Rückkehr an den Kapitalmarkt
Umstrittene griechische Reformfortschritte
Anleihen
Eine Rückkehr Griechenlands an die Kapitalmärkte hätte hohe Signalwirkung. Umstritten sind allerdings die vom Land bisher erzielten Reformerfolge.
Andreas Uhlig
Die über Griechenland an den Finanzmärkten kursierenden Nachrichten sind widersprüchlich. Einerseits heisst es, das Land wolle bereits nächstes Jahr an den Kapitalmarkt und damit zu privaten Geldgebern zurückkehren. Zudem wird erwartet, dass die staatlichen europäischen Gläubiger und der Internationale Währungsfonds (IMF) im kommenden Jahr einer neuen Runde von Krediterleichterungen zustimmen werden; diese Gläubiger halten 84% der griechischen Staatsschulden. Hintergrund ist das Lob, Griechenland habe eine beispiellose Korrektur der Ungleichgewichte in Finanzpolitik und Aussenhandel erreicht.
Verschleppte Reformen
Wie die griechische Zeitung «Ekathimerini» am Wochenende schreibt, ist Griechenland in den Augen der Weltbank und der OECD sogar Weltmeister in strukturellen Reformen.
Anderseits sind heftige Klagen zu hören, Griechenland erfülle sein Anpassungsprogramm nur ungenügend. Laut IMF hat es bisher nur 60 der 135 für einen erfolgreichen Abschluss der Bewertung durch die Troika nötigen Verpflichtungen erfüllt – und der Fortschritt werde von Monat zu Monat immer schleppender. Zudem wird kritisiert, die Regierung nehme früher gemachte Zusagen wieder zurück, fälle Entscheide ohne Rücksprache mit der Troika und wolle neuen Forderungen der Troika widersprechen. Diese Entwicklung erschwere Verhandlungen über neue Schuldenerleichterungen und verhindere die für andere Schuldner als Signal dienende Rückkehr an die Märkte.
Die erreichten Korrekturen der Ungleichgewichte sind teuer erkauft worden. Laut dem griechischen Handelsverband Esee sind allein im Handelssektor über 20% der Arbeitsplätze verloren gegangen, und dreimal so viele Unternehmen hätten schliessen müssen, wie neue gegründet worden seien. Intensiv ist die Kritik des auch von Marktkommentatoren beachteten Athener Professors, Yanis Varoufakis.
Zu behaupten, Griechenland sei auf dem Weg der Erholung, sei eine Missachtung der Wahrheit. Die Investitionen seien um 18% vom bedrückend niedrigen Niveau von 2011/12 gefallen, Kredite an Unternehmen seien um weitere 20% gesunken. Den angeblich bevorstehenden Primärüberschuss im Staatshaushalt sieht er nicht, denn das Defizit von Januar bis Oktober habe 6 Mrd. € betragen. Nur ein radikaler Kurswechsel könne Griechenland auf die Beine helfen, meint Varoufakis. Notwendig sei nicht eine Rückkehr an die Finanzmärkte, um neue Kredite aufzunehmen, sondern ein Abbau der bestehenden Schulden. Die «Bail-outs» von 2010 und 2012 hätten mit der resultierenden Schrumpfung des Bruttosozialprodukts und Erhöhung der Verschuldung alle Chancen für strukturelle Reformen und wirtschaftliche Erholung zerstört. Statt einer Erleichterung des Schuldendienstes sollte eine formelle Restrukturierung der von öffentlichen Gläubigern gehaltenen Schulden durchgeführt werden.
Problematische Asymmetrien
Ein Problem bei der Bewältigung der Euro-Krise ist ihre Asymmetrie. Wie Willem Verhagen von der ING Investment Management feststellt, ist die Peripherie in eine massive fiskalische Schrumpfung gezwungen worden, ohne dass die Kernländer eine ausgleichende Expansion vorgenommen hätten. Auch sei das Ziel einer Euro-Inflation von nahe 2% nur zu erreichen, wenn die Deflation in der Peripherie durch deutlich höhere Inflation in den Kernländern ausgeglichen werde. Asymmetrisch ist in der Sicht einiger Kommentatoren auch der Abbau von Aussenhandelsdefiziten, während die Reduktion von Überschüssen als tabu gilt.
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