Experten streiten über Griechenlands Umschuldung von Staatsschulden
Unter Finanzexperten ist ein Streit über die Umschuldung von Staatsschulden wie die von Griechenland entbrannt. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte bereits im April einen Vorschlag gemacht, erst überbordende Schulden zu restrukturieren, bevor Rettungspakete geschnürt werden. Damit würden Privatgläubigern zusätzliche Lasten aufgebürdet. Namhafte Experten widersprachen der Organisation jetzt: Die Idee gehe einige Schritte zu weit.
Zu den Fachleuten zählen der Jurist Lee Buchheit, Hochschullehrer Mitu Gulati und die frühere stellvertretende IWF-Direktorin Anne Krueger. Sie plädieren für einen milderen Umgang mit privaten Gläubigern. Am besten würden die Laufzeiten der Schulden um drei bis fünf Jahre gestreckt. Damit könnte sich das betroffene Land, das ein Rettungspaket erhält, Zeit kaufen.
Staatsschulden haben gebeutelte Länder und Banken in der Eurozone seit Beginn der Krise zu Schicksalsgenossen gemacht. Die griechische Umschuldung war der größte jemals für einen souveränen Staat vorgenommene Einschnitt dieser Art. Sie musste um zwei Jahre bis zum Frühjahr 2012 aufgeschoben werden, da die Banken der Eurozone die Milliardenverluste nicht früher hätten schultern können. Der IWF räumte das im darauffolgenden Juni, nachdem die Griechen das erste Mal herausgepaukt wurden, auch freimütig ein.
Während der Zeitverzögerung wurde das vom IWF und der Eurozone finanzierte Rettungspaket so ausgestaltet, dass Privatgläubiger ungeschoren davonkamen. Im Rückblick sei das ein schlechter Weg gewesen, Steuergelder einzusetzen, schrieb der IWF später.
IWF will seinen Vorschlag weiter überarbeiten
Der IWF will seinen Vorschlag vom April weiter überarbeiten. Ein endgültiger Plan soll ohnehin nicht vor Juni 2014 vorliegen. Ein Blick auf die Geschichte des IWF zeigt: Immer hat es Auseinandersetzungen zwischen Experten gegeben: Die einen wollten den angeschlagenen Staaten sofort Schulden erlassen, und die anderen, die eine Restrukturierung auf jeden Fall verhindern wollen.
Der IWF wie auch die Fachleute, die diese Woche ihr Argumentationspapier veröffentlichten, werben zwar beide für einen klaren Handlungsrahmen im Umgang mit überschuldeten Staaten. Eine Panik an den Finanzmärkten müsse unter allen Umständen verhindert werden. Aber die Experten um die Ex-IWF-Direktorin Krueger kritisieren den präventiven Ansatz des Währungsfonds für ein Rettungspaket. Der gebeutelte Staat könne zu einer unnötigen Umschuldung gezwungen werden.
Der Aufschub von Tilgungen verringere zwar nicht die Höhe des gesamten Schuldenbergs, aber er verbessere die Rückzahlungschancen nachhaltig. Der Vorteil: Weniger Steuereinnahmen müssten für Zinsen aufgebracht werden. In der Tat müssten Anleihebesitzer auch in einem solchen Fall leiden. Selbst die kleinste Veränderung an einem Anleihevertrag beinhalte einen gewissen Verlust für die Gläubiger. Diese Kosten seien aber überschaubar und die Rückkehr des Landes an die internationalen Bondmärkte könne schnell erfolgen, so die IWF-Kritiker. Nach seinem Schuldenaufschub im Jahr 2003 wurde Uruguay nur für 31 Tage von den Finanzmärkten verbannt.
Zahlungsaufschub räumt dem IWF Zeit ein
Ein Zahlungsaufschub räume dem IWF und der betroffenen Regierung auch Zeit ein, um festzustellen, ob eine Liquiditäts- oder Solvenzkrise vorliege. So ließe sich besser über einen möglichen tieferen Schuldenschnitt entscheiden.
Momentan berappeln sich die Euroländer von der schweren Krise; ein neuerlicher finanzieller Kollaps scheint nicht bevorzustehen. Aber Bedenken des IWF und anderer über die hohen Schuldenstände dürften bestehen bleiben. "Die Debatte um die Umschuldungen ist ein direktes Ergebnis der Vorgänge in der Eurozone und besonders der Ereignisse in Griechenland", meint Professor Gulati von der Duke-Universität. "Der IWF musste einen Teil des griechischen Rettungspakets stemmen, obwohl es ziemlich klar schien, dass die Schuldenlast langfristig nicht tragbar war. Jetzt hat er entschieden, dass eine entsprechende Wiederholung nicht in seinem Interesse liegt."
Gulati hält IWF-Papier für politisch motiviert
Gulati hält das IWF-Papier vom April für überwiegend politisch motiviert. "Er sagt den Europäern klipp und klar: Der IWF soll künftig nicht mehr so einfach ein Paket finanzieren, um private Gläubiger herauszupauken."
Die Spitzenpolitiker der Eurozone-Länder wehren sich zugleich gegen diesen Standpunkt des IWF. Insgesamt sei die griechische Restrukturierung "einmalig und außergewöhnlich" gewesen.
Trotz immer wieder aufflammender Staatschuldenkrisen und gelegentlicher Bemühungen, sich auf eine offizielle Standardreaktion zu einigen, scheint die Eurozone weiter auf Ad-hoc-Taktiken zu setzen. Der Widerstand der Eurozonen-Regierungen dürfte das strukturierte Verfahren, das der IWF in seinem Vorschlag vom April skizzierte, zunichte machen. Ein bindender rechtlicher Handlungsrahmen dürfte daraus nicht entstehen.
Das bedeute aber keineswegs, dass die Eurozone künftig Staatsschuldenkrisen vermeiden könne, warnt Gulati. In mehreren Ländern müssten die Eurostaaten Entscheidungen treffen, irgendwie die Schulden zu verringern und auch Privatgläubiger zur Kasse zu bitten.
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