Investoren müssen bei Bank-Beerdigungen künftig zahlen
Brüssel/Berlin (Reuters) - Für Bank-Investoren in Europa wird es ab 2016 ungemütlich. Dann müssen sie sich darauf gefasst machen, bei der Abwicklung maroder Geldhäuser zur Kasse gebeten zu werden.
Unterhändler von EU-Staaten und Europäischem Parlament einigten sich in der Nacht zum Donnerstag auf eine Richtlinie, die erstmals auch Aktionäre, Gläubiger und große Sparer bei Bank-Pleiten in die Pflicht nimmt - bevor der Steuerzahler einspringt. Fünf Jahre nach dem Kollaps der Investmentbank Lehman Brothers zieht die Europäische Union damit Konsequenzen aus der Finanzkrise: Zur Rettung von Banken mussten die Staaten in Europa mit 1,6 Billionen Euro in die Bresche springen. Die EU-Finanzminister müssen den neuen Regeln noch zustimmen. In der nächsten Woche sollen nach monatelangem Streit die letzten Details geklärt werden.
Künftig müssen zuerst die Aktionäre, dann die Gläubiger und schließlich Sparer mit mehr als 100.000 Euro an Einlagen für die Abwicklung oder Umstrukturierung maroder Banken aufkommen. Das Bundesfinanzministerium sprach von einem wichtigen Schritt hin zu einheitlichen und verbindlichen Regeln für den Umgang mit solchen Instituten. Auf Druck der Bundesregierung sollen die neuen Vorschriften bereits ab Januar 2016 gelten und damit zwei Jahre früher als von anderen Mitgliedsländern angestrebt. Die Richtlinie gehört zum geplanten Abwicklungsmechanismus, der eine zentrale Säule der Bankenunion bildet, mit der das Finanzsystem krisensicherer gemacht werden soll. EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier begrüßte die Einigung: Steuerzahler müssten so nicht mehr primär für die Fehler von Bankern geradestehen.
Bankenvertreter befürchten dagegen Nachteile für europäische Geldhäuser. "Investoren wünschen sich weiter möglichst geringe Risiken", sagte das Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der Volks- und Raiffeisenbanken (BVR), Gerhard Hofmann. Deshalb müsse bei der Einführung der Regeln behutsam vorgegangen werden. Andernfalls drohten die europäische Banken im Wettbewerb benachteiligt zu werden. Ein erster Ernstfall steht den Banken schon im kommenden Jahr bevor, wenn die 128 größten Institute der Euro-Zone in Bilanzprüfungen und Stresstests durchleuchtet werden, bevor die Europäische Zentralbank (EZB) im November ihre Aufsicht übernimmt.
Die Richtlinie legt auch fest, in welchem Umfang die Investoren haften müssen im Pleitefall. Sie sollen insgesamt für Abwicklungskosten in Höhe von acht Prozent der Gesamtverbindlichkeiten eines Instituts geradestehen. Das kann je nach Größe der Bank ein hoher Milliardenbetrag sein. Nach Einschätzung des Europa-Abgeordneten Sven Giegold von den Grünen hätte diese Größenordnung zwar ausgereicht, um bei den meisten Bankenrettungen der vergangenen Jahre den Steuerzahler zu schützen. Er bemängelte aber, dass es Schlupflöcher gebe. "Wenn der politische Druck der Bankenlobby nur hoch genug ist, kann das Retten von Banken weitergehen." Die Institute müssten sich nur rechtzeitig melden, um ohne Investorenbeteiligung staatlich gerettet zu werden.
Wenn Gläubiger und Aktionäre zur Kasse gebeten worden sind und weiteres Geld nötig wird, kommt dieses aus einem europäischen Abwicklungsfonds, der in den nächsten zehn Jahren aufgebaut und von Bankenabgaben gespeist wird. Die EU streitet seit Monaten über den künftigen Umgang mit Pleitebanken. Umstritten ist weiter, wer künftig den Daumen über marode Banken senken darf. Die EU-Kommission beansprucht das letzte Wort dazu. Dagegen will die Bundesregierung ein Gremium einrichten, in dem Experten von Kommission und aus den EU-Mitgliedsstaaten sitzen. Bei Unstimmigkeiten sollen die EU-Finanzminister das letzte Wort haben. Eine abschließende Klärung gibt es noch nicht. Ob sich dieser Vorschlag durchsetzt, wollen die EU-Finanzminister möglichst am Mittwoch entscheiden.
EZB-Direktor Jörg Asmussen äußerte sich hoffnungsvoll, das dies gelingt. Er forderte aber eine klare Kompetenzverteilung bei Abwicklungen. "Mit etwas Sorge sehe ich den geplanten Entscheidungsprozess zur Abwicklung einer Bank zwischen Abwicklungsgremium, EU-Kommission und Ministerrat", sagte er dem "Handelsblatt". "Es muss sichergestellt werden, dass eine Bank geordnet über ein Wochenende abgewickelt werden kann."
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