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Montag, 18. November 2013

Einen wahren Datenschatz dazu haben die Analysten der Credit Suisse in Zusammenarbeit mit der London Business School angelegt. Sie haben die jährliche Entwicklung aller großen Anlageklassen in den 19 wichtigsten Ländern der Welt bis ins Jahr 1900 zurück berechnet

Geldanlage: So schützen Sparer ihr Vermögen vor Deflation

Von Christian Kirchner
Wie lege ich mein Geld am besten an, wenn die Preise sinken? Die überraschende Antwort: Ausgerechnet die vermeintlich inflationssicheren Anlageformen Aktien und Gold funktionieren in einem Deflations-Umfeld viel besser.
Gut drei Jahre lang haben Makler, Finanzdienstleister und Edelmetallfans landauf, landab Sorgen vor einer Inflation gestreut, vor der man sich, je nach Gilde und Provisionsanreiz des Mahners, mit einer Eigentumswohnung, Aktien oder Goldbarren schützen solle.
Doch von einer ausufernden Inflation ist weit und breit nichts zu sehen. Stattdessen rutscht nun ein europäisches Land nach dem anderen in eine Deflation. Insgesamt lag die Teuerungsrate im Euro-Raum zuletzt bei gerade einmal 0,7 Prozent - was die Europäische Zentralbank zu einer überraschenden Leitzinssenkung veranlasst hat.Nun kann man zwei Experten befragen, ob Sorgen vor einer Deflation berechtigt sind, und wird drei Meinungen hören - wie zuvor auch in der Inflationsdebatte. Es schadet indes nicht, sich als Anleger ein Bild davon zu machen, wie denn unterschiedliche Anlageklassen in der Vergangenheit im Umfeld sinkender Preise abgeschnitten haben. Allein schon, um für die vermutlich bald anrollende Vertriebskampagne der Finanzdienstleister zum Thema "Anlegen in einer Deflation" gerüstet zu sein.
Taucht man in die Empirie zu diesem Thema ein, fühlt man sich rasch an die Erkenntnis erinnert, nach der Minus mal Minus Plus ergibt und manchmal ein falscher Fehler eben auch richtig sein kann. Denn paradoxerweise schneiden im Umfeld einer Deflation vor allem jene Anlagen häufig gut ab, von denen man sich eigentlich Schutz vor einer Inflation verspricht, also vor steigenden statt sinkenden Preisen.
Einen wahren Datenschatz dazu haben die Analysten der Credit Suisse in Zusammenarbeit mit der London Business School angelegt. Sie haben die jährliche Entwicklung aller großen Anlageklassen in den 19 wichtigsten Ländern der Welt bis ins Jahr 1900 zurück berechnet. Ihre erste Erkenntnis:
  • Deflation ist kein seltenes Phänomen: In einem Viertel der insgesamt zur Verfügung stehenden 2128 (112 Jahre mal 19 Länder) Betrachtungsfälle betrug die Teuerung weniger als ein Prozent, in zehn Prozent der Fälle war sie sogar negativ.
  • Die zweite Erkenntnis widerspricht eigentlich jeder Intuition: Sortiert man alle zur Verfügung stehenden Betrachtungsjahre weltweit von jenen mit der höchsten Inflation bis zu jenen mit der höchsten Deflation und betrachtet, welche Realrenditen Aktien, Anleihen und Gold Chart zeigen in den jeweiligen Umfeldern gebracht haben, zeigt sich folgendes Bild: In Zeiten extremer Inflation - definiert als die fünf Prozent der Fälle mit der höchsten Teuerungsrate über alle Jahre und Länder hinweg - verloren Anleihen real im Schnitt 23 Prozent pro Jahr. Aber auch Aktien (die ja vermeintlich besonders guten Schutz vor Inflation bieten) gaben im Schnitt zwölf Prozent nach.
  • In Zeiten extremer Deflation - definiert als die fünf Prozent der Fälle mit der niedrigsten Teuerungsrate - betrug der Realertrag mit Anleihen im Schnitt 20 Prozent pro Jahr. Das ist noch verständlich, schließlich wird das Geld in einer Deflation immer wertvoller. Anleihen mit hohen Zinskupons sind entsprechend begehrt und steigen im Kurs. Allerdings brachten auch Aktien in einem extrem deflationären Umfeld eine reale Rendite von im Schnitt 11 Prozent pro Jahr ein.
Intuition ist ein schlechter Ratgeber
Nicht nur bei den Extremfällen extremer Deflation und extremer Inflation ist das Bild stimmig, sondern über den gesamten Datensatz hinweg: Auch in einer moderaten Deflation liefern Aktien wie Anleihen im Schnitt attraktive Erträge, die aber allmählich sinken und ins Negative kippen, je höher die Teuerung ausfällt.
Die Daten der Credit Suisse zeigen, dass die Intuition ein schlechter Ratgeber ist, wenn es um die realen Renditen von Anlagen geht. Denn wer auf Aktien aus Sorge vor einer ausufernden Inflation setzt, weil er glaubt, mit Sachwerten sein Vermögen zu schützen, sollte besser hoffen, dass er mit seiner Inflationsprognose vollkommen daneben liegt und sich die Teuerung auf dem aktuell niedrigen Niveau einpendelt: Die Chancen auf weitere attraktive Renditen sind dann ungleich höher.
Nun muss man mit Kausalitäten sehr vorsichtig sein. Die Kursentwicklungen von Aktien und Gold werden von vielen Faktoren jenseits der Inflationsrate mitbestimmt. Dass indes Aktien und Gold im Umfeld sehr niedriger oder gar negativer Kapitalmarktzinsen historisch gut abschneiden, hat einfache Gründe: Bei einem sehr niedrigen Zinsniveau steigt relativ die Attraktivität von Dividendenausschüttungen - das spricht für Aktien.
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Die Tücken der Intuition illustriert auch wunderbar das Verhalten des (aufgrund der langjährigen Preisbindung mit etwas Vorsicht zu genießenden)Goldpreises: In Zeiten extremer Inflation bot Gold seinen Haltern lediglich eine "rote Null", während Halter die höchsten Realerträge mit Gold - rund 12 Prozent pro Jahr - im Zeiten extremer Deflation erzielten. Auch hier gilt: Viele Edelmetallfans erwarten eine hohe Inflation. Ertragreicher ist - zumindest auf empirischer Basis - aber ein Umfeld der Deflation.Eigentlich logisch, denn Gold zu besitzen ist um so schmerzhafter, je höher dieZinsen sind, da Gold eben nun mal keine Zinsen zahlt. Niedrige Zinsen aber finden sich nun einmal am ehesten in einem deflationären Umfeld, nicht in einem inflationären. Das erklärt auch, warum Gold seine beste Zeit in der jüngeren Vergangenheit hatte, als die Realzinsen nahe Null oder gar negativ waren - und warum Gold fällt, seit die Realzinsen wieder bei über einem Prozent im Dollarraum liegen.
Mindestmaß an Diversifizierung ist wichtig
Unter dem Strich illustrieren die Zahlen nicht nur, auf welch dünnem Eis sich Finanzdienstleister bewegen, wenn sie zu Aktien als Inflationsschutz raten und ohne Unterlass bald steigende Zinsen prognostizieren. Sie sind auch ein Beleg dafür, wie wichtig ein Mindestmaß an Diversifizierung ist: Selbst stark auf jederzeit verfügbares Sparguthaben fixierte Anleger sollten darüber nachdenken, sich mit einer kleinen Beimischung von Aktien und Gold für eine mögliche Phase dauerhaft stagnierender oder gar fallender Preise zu rüsten

 http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/geldanlage-angst-vor-inflation-hilft-vor-allem-bei-deflation-a-933515.html

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