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Mittwoch, 30. April 2014

Athen hat im vergangenen Jahr mehr eingenommen als ausgegeben – jedenfalls wenn man Zinsen und Einmalzahlungen herausrechnet. Die Kalkulation stößt allerdings auf Kritik.


SchuldenkriseDie Tücken der griechischen Haushaltsrechnung

  ·  Athen hat im vergangenen Jahr mehr eingenommen als ausgegeben – jedenfalls wenn man Zinsen und Einmalzahlungen herausrechnet. Die Kalkulation stößt allerdings auf Kritik.
© REUTERSVergrößernWo steht Griechenland? Nicht nur die Lage der Athener Finanzen sind reine Ansichtssache.
Der griechische Staat hat 2013 nach Kalkulationen der Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) einen Primärüberschuss erzielt. Das Land war also in der Lage, seine laufenden Ausgaben durch laufende Einnahmen zu decken. Die Troika-Zahlen gehen auf die am Mittwoch veröffentlichten Daten des EU-Statistikamts Eurostat zurück. Allerdings haben die drei Institutionen verschiedene Staatsausgaben herausgerechnet. Ein Sprecher der EU-Kommission nannte einen positiven Primärsaldo von 0,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Es handle sich um den „Programm-Primärüberschuss“ des Landes. Aus diesem sind nicht nur die Zinszahlungen des Staates herausgerechnet, sondern auch alle Staatsausgaben, die auf Auflagen des internationalen Hilfsprogramms zurückgehen.
Die Troika glaubt, dass sie vergangenes Jahr einmalig angefallen sind und deshalb herauszurechnen sind. Der Sprecher verwies darauf, dass der Primärüberschuss schon bei Abschluss des zweiten Hilfsprogramms für Griechenland so definiert worden sei. Den Vorwurf, dass das griechische Defizit schöngerechnet werde, hatte die EU-Behörde schon vor zwei Wochen zurückgewiesen.

Troika rechnet Kapitalspritzen für Banken nicht ein

Nach den Eurostat-Zahlen lag das Staatsdefizit in Griechenland 2013 bei 12,7 Prozent des BIP. Zieht man davon die Zinszahlungen des griechischen Staates ab, resultiert daraus längst kein Primärüberschuss, sondern ein Primärdefizit von 8,7 Prozent. Erst wenn auch alle Ausgaben und Einnahmen herausgerechnet werden, die direkt auf die Auflagen des Programms zurückgehen, ist der „Programm-Primärüberschuss“ erreicht. Die große Differenz ergibt sich vor allem daraus, dass der griechische Staat 2013 seine maroden Banken einmalig – so jedenfalls die Prämisse der Troika – mit Kapital versorgen musste. Allein diese Kapitalspritzen beliefen sich auf 10,8 Prozent des BIP.
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Das Vorliegen eines so definierten Primärüberschusses ist nach einer früheren Zusage der Eurogruppe eine der Voraussetzungen dafür, dass Griechenland über das laufende Hilfsprogramm hinaus weitere „Erleichterungen“ seiner Kreditgeber erhält. Der Primärüberschuss gilt als Indikator dafür, ob ein Land – jenseits seines Schuldenstands – in der Lage ist, laufende Ausgaben mit laufenden Einnahmen zu decken. Offen bleibt die Frage, wie die griechische Staatsschuld wieder tragfähig gemacht werden kann. 2013 betrug der Schuldenstand laut Eurostat 175,1 Prozent des BIP. Griechenland bleibt damit das Land mit den bei weitem höchsten Schulden. Über die Erleichterungen, die zur Herstellung der Schuldentragfähigkeit beitragen könnten, soll in der zweiten Jahreshälfte entschieden werden. In der Diskussion stehen weitere Zinssenkungen und die abermalige Verlängerung der Kreditlaufzeiten.
Die Alternative für Deutschland (AfD) bezweifelt die Aussagekraft der Troika-Definition. Bundessprecher Bernd Lucke betont in einem Briefwechsel mit dem Bundesfinanzministerium, dass der Primärsaldo üblicherweise die Menge an Geld angebe, die ein Staat für seinen Schuldendienst übrig hat. Deshalb sei es falsch, die Bankenrekapitalisierung herauszurechnen. Dagegen vertritt Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter (CDU) in seinem Antwortschreiben die Auffassung, dass es nicht sinnvoll sei, „Indikatoren zu verwenden, die entweder durch Einmaleffekte im Zusammenhang mit dem Programm verzerrt sind oder Griechenland Einnahmen zurechnen, die nicht auf den Eigenanstrengungen des Landes beruhen“. Deswegen sei die Korrektur um die einmaligen Ausgaben gerechtfertigt. In einem zweiten Brief fragt Lucke, warum die Bundesregierung trotz eines absehbar weiteren Rekapitalisierungsbedarfs glaube, dass die erste Geldspritze für griechische Banken eine einmalige Aufgabe gewesen sei.
Jenseits des griechischen Falls weisen die Eurostat-Zahlen für 2013 einen Rückgang des Staatsdefizits im Euroraum auf, während die Staatsschuld weiter gestiegen ist. Die Neuverschuldung sank im Durchschnitt der Euro-Staaten von 3,7 Prozent des BIP (2012) auf genau den Maastrichter Referenzwert von 3,0 Prozent. Jene drei Länder (Belgien, Österreich und die Slowakei), die nach den Auflagen der laufenden Defizitverfahren ihre Neuverschuldung bis 2013 wieder unter 3Prozent des BIP drücken mussten, haben dies alle geschafft. Auch die Niederlande, die dafür noch ein Jahr mehr Zeit gehabt hätten, haben dieses Ziel schon 2013 erreicht. Schon bekannt war, dass die französischen Defizitzahlen schlechter als vorgegeben ausgefallen sind. Der Schuldenstand stieg im Durchschnitt des Euroraums von 85,2 auf 87,1 Prozent des BIP.

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