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Dienstag, 15. April 2014

Ukrainische Sicherheitskräfte haben am Nachmittag den Militärflughafen zwischen Kramatorsk und Slowjansk gestürmt, den Separatisten unter ihre Kontrolle gebracht hatten. In ersten Meldungen ist von Verletzten und möglicherweise Toten die Rede

Eskalation in OstukraineUkrainische Truppen stürmen Militärflughafen

  ·  Ukrainische Sicherheitskräfte haben am Nachmittag den Militärflughafen zwischen Kramatorsk und Slowjansk gestürmt, den Separatisten unter ihre Kontrolle gebracht hatten. In ersten Meldungen ist von Verletzten und möglicherweise Toten die Rede.
© REUTERSVergrößernAuf dem Vormarsch: Ukrainische Sicherheitskräfte im Osten der Ukraine
Ukrainische Sicherheitskräfte sind am Dienstagnachmittag zumindest punktuell zum Angriff übergegangen. Der Nachrichtenagentur Interfax zufolge stürmten sie mit Hilfe von Schützenpanzern einen Militärflughafen zwischen Kramatorsk und Slowjansk, den die Separatisten mutmaßlich in ihre Gewalt gebracht hatten. In ersten Meldungen war von Verletzten und möglicherweise Toten die Rede. Die Doppelstadt Kramatorsk / Slawjansk ist das nördliche Tor des Donbass, des schwerindustriellen Herzlands der Ostukraine. Zuvor hatte die ukrainische Übergangsregierung offiziell ihren lang angekündigten Antiterroreinsatz im Osten begonnen.
Ein ukrainischer Militärkommandeur drohte den prorussischen Separatisten im Osten des Landes mit ihrer  „Vernichtung“. „Sie müssen gewarnt sein, dass sie vernichtet werden, wenn sie ihre Waffen nicht niederlegen“, sagte General Walerij Krotow, der stellvertretende Kommandeur der  ukrainischen Spezialkräfte (SBU), am Dienstag. Die prorussischen Kämpfer würden von hunderten Soldaten des russischen Militärgeheimdienstes GRU unterstützt, die „große Erfahrung mit Konflikten“ hätten, sagte Krotow.
Die ukrainische Übergangsregierung hatte am Dienstag ein erstes Bataillon der Nationalgarde in den unruhigen Osten des Landes entsandt. Der Leiter des Nationalen Sicherheits- und  Verteidigungsrats, Andrej Parubi, teilte über Facebook mit, die  Soldaten seien „sehr kämpferisch“ und bereit, die Ukraine „an der  Front“ zu verteidigen.
Rund 40 Kilometer vor der Stadt Slawjansk stand am Dienstag eine  Kolonne ukrainischer Militärfahrzeuge, darunter Panzer, gepanzerte  Transporter und sieben Busse mit ukrainischen Spezialkräften, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete.

Mehrere Verwaltungsgebäude in Slawjansk besetzt

In Slawjansk halten prorussische Kräfte seit Tagen mehrere  Verwaltungsgebäude besetzt. Auch in mehreren anderen Städten der  Region sind öffentliche Gebäude von prorussischen Gruppen besetzt.  Sie fordern ein regionales Referendum über eine Angliederung an  Russland.
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© APVergrößernUkrainische Soldaten am Dienstag vor der ostukrainischen Stadt Isjum
Der ukrainische Übergangspräsident Oleksandr Turtschinow hatte zuvor im ukrainischen Parlament bekanntgegeben, dass die Operation der Sicherheitskräfte und der Armee gegen die bewaffneten Separatisten im Osten der Ukraine begonnen habe. Dabei werde „schrittweise und mit Augenmaß“ vorgegangen, denn außer „russischen Diversanten und Terroristen“ lebten dort auch „von der russischen Propaganda betrogene Bürger der Ukraine“ sowie „unschuldige Ukrainer“. Das wichtigste Ziel sei es, diese „Menschen zu schützen“. Der russische Außenminister Lawrow forderte, die Aktion zu beenden. Wenn die ukrainische Regierung Gewalt anwende, könne das die für Donnerstag geplanten Vierer-Gespräche der Vereinigten Staaten, der EU, der Ukraine und Russlands gefährden.
Offenbar bringen sich Panzer der ukrainischen Armee auch vor Slawjansk in Stellung. In der Stadt mit etwa 100.000 Einwohnern im Gebiet Donezk hatten Bewaffnete am Wochenende alle Verwaltungsgebäude und die Polizeistationen in ihre Gewalt gebracht; bei einer Schießerei zwischen Separatisten und Sicherheitskräften gab es dort schon am Sonntag Tote. Der für die Separatisten in Slawjansk öffentlich als Führer auftretende Slawjansk Wjatscheslaw Ponomarjow sagte russischen Nachrichtenagenturen, von allen Seiten gebe es Meldungen, dass ukrainische Einheiten mit schwerem Gerät vorrückten. Ponomarjow wurde von der Agentur Itar-Tass zitiert, er sei zu Gesprächen bereit: „Das wichtigste ist, wir wollen kein Blut.“ Auf der Seite des örtlichen Internetportals Slavgorod.com.ua wurde ein Video veröffentlicht, auf dem zu sehen ist, wie Zivilisten einen Panzer am Weiterfahren hindern. Das Portal berichtet zudem, dass im örtlichen Krankenhaus vier Verletzte mit Schusswunden behandelt würden.
Der ukrainische Geheimdienst SBU hat nach eigenen Angaben den tatsächlichen Anführer der Separatisten in Slawjansk identifiziert. Es handle sich dabei um den Offizier einer Spezialeinheit der russischen Armee namens Igor Strelkow. Er sei von früher festgenommenen russischen Agenten identifiziert worden. Strelkow habe schon im März auf der Krim die Besetzung von Stützpunkten der ukrainischen Streitkräfte durch russische Einheiten koordiniert. Diese  Kräfte trugen dort keine Erkennungszeichen und wurden von Moskau als „Selbstverteidigungskräfte“ der Krim-Bewohner bezeichnet. Für sie hat sich in der Ukraine die Bezeichnung „Grüne Männchen“ eingebürgert.
Die Bürgermeisterin von Slawjansk Nelja Schtepa sagte laut der Internetzeitung „Ukrainska Prawda“, bei den Bewaffneten in der Stadt handle es sich um solche „Grünen Männchen“: „Sie verbergen nicht, dass sie von der Krim und aus Russland sind.“ Nur ein kleiner Teil der Bewohner von Slawjansk unterstütze die Forderungen der Separatisten. Die Bürgermeisterin hatte laut Slavgorod.com.ua die Bevölkerung schon am Montag aufgerufen, ihre Wohnungen nicht zu verlassen, es gebe erste Fälle von Plünderungen in der Stadt.
Die ukrainische Regierung sieht sich in Kiew unter wachsendem Druck, in der Ostukraine entschiedener vorzugehen. Vor dem Parlament hatten am Montagabend Demonstranten den Rücktritt von Innenminister Arsen Awakow gefordert, weil dieser nicht gehandelt habe. Abgeordnete forderten, Waffen an Ukrainer auszugeben, die das Land verteidigen wollten. Das wurde von Turtschinow indes kategorisch abgelehnt: „Der Staat gibt nur jenen Waffen, die in der Miliz arbeiten, in der Nationalgarde und in den Streitkräften dienen.“ Mit der Ausgabe von Waffen an Zivilisten „stoßen wir die Ukraine in den Abgrund des Bürgerkriegs“.
Dass die Spannung steigt, zeigte sich auch daran, dass in Kiew zwei Präsidentschaftskandidaten, die – wie Russland - eine Föderalisierung  der Ukraine fordern, angegriffen wurden: Der frühere Gouverneur von Charkiw Michail Dobkin, der schon im Februar mit einer Spaltung der Ukraine gedroht hatte und nun Präsidentschaftskandidat der „Partei der Regionen“ ist, wurde mit einer grünen Flüssigkeit überschüttet. Oleg Zarjow, der ebenfalls zu Janukowitschs Partei der Regionen gehörte, nun aber als unabhängiger Kandidat antritt, wurde aus seinem Auto gezerrt und verprügelt. Zarjow hatte sich vergangene Woche in Donezk den Separatisten als Führer angedient.
Russland forderte die ukrainische Regierung unterdessen auf, den Einsatz gegen Moskau-hörige Milizen im Osten des Landes einzustellen. Bei einem Besuch in Peking warnte Außenminister Sergej Lawrow vor einem Scheitern des für Donnerstag geplanten Krisentreffens in Genf. „Wenn Gewalt in der südöstlichen Ukraine eingesetzt wird, wird das wahrscheinlich die Chancen für das Treffen in Genf untergraben“, sagte Lawrow. Er wurde nach einem Gespräch mit Chinas Außenminister Wang Yi auch von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping empfangen - was als besondere Geste gewertet werden kann. „Wir fordern einen Stopp der sogenannten Initiativen bezüglich der Entsendung von Sicherheitskräften und Armee-Einheiten in Verletzung ukrainischer Rechtsnormen und des Völkerrechts“, sagte Lawrow laut russischer Nachrichtenagentur Itar-Tass. Er warnte, dass sonst die Genfer Gespräche zwischen Russland, der Ukraine, den Vereinigten Staaten und der EU über den Konflikt auf dem Spiel stünden.

Putin-Sprecher: Keinerlei russische Truppen in Ostukraine

Der Sprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin bekräftigte, im Osten der Ukraine seien keinerlei russischen Truppen. Das hätten sowohl Putin als auch Außenminister Sergej Lawrow mehrfach geäußert. Anderslautende Erklärungen seien „absurd“ und man könne nur sein Befremden darüber ausdrücken, dass der Westen es vorziehe, den Erklärungen der russischen Seite bewusst nicht zuzuhören.
Das russische Verteidigungsministerium teilte mit, die Übergabe von Waffen und Ausrüstung von der Krim an das ukrainische Militär sei gestoppt worden, um zu verhindern, dass das Material gegen „friedliche Bevölkerung im Osten der Ukraine“ eingesetzt werde. Aus der Duma hieß es, man werde, anders als zuvor berichtet, keine Beobachter zu der ukrainischen Präsidentenwahl am 25. Mai schicken, da man diese nicht anerkenne.
Derweil berichtete die Zeitung „New York Times“, unter den weiteren Mitgliedern der Moskauer Elite, gegen die Washington im Falle eines russischen Einmarsches in die Ukraine Sanktionen verhängen könnte, sei der Putin-Vertraute Igor Setschin, der Präsident des Ölunternehmens Rosneft. Dieses arbeitet unter anderem mit dem amerikanischen Ölkonzern ExxonMobil zusammen.

„Erdrückende Beweise gegen Russland“

Die Vereinten Nationen teilten am Dienstag mit, dass sie keine Hinweise auf systematische Übergriffe auf die russischstämmige Bevölkerung im Osten der Ukraine sehen. Anderslautende Berichte, mit denen prorussische Separatisten eine Intervention Russlands in dem Konflikt erreichen wollten, seien aufgebauscht, erklärte die UN-Menschenrechtsbehörde in Genf. „Auch wenn es ein paar Angriffe auf die ethnisch russische Gemeinschaft gab, waren sie weder systematisch noch weit verbreitet“, heißt es in dem Bericht, der nach zwei Besuchen des Assistenten des UN-Generalsekretärs für Menschenrechtsfragen, Iwan Simonovic, in der Ukraine veröffentlicht wurde. Unterstützer der Angliederung der Krim an Russland hätten Fotos von den Protesten auf dem Majdan in Kiew und übertriebene Berichte über Belästigungen der russischsprachigen Bevölkerung durch ukrainische Nationalisten verwendet, um ein Klima der Angst und Unsicherheit zu erzeugen.
Am Montagabend hatten Wladimir Putin und Barack Obama über die Zuspitzung des Konflikts in der Ukraine gesprochen. Nach Angaben des Weißen Hauses äußerte sich Obama in einem Telefonat der beiden Staatsoberhäupter am Montagabend sehr besorgt darüber, dass die Regierung in Moskau die prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine unterstütze. Putin bestritt dem Kreml zufolge eine Einmischung.
Für Donnerstag sind in Genf Gespräche zwischen Russland, den Vereinigten Staaten, der Ukraine und der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton geplant. Ausgelotet werden sollen Möglichkeiten für eine friedliche Lösung des Konflikts. Die EU-Außenminister beschlossen derweil eine Ausweitung der bislang wegen der Krise verhängten Sanktionen.
Quelle: FAZ.NET/rve./frs./ul.
http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/eskalation-in-ostukraine-ukrainische-truppen-stuermen-militaerflughafen-12896719.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

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