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Dienstag, 22. Mai 2012

Schuldenkrise Chaotischer „Grexit“ befürchtet

Schuldenkrise Chaotischer „Grexit“ befürchtet

21.05.2012 ·  Die Analysten zahlreicher Banken fordern, die „Brandschutzmauer“ des europäischen Stabilisierungsfonds vor einem Griechenland-Austritt massiv zu erhöhen. Sogar die Einführung einer griechischen Parallelwährung zum Euro, dem „Geuro“, ist im Gespräch.
Von Bettina Schulz, London
© REUTERS Grexit: Experten grübel wie der „Austritt“ Athens aus der Währungsunion am besten bewerkstelligt werden könnte
Je mehr in der Politik über einen etwaigen „Austritt“ Athens aus der Währungsunion gesprochen wird, desto mehr grübeln Analysten in der Londoner City, wie der „Grexit“ bewerkstelligt werden könnte. Unabhängig von schwierigen finanztechnischen Fragen eines Griechenland-Austritts drängen die Analysten zahlreicher Banken darauf, dass die „Brandschutzmauer“ des Stabilisierungsfonds EFSF/ESM von derzeit etwa 500 Milliarden Euro vor einem „Grexit“ massiv erhöht werden müsse. Allein, um Spanien, Italien und Belgien sicherheitshalber für 3 Jahre vom Kapitalmarkt nehmen zu können und die Hilfsprogramme für Portugal und Irland um drei Jahre verlängern zu können, müsse der Rahmen des ESM auf 1000 Milliarden Euro verdoppelt werden, warnt die Deutsche Bank.
Um die Gefahr der Kapitalflucht aus Spanien und Italien einzudämmen und die dortigen Banken mit Liquidität versorgen und die Kreditvergabe an die Wirtschaft aufrecht erhalten zu können, müsse die Europäische Zentralbank (EZB) ein erneutes Liquiditätsprogramm auflegen. Die EZB müsse ihre Besicherungsanforderungen weiter lockern und akzeptieren, dass die Target 2-Salden vorläufig in die Höhe schießen. Dies würde wohl auch die Bundesbank als zeitweilige Konsequenz akzeptieren, heißt es bei der Deutschen Bank.

Größeres Engagement der EZB gefordert

Diese von Londoner Analysten formulierten Vorschläge fordern ein viel größeres Engagement der EZB als bisher von dem scheidenden Chefvolkswirt Thomas Mayer für richtig erachtet. Mayer hält die Einführung einer griechischen Parallelwährung zum Euro für möglich. Der „Geuro“, so Mayers Wortschöpfung, würde dem inländischen Zahlungsverkehr und der Bezahlung lebensnotwendiger Einfuhren dienen und höchstens halb so viel wert wie der Euro sein.
Die Deutsche Bank pocht zudem darauf, dass bei einem „Grexit“ auch das Kapital der Europäischen Investitionsbank aufgestockt werden müsse und wohl das Programm gemeinsamer Eurobonds forciert werde. Auch solle dem Rettungsmechanismus EFSF/ESM erlaubt werden, Banken direkt zu finanzieren. Es müsse h eine Banklizenz für den Rettungsfonds erwogen werden. Auch sei ein europaweites, föderales Einlagensicherungssystem notwendig. JP Morgan meint, die EZB müsse den ESM durch den Kauf von ESM-Anleihen finanzieren, damit dieser Italien und Spanien stützen könne.

„Grexit“ laut Bankern zu 50 Prozent wahrscheinlich

Nach dem jüngsten Wahldebakel schätzen viele Banken in der Londoner City die Wahrscheinlichkeit, dass Griechenland den Euro verlassen könnte, mit 50 Prozent ein. Dabei werden unterschiedliche Szenarien durchgespielt, je nachdem, ob Griechenland oder den Kernländern der Währungsunion der Geduldsfaden reißt. Alle sind sich jedoch einig, dass in dieser Situation die EZB den Schlüssel in der Hand hält, auch wenn es eigentlich ein fiskalpolitisches Problem ist. Letztlich geht es der Londoner City darum, auszuloten, wie ein chaotischer und wie ein geordneter „Grexit“ aussehen könnte. Dabei wäre die chaotische Variante, dass ohne vorherige Rettungsmaßnahmen Hilfszahlungen an Griechenland eingestellt werden oder die Kapitalflucht plötzlich eskaliert, die griechischen Banken sich nur noch über die Notkredite (ELA) der griechischen Notenbank refinanzieren könnten, dies wegen der Kapitalflucht die Target 2-Salden weiter aufblähte und die EZB deshalb Griechenland von jeglichem Kredit und vom Zugang zum Zahlungsverkehrssystem abschneiden würde.

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