Konflikt in der Ostukraine„Russland führt Krieg gegen die Ukraine“
13.04.2014 · Angesichts blutiger Gewalt im Osten der Ukraine haben sich Kiew und Moskau gegenseitig das Anzetteln eines Kriegs vorgeworfen. Bei Gefechten zwischen ukrainischen Truppen und prorussischen Milizen wurden mehrere Menschen getötet. In der Nacht tritt der UN-Sicherheitsrat zusammen.
© AFPProrussische Kämpfer in Slawjansk bereiten sich auf Auseinandersetzungen mit der ukrainischen Polizei vor.
Nach blutigen Zusammenstößen in der Ostukraine hat Übergangspräsident Alexander Turtschinow die prorussischen Separatisten ultimativ zur Aufgabe aufgefordert. Nur wer bis Montagmorgen die Waffen niederlege und die besetzten Verwaltungsgebäude verlasse, werde strafrechtlich nicht belangt, sagte Turtschinow am Sonntag in Kiew. Zugleich drohte er mit einem „groß angelegten Anti-Terror-Einsatz“ unter Beteiligung der Streitkräfte, um die Unruhen im Osten des Landes zu beenden. Nach Angaben des Präsidialamtsleiters Sergej Paschinski gilt das Ultimatum bis 9 Uhr Ortszeit (8 Uhr MESZ).
Der UN-Sicherheitsrat in New York wird sich noch am Sonntag bei einer kurzfristig einberufenen Sondersitzung mit der zugespitzten Situation in der Ukraine befassen. Das Treffen beginnt um 20.00 Uhr Ortszeit (2.00 Uhr MESZ), wie die Vereinten Nationen mitteilten. Russland hatte um die Einberufung gebeten.
Russland warnte die prowestliche Regierung in Kiew nachdrücklich vor einem Militäreinsatz gegen die Separatisten. Moskau sei „empört über den verbrecherischen Befehl“ von Turtschinow, der die Proteste von der Armee niederschlagen lassen wolle, teilte das Außenamt in Moskau am Sonntag mit. Russland trete dafür ein, die Krise von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und dem Weltsicherheitsrat untersuchen zu lassen. „Gerade vom Westen hängt es jetzt ab, einen Bürgerkrieg in der Ukraine zu vermeiden.“
Turtschinow hatte Russland zuvor vorgeworfen, „Krieg“ gegen sein Land zu führen. „Es wurde Blut vergossen in dem Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt“,sagte Turtschinow am Sonntagabend in einer Fernsehansprache. Und: „Wir lassen nicht zu, dass Russland das Krim-Szenario in den östlichen Regionen der Ukraine wiederholt.“
Bei einem „Anti-Terror-Einsatz“ gegen prorussische Separatisten in der Stadt Slawjansk waren am Sonntag nach Regierungsangaben mehrere Menschen getötet und verletzt worden. Die Aktivisten hätten ohne Vorwarnung das Feuer auf die Regierungskräfte eröffnet, sagte Innenminister Arsen Awakow. Erstmals hatte die prowestliche Führung in Kiew das Vorrücken von Spezialeinheiten befohlen, nachdem bewaffnete Gruppen mehrere Verwaltungsgebäude besetzt hatten.
Augenzeugen zufolge stand Rauch über der Stadt - die Demonstranten hätten Barrikaden aus Autoreifen angezündet, hieß es. Schützenpanzer der Regierungseinheiten versperrten Zufahrten. Über der Stadt mit mehr als 100 000 Einwohnern kreisten Militärhubschrauber. Das ukrainische Fernsehen berichtete am Abend, Slawjansk sei von prorussischen „Selbstverteidigungskräften“ abgeriegelt. Die Bewaffneten hätten die Stadt weitgehend unter Kontrolle, von Regierungskräften sei nichts zu sehen.
Auch in der ostukrainischen Stadt Charkow wurden bei Zusammenstößen von Gegnern und Anhängern einer Annäherung an Russland etwa 50 Menschen verletzt. Rund 1000 prorussische Demonstranten seien unter anderem mit Sowjet-Fahnen durch das Zentrum der Stadt marschiert und mit mehreren hundert prowestlichen Aktivisten aneinandergeraten.
Das Außenministerium in Kiew warf der Führung in Moskau erneut vor, die Unruhen in der russisch geprägten Ostukraine mit eingeschleusten Provokateuren zu schüren. „Alle notwendigen konkreten Beweise der Mitwirkung der russischen Geheimdienste zum Aufruhr von Separatisten“ würden bei einem am Donnerstag in Genf geplanten Treffen der Außenminister von Russland, der Ukraine, der USA und der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton vorgelegt.
Russlands Außenminister Sergej Lawrow wies die Vorwürfe zurück und warnte vor einem gewaltsamen Eingreifen der Regierung in Kiew. Dieses würde das geplante Genfer Treffen gefährden. Die EU-Außenminister wollen sich am Montag in Luxemburg darüber abstimmen. Diplomaten sagten am Sonntag, die EU hoffe, dass aus den Genfer Gesprächen ein ständiges Gesprächsformat über die Entschärfung der Ukraine-Krise entsteht.
Die EU-Außenminister wollen zudem eine Milliardenhilfe für Kiew beschließen. Entscheidungen über eine Verschärfung bestehender Strafmaßnahmen gegen Moskau sind nach Angaben von Diplomaten ungewiss, die Einführung neuer umfassender Wirtschaftssanktionen ist nicht zu erwarten.
Die Nato forderte Moskau zur Beruhigung der Lage auf. „Ich bin äußerst beunruhigt über die weitere Eskalation der Spannung in der Ostukraine“, erklärte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen. Männer mit russischen Spezialwaffen und in Uniformen ohne Abzeichen erinnerten an das Auftreten russischer Truppen bei der Annexion der Schwarzmeerhalbinsel Krim - das sei eine schwerwiegende Entwicklung. Ähnlich äußerte sich UN-Generalsekretär Ban Ki Moon.
Auch US-Außenminister John Kerry zog Parallelen zu den Vorgängen auf der Krim vor der Annexion. Die US-Botschafterin bei den UN, Samantha Powers, sprach am Sonntag von „verräterischen Anzeichen“ dafür, dass Moskau bei den Vorgängen in der Ostukraine seine Hände im Spiel habe. „Es ist professionell. Es ist koordiniert“, sagte sie dem Sender ABC. Die Separatisten seien in allen betroffenen ostukrainischen Städten nach einem gleichen Muster vorgegangen.
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