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Montag, 1. Juni 2015

Treffen in Berlin Merkel und Hollande kämpfen gegen den Grexit Die Kanzlerin und der französische Präsident übernehmen die Verhandlungen mit Athen. Offenbar steht ein letzter Kompromissvorschlag kurz bevor, am Montagabend findet ein Krisentreffen in Berlin statt. Es könnte eine Nachtsitzung werden.


Treffen in BerlinMerkel und Hollande kämpfen gegen den Grexit

Die Kanzlerin und der französische Präsident übernehmen die Verhandlungen mit Athen. Offenbar steht ein letzter Kompromissvorschlag kurz bevor, am Montagabend findet ein Krisentreffen in Berlin statt. Es könnte eine Nachtsitzung werden.

© REUTERSVergrößernVorbild: Athena, die Göttin der Weisheit
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der französische Präsident François Hollande erklären den Streit der griechischen Gläubiger mit der Regierung in Athen offenbar endgültig zur Chefsache. Für sie ist das anscheinend unvermeidlich, weil die Gespräche der Gläubiger-Institutionen – daran sind neben der Kommission die Europäische Zentralbank (EZB) und der Internationale Währungsfonds (IWF) beteiligt – mit Athen in der sogenannten Brüsseler Gruppe unverändert komplett festgefahren sind. Merkel und Hollande wollen zusammen mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in der Nacht zum Dienstag in Berlin ausloten, ob sich doch noch ein Kompromiss zwischen den Euro-Staaten und der griechischen Regierung finden lässt, der ein Ausscheiden Griechenlands aus der Währungsunion vermeiden würde.
Die Gespräche in Berlin sollen erst in der Nacht beendet sein. Merkel und Hollande hatten am Vorabend beide abermals mit Tsipras telefoniert. Wie es in Regierungskreisen hieß, müsse nun auf höchster Ebene nach einem Kompromiss gesucht werden. Angesichts des immer größer werdenden Zeitdrucks sei eine schnelle Lösung des Konflikts mit Athen nötig, wenn verhindert werden solle, dass Griechenland zahlungsunfähig wird. Merkel und Hollande wollen das erklärtermaßen verhindern, ebenso wie Juncker. Dem Vernehmen nach dürfte der griechische Staat noch in der Lage sein, einen in dieser Woche fälligen Kredit von 300 Millionen an den IWF zurückzuzahlen. Danach dürften die Reserven aber aufgezehrt sein.
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Worin ein von den drei EU-Spitzenpolitikern vermittelter Kompromiss bestehen könnte, war am Montag offen. Es dürfte aber feststehen, dass von Athen unverändert Reformen auf all den Feldern verlangt werden, die in den bisherigen Gesprächen strittig sind. Dazu gehören der Arbeitsmarkt, der öffentliche Dienst, die Altersvorsorge und das Mehrwertsteuersystem. Die Reformen auf den letzten beiden Feldern müssen vor allem dazu beitragen, dass der griechische Staat zusätzliche Einnahmen generiert, sodass die bisherigen fiskalpolitischen Ziele nicht völlig aus dem Ruder laufen. Insofern müsste Tsipras seine bisherigen „roten Linien“ auf jeden Fall überschreiten. Inwieweit die EU-Vertreter auf diesen Feldern im Detail bereit sind, Athen entgegenzukommen, war am Montag unklar.

Kompromiss ist Voraussetzung für Auszahlung von Krediten

Ein Kompromiss zwischen Athen und den Gläubigern wäre auf jeden Fall die Voraussetzung dafür, dass die zuständigen Gremien der Eurogruppe und des IWF die aktuell noch verfügbaren Kredite von 7,2 Milliarden Euro freigäben. Das jetzige Hilfsprogramm der Euro-Staaten endet zum Monatsende. Die griechische Regierung fordert außerdem eine sogenannte „Brückenfinanzierung“ für den Fall, dass sie über den Sommer in weitere Zahlungsschwierigkeiten gerät. Insgesamt muss Athen zwischen Juni und August an verschiedene Gläubiger 11 Milliarden Kredite und Zinsen zurückzahlen. Wollten die Euro-Staaten Athen eine Brückenfinanzierung möglich machen, könnten sie eine Umwidmung jener 10,9 Milliarden Euro beschließen, die aus dem bisherigen Programm für eine Rekapitalisierung der Banken zweckgebunden vorgesehen sind. Dem Vernehmen nach brauchen die Banken zwar zusätzliches Kapital, aber nicht in vollem Umfang. Mit der Brückenfinanzierung würde beiden Seiten Zeit verschafft, um im Sommer über die Bedingungen eines neuen, dritten Hilfsprogramms zu verhandeln.
Ob ein Kompromiss zustande kommt, ist aus mehreren Gründen völlig offen. Zum einen müsste sich Athen erheblich bewegen; Tsipras müsste eine entsprechende Vereinbarung im griechischen Parlament gebilligt bekommen. Zum anderen müssten einige nationale Parlamente, darunter der Bundestag, einen solchen Kompromiss billigen.
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© REUTERS, DEUTSCHE WELLEVergrößernGeuro: Wie könnte eine griechische Parallelwährung funktionieren?
Tsipras selbst wiederholte in einem Gastbeitrag für die französische Zeitung „Le Monde“ seine Angriffe auf die europäischen Verhandlungspartner. Es liege nicht an einer angeblich unnachgiebigen Haltung Griechenlands, dass es bisher noch zu keiner Einigung gekommen sei, sondern daran, dass „institutionelle Spieler daran festhalten, absurde Vorlagen zu machen und totale Gleichgültigkeit gegenüber der jüngsten demokratischen Entscheidung Griechenlands zu zeigen“, schrieb Tsipras. Juncker sagte demgegenüber der „Süddeutschen Zeitung“, er habe Tsipras schon öfter darauf aufmerksam gesagt, dass es im Euroraum nicht nur eine, sondern neunzehn Demokratien gebe. Es müssten auch die „Befindlichkeiten der anderen Länder“ berücksichtigt werden.
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Bisher waren für Tsipras nicht die Konditionen des bisherigen Hilfsprogramms maßgeblich, sondern seine eigenen Wahlversprechen. Die zögerlichen Zugeständnisse der Regierung in der Brüsseler Gruppe bestehen im Wesentlichen darin, dass Athen nicht alle Reformzusagen ihrer Vorgängerin in der Arbeitsmarkt- und Rentenpolitik zurücknimmt, sondern einen Teil davon bestehen lässt. Weitere, bisher unerfüllte vertragliche Verpflichtungen Griechenlands, etwa zu Privatisierungen, leistungsbezogener Bezahlung im öffentlichen Dienst oder der Liberalisierung von freien Berufen und Märkten, fallen nun unter den Tisch. Klar ist, dass die ursprünglichen Athener Zusagen in der Haushaltspolitik längst unrealistisch geworden sind. Der früher vereinbarte Primärüberschuss – also der Haushaltssaldo ohne Zinszahlungen – von 3 Prozent der Wirtschaftsleistung in diesem Jahr lässt sich aufgrund der erheblich verschlechterten Wirtschaftslage nicht mehr einhalten.

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