abhängig.
Es geht um
Milliarden, die es nach der reinen Notenbanklehre gar nicht geben
dürfte. Zwar können sich Banken jederzeit Geld bei der EZB leihen, seit
der Finanzkrise sogar in unbegrenzter Höhe. Aber eben nur solange sie
entsprechende Sicherheiten bieten können: Sie müssen der Zentralbank
beispielsweise Staatsanleihen oder verbriefte Hypothekenforderungen
verpfänden, auf die die Notenbank zugreifen kann, falls die Bank ihren
Kredit nicht zurückzahlt.
Banken in
Griechenland oder Irland haben aber längst nicht mehr genug
Vermögenswerte, die sie verpfänden könnten, um ihren gesamten
Finanzbedarf zu decken. Diese Banken drohten ohne flüssige Mittel
pleitezugehen. Wenn es da nicht das Gegenmittel ELA gäbe. Im Rahmen
dieser Notfallhilfen kann eine nationale Zentralbank nach eigenem
Ermessen weitere Milliardensummen verleihen - und sie kann selbst
entscheiden, welche Sicherheiten sie dafür verlangt. In der Praxis
bedeutet das: Selbst Wertpapiere oder Kredite mit Ramsch-Status können
als Sicherheit für eine ELA noch lange gut genug sein. Die Notenbank
tauscht Schrottpapiere in harte Euro ein.
Das Instrument
an sich ist nicht neu und war auch schon vor Ausbruch der Euro-Krise im
Einsatz. So erhielt in Deutschland die Pleitebank Hypo Real Estate im
Jahr 2008 ELA-Kredite von bis zu 20 Milliarden Euro von der Bundesbank.
Diese Hilfen verschwanden aber binnen weniger Monate wieder - nun aber
machen diverse Notenbanken ELA zur Dauereinrichtung. Und erhalten damit
Banken am Leben, die längst abgewickelt gehören. Zombie-Banken, wie sie
inzwischen genannt werden.
Wie stark dieses
Instrument tatsächlich genutzt wird, darum macht das Euro-System der
Zentralbanken ein großes Geheimnis. Teilweise bekommt nicht einmal die
EU-Kommission konkrete Daten, wie es in Brüssel heißt. Aus versteckten
Hinweisen im Zahlenwerk der Währungshüter und Angaben aus
Zentralbankkreisen konnte die "Welt am Sonntag" jedoch einen Überblick
über das ELA-Volumen Ende März dieses Jahres zusammenstellen - neuere
Zahlen liegen nicht komplett vor. Die griechische Notenbank hatte damals
ELA-Mittel in Höhe von etwa 48 Milliarden Euro verliehen. Die irische
ELA war zu diesem Zeitpunkt ungefähr 43,5 Milliarden Euro schwer. Der
Notfall-Dispo wurde von spanischen Banken mit etwa 25 Milliarden Euro
genutzt und von zypriotischen mit rund vier Milliarden. Eine ELA der
portugiesischen Notenbank in Höhe von acht Milliarden Euro konnte Ende
Februar wieder aufgelöst werden.
ELA sei für die
Krisenstaaten eine Lizenz, praktisch unkontrolliert eigenes Geld zu
drucken, knurren nordeuropäische Notenbanker. Und die übrigen
Zentralbanken in Euroland müssen dieses Spiel sogar indirekt
finanzieren. Denn die ELA-Mittel, die die Notenbanken in der Peripherie
an ihre Banken ausgeben, leihen sie sich wiederum beim Euro-System
insgesamt. Damit werden die Kredite Teil der sogenannten
Target-Verbindlichkeiten gegenüber der EZB, über deren Risiken ohnehin
seit Monaten gestritten wird. Diese werden wiederum von den nationalen
Notenbanken jener Länder finanziert, in die ängstliche Anleger derzeit
ihre Milliarden tragen - allen voran von der Deutschen Bundesbank.
Der Anreiz für
die Notenbanken in Südeuropa, diese Überziehungskredite bei der EZB
nicht zu nutzen, ist denkbar gering. Denn die Target-Kredite müssen noch
nicht einmal verzinst werden. Umgekehrt zahlen die Banken für die
ELA-Mittel Strafzinsen, genaue Zahlen gibt es allerdings nicht. Für die
Notenbanken der Krisenländer ist ELA zunächst also ein gutes Geschäft:
Sie leihen sich das Geld zu null Prozent und verleihen es mit einem
Aufschlag weiter.
Im Gegenzug
muss die nationale Zentralbank freilich auch das Risiko für die
Notfallkredite tragen: Kann eine der Geschäftsbanken die ELA-Mittel
nicht zurückzahlen, wird der Verlust nicht wie bei normalen
EZB-Geschäften unmittelbar auf das ganze Euro-System verteilt, sondern
bleibt allein an der nationalen Notenbank hängen. Zwar gab es für alle
bisherigen ELA-Kredite eine Staatsgarantie des jeweiligen Heimatlandes.
Diese hilft aber im Fall der Fälle wenig: Schließlich ist das größte
Insolvenzrisiko für griechische Banken eine Pleite der Regierung in
Athen - in diesem Moment ist auch die Staatsgarantie wertlos.
Spätestens an
diesem Punkt träfe der ELA-Ausfall nicht mehr nur die griechische
Notenbank - sondern das gesamte Euro-System. Zwar verweist man in
EZB-Kreisen darauf, dass es keinerlei Pflicht für die übrigen
Eurosystem-Notenbanken gebe, die Verluste etwa der Bank von Griechenland
auszugleichen. Doch die hat sich das Geld, das sie an die Banken
weitergereicht hat, ja selbst von der EZB geliehen, in Form von
Target-Krediten - deren Rückzahlung dann in den Sternen stünde. Im Falle
eines Staatsbankrotts eines Landes müsse das gesamte Risiko der
ELA-Volumina durch die anderen Mitgliedsbanken des Euro-Systems getragen
werden, warnt Jürgen Michels, EZB-Experte bei Citigroup in London. "In
diesem Fall würde daraus ein Verlust für die Europäische Zentralbank
entstehen, der nach dem Kapitalschlüssel der EZB auf die nationalen
Zentralbanken aufgeteilt wird", sagt auch Volker Wieland, Professor für
monetäre Ökonomie an der Universität Frankfurt. Die Bundesbank hält als
größte Anteilseignerin 27 Prozent des EZB-Kapitals und müsste einen
entsprechenden Anteil der Verluste übernehmen.
Für die
Experten steht damit fest: Die offizielle Lesart, dass das Risiko der
ELA-Kredite eine rein nationale Angelegenheit sei, ist Augenwischerei.
Um diesen heimlichen Risikotransfer zu stoppen, müssten die Frankfurter
Währungshüter das Treiben begrenzen. Theoretisch gibt es diese
Möglichkeit auch. Allerdings brauchte es eine Zweidrittelmehrheit im Rat
der EZB, um eine nationale ELA zu stoppen. In diesem Gremium haben
jedoch alle Zentralbanken nur eine Stimme, und die Länder, die eine
großzügige Politik der Notenbank favorisieren, sind derzeit klar in der
Mehrheit. Dass etwa die Bundesbank die jüngsten Ausweitungen der
Notkredite in Griechenland dem Vernehmen nach äußerst skeptisch sieht
und zumindest auf klarere Regeln für den Umfang der Notkredite drängt,
ändert daher wenig. Ein Votum gegen ELA-Hilfen sei derzeit illusorisch,
sagen Notenbanker.
Und so dürften
die heimlichen Notenpressen weiter rotieren. Vor allem in Griechenland:
Das Geld, das ängstliche Sparer von ihren Bankkonten holen, wird derzeit
eins zu eins von der Zentralbank ersetzt - in Form von neuen
ELA-Krediten
wenn das so wäre, dann hätte GR nie Finanzhilfen gebraucht sondern hätte sich ganz normal weiter am Kapitalmarkt finanziert. Als Käufer wären die lokalen Banken aufgetreten, die sich wiederum bei der EZB refinanziert hätten oder eben bei der Bank of Greece. GR tut das ja auch, aber nur in sehr kleinem Rahmen von ein paar Mrd. € in kurzlaufenden Treasuries.
AntwortenLöschenGanz so einfach sind die ELAs nämlich nicht: sie bedürfen der Höhe nach einer Genehmigung des Zentralbankrats und Alleingänge einer nationalen Notenbank können mit 2/3-Mehrheit des EZB-Rats blockiert werden. Unendlich Euro erzeugen können die NZBs nur, wenn sie sich darüber hinwegsetzen und sobald das passiert ist die Eurozone am Ende.
@Johann
AntwortenLöschenDa Du Dich ja scheinbar gut auskennst: Hast Du schon was von der FMA gehört? Ich warte seit 1,5 Monaten auf eine Antwort. Von der Kontrollbank kams nach 2 Tagen, dass sie nicht zuständig sind und auf FMA verwiesen. Auf eine mail während des PSI bekam ich von der FMA auch umgehend Antwort, nur auf die Post nach dem PSI und Zwangstausch nicht.Lt. Webseite äussert sie sich nicht zu laufenden Verfahren, könnte also ein Hinweis auf Eröffnung eines Verfahrens sein. Ich denke, dass die EFSF Bonds das Problem ist. Wenn es im PSI rechtwidrig war, dann wohl doch auch über CAC Law 4050 immer nocht ein REchtsverstoß in Ö für Kleinanleger?!