Bank für Internationalen ZahlungsausgleichDie diskrete Superbank
21.12.2013 · In Basel sitzt die mächtigste unbekannte Bank der Welt. Hier wird beschlossen, wonach sich jede Bank richten muss. Hier sprechen Notenbank-Präsidenten über die Dummheit von Finanzministern, aber auch über Dinge, die die Finanzmärkte der Welt bewegen.
Von LISA NIENHAUS
Wer daran zweifelt, dass eine unbekannte Bank in Basel zu den mächtigsten Institutionen der Welt gehört, der sollte sich mit Jean-Claude Trichet unterhalten. Von 2003 bis 2011 war Trichet Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), acht Jahre lang, inklusive Finanzkrise. Wenn man ihn fragt, wozu diese Bank in Basel namens Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) eigentlich gut ist, dann wird er pathetisch. „Die regelmäßigen Treffen in der BIZ haben den Grund bereitet für die schnellen Entscheidungen, die wir nach der Lehman-Pleite getroffen haben“, sagt er. „Ohne das Global Economy Meeting in Basel, dem ich vorstehen durfte, wäre unsere Reaktion auf die Finanzkrise viel unkoordinierter und chaotischer gewesen.“
Mit „uns“ meint Trichet einige der mächtigsten Männer der Welt: die Präsidenten der wichtigen Zentralbanken. Ihnen gehört die BIZ, hier treffen sie sich. Alle zwei Monate fliegen 17 Männer sonntags in Zürich ein. Sie lassen sich am Flughafen mit dunklen Limousinen abholen und fahren zur BIZ, deren spektakulär hässlicher Turm gleich neben dem Basler Hauptbahnhof steht. Unter ihnen sind heutzutage Mario Draghi von der Europäischen Zentralbank und Jens Weidmann von der Bundesbank ebenso wie Ben Bernanke oder künftig Janet Yellen von der amerikanischen Federal Reserve. Dazu kommen die Präsidenten der Notenbanken weiterer Industrienationen plus die von Brasilien und Indien und der BIZ-Chef. Sie bereiten am Sonntagabend das vor, was am nächsten Morgen stattfindet: das Global Economy Meeting, ein Treffen der 31 wichtigsten Notenbanker der Welt. Das ist die Zusammenkunft, die Trichet so lobt.
Wichtiger ist aber der Vorabend. Nach den Vorbereitungen gibt es ein Abendessen mit bestem Wein und exquisiter Küche. Alles, was hier gesagt wird, ist strikt geheim zu halten. Hier sprechen Notenbank-Präsidenten über Wein und die Dummheit von Finanzministern, aber auch über Dinge, die die Finanzmärkte der Welt bewegen. Welche unkonventionellen Maßnahmen verwendet ihr in dieser Krise? Was spricht dagegen? Was dafür? Wo baut sich vielleicht gerade die nächste Krise auf?
In Basel werden die Regeln für die Banken der Welt gemacht
Wenn es einen Ort gibt, an dem Notenbanker sich halbwegs ehrlich über die Risiken ihrer Geldpolitik austauschen können, dann liegt er in Basel. „Kein Notenbanker würde davon träumen, ein Treffen in der BIZ zu verpassen“, sagt William White, einst Chef-Ökonom der BIZ und davor als Vize der kanadischen Notenbank oft bei den Treffen als Kofferträger dabei. Es ist wichtig dabei zu sein - und nett ist es außerdem. Der einstige Fed-Chef Paul Volcker sagt in dem jüngst erschienenen Buch „Tower of Basel“: „Die Zentralbanker fühlen sich wohler und entspannter mit ihren Kollegen aus anderen Zentralbanken als mit ihren eigenen Regierungen.“
Doch es sind nicht nur diese Treffen, die die BIZ zu einem Ort machen, an dem Wesentliches geschieht. In Basel werden auch die Regeln für die Banken der Welt gemacht - dafür reisen Vertreter der Aufsichtsbehörden aus aller Welt an. Die mächtige neue Banken-Regulierung trägt den Namen Basel III, schließlich ist sie in Basel entstanden. Zudem ist die BIZ Gastgeberin für das nach der Finanzkrise sehr mächtig gewordene Financial Stability Board. Es untersucht, welche Gefahren dem Finanzsystem der Welt drohen. Es entwickelt Vorschläge, um Derivate zu regulieren oder das Problem zu lösen, dass Banken zu groß sind, um pleitezugehen. Und nicht zuletzt hat die BIZ eine große Forschungsabteilung.
Jahrelang galten die BIZ-Ökonomen als etwas speziell, waren sie doch sehr nahe an der als etwas angestaubt geltenden österreichischen Schule der Ökonomie. Dann wurden sie berühmt. Denn ihr einstiger Leiter William White hat als einer der wenigen auf der Welt die Finanzkrise einigermaßen korrekt vorhergesehen und auch laut vor ihr gewarnt. Dummerweise hörten die Zentralbanker nicht auf ihn, die Öffentlichkeit sowieso nicht.
Die BIZ ist unpolitisch, obwohl ihre Mitglieder Politik machen
Das liegt vielleicht daran, dass die BIZ sich für gewöhnlich lieber zurückhält. Besonders ausgeprägt gilt das für die Treffen der wichtigen Notenbanker. Die Öffentlichkeit erfährt von den dort besprochenen Inhalten beinahe nichts, nicht einmal Anwesenheitslisten werden regelmäßig veröffentlicht. Trichet trat einst immer erst am Montag danach vor die Presse und erklärte, worüber an ebendiesem Montag gesprochen wurde. Der Inhalt der Statements war dünn. Die Gespräche vom Abendessen am Sonntag waren dabei sowieso tabu.
Die BIZ ist in dieser Hinsicht eine Institution, die aus der Zeit gefallen scheint. Das Geheimniskrämerische ist einerseits ihr Erfolgsrezept. Die Zentralbanker lieben es, deshalb verteidigen sie die Existenz der BIZ auch so vehement. Es macht die BIZ aber andererseits zu einer kaum kontrollierten, ziemlich undurchschaubaren Institution, zutiefst unpolitisch, obwohl ihre Mitglieder doch Politik machen - Geldpolitik - und obwohl das in der Krise sogar wichtiger erschien als vieles, was Regierungschefs tun. Während die aber, wenn sie sich treffen, Abschlussdokumente präsentieren und Pressekonferenzen veranstalten, sagen die Notenbanker: fast nichts. Dazu kommt, dass die BIZ in der Schweiz auch noch außerhalb des Gesetzes steht. Kein Polizist, kein Staatsanwalt darf hier durchgreifen; für Ordnung sorgt der Sicherheitsdienst, die Offiziellen der Bank sind lebenslang immun vor dem Gesetz.
Die Geschichte der Bank ist voller Schatten und Seltsamkeiten
Wer die Geschichte der Bank kennt, den muss das sehr verwundern. Denn sie ist voller Schatten und Seltsamkeiten. Gegründet wurde die BIZ 1930 in einem einstigen Hotel neben dem Basler Hauptbahnhof. Die Idee war, die Reparationszahlungen der Deutschen über eine unabhängige Bank abzuwickeln, damit sie nicht weiterhin direkt an andere Regierungen zahlen mussten. Daher der Name: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich. Es gab sieben Gründungsnationen, deren Zentralbanken oder Banken Anteile an der BIZ hielten, darunter Deutschland, Amerika, Großbritannien. Sehr schnell aber schwand der ursprüngliche Sinn, denn die Reparationszahlungen wurden 1931 ausgesetzt, 1932 gestrichen.
Schon damals hätte man die BIZ eigentlich schließen können. Stattdessen suchte sie sich neue Aufgaben, wurde zum Treffpunkt für Zentralbanker und zum Dienstleister, der etwa Goldgeschäfte für die Notenbanken abwickelte.
Schon bald geriet die Bank unter den Einfluss der Nationalsozialisten in Deutschland. Hjalmar Schacht, ab 1933 Reichsbankpräsident, kurz darauf auch Hitlers Wirtschaftsminister, war einer der wichtigsten Männer in den Anfangszeiten der BIZ. Während des Zweiten Weltkriegs war die Bank durchgehend aktiv, auch wenn die Direktoren sich nicht mehr in Basel trafen, sondern schriftlich korrespondierten. Die BIZ ließ sich von den Deutschen vereinnahmen. Sie tätigte für die Reichsbank Goldgeschäfte, zum Teil mit Raubgold. Im Jahr 1939 sorgte sie zudem dafür, dass ein Großteil der Goldreserven, die die tschechoslowakische Nationalbank auf einem Konto der BIZ in London hinterlegt hatte, an die Deutschen ging, die in das Land einmarschiert waren. Das ging allerdings nur, weil auch die britische Notenbank das durchgehen ließ.
Nach 1945 wurden Hjalmar Schacht und weitere drei Bankdirektoren wegen Kriegsverbrechen angeklagt. Die BIZ sollte nach Willen der Amerikaner aufgelöst werden. Dagegen stellte sich ausgerechnet der britische Starökonom John Maynard Keynes. So blieb die BIZ - so, wie es sich die Notenbankchefs wünschten.
Zentrum der Euro-Freunde
Ihren nächsten großen Auftritt in der Geschichte hatte die BIZ erst wieder, als sie zum Zentrum wurde für die glühenden Befürworter einer einheitlichen europäischen Währung. Die BIZ hat den Euro nicht erfunden, aber sie war Gastgeberin vieler Vorgänger-Einrichtungen der Europäischen Zentralbank. Hier trafen sich die Notenbanker der Europäischen Union regelmäßig, hatten ein eigenes Büro, später kamen weitere Aufgaben hinzu. Als es ernst wurde mit dem Euro und in Frankfurt das Europäische Währungsinstitut gegründet wurde, wechselte der einstige BIZ-Chef Alexandre Lamfalussy nach Frankfurt. 1994 wurde er der erste Präsident des Europäischen Währungsinstituts, des Vorläufers der EZB. Der derzeitige EZB-Präsident Mario Draghi residiert heute noch im gleichen Büro wie einst Lamfalussy, im 35. Stock des Eurotowers in Frankfurt.
William White, der spätere Chefökonom, kam zur BIZ, als die Europäer gerade gen Frankfurt gingen. Wieder fand die Bank andere Aufgaben. „Damals wurden wir global“, sagt White. Doch die positive Haltung zum Euro blieb. „Als Institution fand die BIZ es wichtig, ihre Mitglieder zu unterstützen“, erklärt White. Schließlich gehörte die BIZ damals noch weitgehend den europäischen Notenbanken. Das änderte sich nur peu à peu. Heute sind 60 Zentralbanken aus aller Welt Anteilseigner.
Trotzdem behielt die Institution eine gewisse Liebe zum Euro bei. Das zeigte sich auch darin, dass die eigentlich vorsichtigen Ökonomen der BIZ an der einheitlichen Währung weniger zu meckern hatten als viele andere Forscher. White ärgert sich heute sehr darüber. „Ich wünschte, ich wäre genauso energisch gewesen darin, über interne europäische Probleme zu schreiben wie über globale Probleme. Heute ist es offensichtlich, dass die Sache mit dem Euro von Anfang an schiefgelaufen ist.“ Vielleicht, so meint er, ist es einfach immer schwierig, eine Blase zu sehen, in der man selbst mittendrin steckt.
Immerhin kann er für sich reklamieren, die globale Krise sowie die Probleme in Amerika sehr gut gesehen zu haben. Leider hat keiner darauf gehört. „Da sehen Sie, dass die BIZ gar nicht so mächtig ist“, sagt White. Vielleicht stimmt das sogar. Die Bank selbst ist nicht besonders mächtig, aber die, die sich ihrer bedienen. Das klingt nicht weniger beunruhigend - zumal die BIZ seit der Finanzkrise wichtiger ist als je zuvor.
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