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Dienstag, 11. Oktober 2016

Person der Woche Putin spielt Weltmacht und gewinnt Von Wolfram Weimer Russland provoziert einen Kalten Krieg herauf und sucht zugleich den Schulterschluss mit der Opec. Die Ölpreise steigen, die Angst des Westens auch. Putin wird auf der Weltbühne nicht sympathischer, aber immer erfolgreicher.

POLITIK

Person der WochePutin spielt Weltmacht und gewinnt

Von Wolfram Weimer
Russland provoziert einen Kalten Krieg herauf und sucht zugleich den Schulterschluss mit der Opec. Die Ölpreise steigen, die Angst des Westens auch. Putin wird auf der Weltbühne nicht sympathischer, aber immer erfolgreicher.
Die Zeit niedriger Öl- und Benzinpreise könnte bald vorbei sein. Russlands StaatspräsidentWladimir Putin schmiedet zielsicher an einem neuen globalen Preisdiktat. Eine Art "Neo-Opec" könnte das werden, jedenfalls steht ein Comeback der tot geglaubten Ölförderer-Allianz unmittelbar bevor. Auf einer Energiekonferenz in Istanbul verkündet Putin der Welt: "Russland ist bereit, sich an den Maßnahmen zu einer Deckelung der Produktion zu beteiligen und appelliert an andere Ölexporteure, dies ebenso zu tun."
Putin schmiedet in Istanbul eine Art "Neo-Opec".
Putin schmiedet in Istanbul eine Art "Neo-Opec".(Foto: dpa)
Die Nachricht zeigt Wirkung. An den internationalen Rohstoffmärkten springt der Ölpreis sofort um drei Prozent nach oben. Ein Fass (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostet plötzlich wieder mehr als 53 Dollar. "Nach dem Preiscrash der letzten beiden Jahre könnte dies die große Kurswende beim Öl sein", unken erste Analysten. Händler warnen bereits vom "Putin-Preis", der ab sofort zu zahlen sei.
In bester Opec-Kartell-Tradition will Putin die Fördermengen mit den anderen Ölstaaten absprechen, das Angebot verknappen und den Preis so nach oben treiben. Moskaus Geheimdiplomatie der letzten Wochen ist offenbar erfolgreich - denn nun ist auch der weltgrößte Produzent Saudi-Arabien wieder bereit, die Hähne etwas zudrehen.
Putin spielt sich sogar zum Verantwortungsführer der Opec-Staaten auf und verkündet, in der aktuellen Lage sei eine Drosselung der Fördermenge wohl "die einzig richtige Entscheidung, um die Stabilität des weltweiten Energiesektors zu sichern". Der niedrige Ölpreis habe zum Rückgang von Investitionen in der globalen Energiebranche geführt. Dies sei bedrohlich für die Weltwirtschaft und könne unvorhersehbare Preissprünge auslösen, so Putin.

Tiefe Löcher im Staatshaushalt

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In Wahrheit geht es ihm wie den anderen Ölförderstaaten vor allem um die Steigerung ihrer Erlöse. Von Angola bis Venezuela hat der Ölpreisverfall tiefe Löcher in die Staatskassen gerissen. Auch Russland ist stark auf Einnahmen aus Rohstoffverkäufen angewiesen und sehnt dringend steigende Preise herbei. Während des Opec-Treffens am 30. November in Wien wollen die Förderländer nun genau festlegen, wie die Märkte künftig manipuliert werden. Dabei hat Putin vor dem großen Deal noch einmal zugelangt: Russlands Ölproduktion ist im September um knapp vier Prozent auf 11,11 Millionen Fass pro Tag gestiegen und markiert damit den höchsten Stand seit dem Ende der Sowjetunion.
Für Putin ist die Aktion "Neo-Opec" ein wichtiger politischer Prestige-Erfolg auf der Weltbühne. Er strebt seit einiger Zeit wieder in die Rolle einer eingreifenden Weltmacht. Atomwaffen, Kuba, Vietnam, Raketen - im Laufe einer Woche hat er im Duktus alter Sowjetlenker weltpolitische Ketten rasseln lassen, die den Westen zielsicher zum Erschaudern bringen. Es tönt nachKaltem Krieg, und genau das soll es auch.
Am vergangenen Montag kündigte Putin das Abkommen über die Entsorgung von waffenfähigem Plutonium. Am Freitag ließ das Verteidigungsministerium verbreiten, Russland werde seine Militärbasen auf Kuba und in Vietnam reaktivieren, die seit dem Ende der Sowjetunion verlassen sind. Am Samstag bestätigte das Verteidigungsministerium, das Kurzstreckenraketen-System Iskander per Schiff in die russische Exklave Kaliningrad verlegt zu haben, die in Polen liegt. Nebenbei wird Syrien flächendeckend bombardiert und in der Ukraine werden die Militärbasen ausgebaut. Während Putin also querfeldein attackiert, erklären die USA allerorten, sich zurückzuziehen, und sei es von Friedensgesprächen über Syrien.
Obwohl Putin sich bei seinen militärischen und politischen Aggressionen viele Feinde macht, in der Ukraine und Syrien rücksichtslos vorgeht und sein Ansehen in den Hauptstädten des Westens stark leidet, kommt er machtpolitisch vielfach voran. Fünf Erfolge kann er mittlerweile für sich verbuchen:
Erstens hat die Weltöffentlichkeit die völkerrechtswidrige Annexion der Krim inzwischen stillschweigend akzeptiert. Die Sanktionen des Westens gegenüber Russland verfehlen ihre Wirkung, ernsthaften Widerstand der Nato oder der EU gibt es nicht mehr, stattdessen setzt sich unter Diplomaten allenthalben die Ansicht durch, dass man Russland die Krim für immer überlassen muss.
Zweitens hat Putin mit seinem Schattenkrieg obsiegt, die Ukraine zu teilen und die russische Einfluss-Sphäre deutlich westwärts auszudehnen. Die Chance, aus der Ukraine wieder einen souveränen, einheitlichen Staat zu formieren, werden Monat für Monat geringer. Auch hier setzt sich Putins Panzer- und Pause-Strategie letztlich durch. Wie ein Schutzgelderpresser setzt er zunächst auf Gewalt und verhandelt hinterher darüber, einen Teil der Beute gegen Frieden behalten zu dürfen. Im Westen wird mittlerweile häufiger über eine Lockerung der Sanktionen gesprochen als über die Wiederherstellung der Souveränität der Ukraine.
Drittens ist Putin durch sein militärisches Eingreifen in Syrien zielsicher in das Vakuum gestoßen, das die USA mit ihrer zaudernden und unausgegorenen Nahost-Strategie geschaffen haben. Russland ist plötzlich Ordnungsmacht im Nahen Osten - und gegen den Willen Russlands gibt es keine Friedensregelung mehr. Der Marinestützpunkt Tartus wird derzeit zur dauerhaften Basis Russlands ausgebaut - Moskau bekommt damit erstmals einen Stützpunkt der Atommacht an der Mittelmeerküste.
Viertens  schafft Putin mit neuen Macht-Allianzen weite strategische Gestaltungsräume für Moskau. Einmal sucht er den Schulterschluss zu Peking, dann öffnet er die Tür zu Teheran, jetzt schmiedet er mit Ankara ein neues Bündnis. Das bringt ihm zum einen milliardenschweren Wirtschaftsprojekte (etwa "Turkish Stream" sowie das Atomkraftwerk Akkuyu, das Russland in der Türkei errichtet), zum anderen schafft Putin lauter anti-westliche Machtstrukturen. Mit Erdogan teilt er sich dabei sogar Syrien gerade neu auf, während die Amerikaner immer weiter an Einfluss verlieren. Putin gewährt Erdogan im Kampf gegen die Kurden freie Hand, dafür lässt Erdogan die Russen Aleppo niederbomben.


Fünftens wird Moskau mit alledem wieder globaler Akteur. In Washington hatten einige gehofft, dass Putin nach dem Ölpreiscrash schwere innenpolitische Probleme bekommen würde und außenpolitisch keine Ressourcen mehr habe, um teure Kriege wie in der Ukraine oder in Syrien weiter zu verfolgen. Tatsächlich ist das Gegenteil eingetreten. Putin trumpft dieser Tage auf wie nie. Sein symbolpolitisches Gefuchtel mit Militärbasen auf Kuba, in Vietnam und Kaliningrad unterstreicht sein neues Selbstbewusstsein. Er spielt ganz bewusst mit den Ängsten und Ressentiments des Kalten Krieges, denn damit wächst das Image Russlands als gefühlte Weltmacht. Dass er mehr gefürchtet als geachtet wird, scheint ihm gleich zu sein. Er scheint zu spüren, dass sein Bild als eiserner Macher in vielen verunsicherten Gesellschaften des Westens und seinen Rechtsruck-Strömungen sogar Anklang findet.
Sollte ihm nun noch die Neo-Opec gelingen, dann wird es mit Putin in kommender Zeit denkbar ungemütlich. "Der gefräßige Bär wird seinen Hunger stillen wollen", sorgen sich die Militäranalysten des Pentagons bereits. Das Problem ist aber auch, dass der US-Adler dem derzeit wenig entgegenzusetzen hat und impeinlichsten Präsidentschaftswahlkampf aller Zeiten zu versinken droht.
Quelle: n-tv.de

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