Sonntag, 13. April 2014
Schüsse in SlawjanskTote bei "Anti-Terror-Einsatz" in der Ukraine
Die Sicherheitskräfte reagieren auf die Erstürmung mehrerer Verwaltungsgebäude im ostukrainischen Slawjansk, angeblich gibt es Tote und Verletzte. Die Lage ist unübersichtlich. Vor einer besetzten Polizeistation bilden Zivilisten ein menschliches Schutzschild.
Nach der Besetzung mehrerer öffentlicher Gebäude in der Ost-Ukraine gehen ukrainische Sicherheitskräfte nach Angaben der Regierung gegen pro-russische Gruppen vor. Dabei gab es dem Innenministerium zufolge "Tote und Verletzte auf beiden Seiten". Ein Geheimdienstagent sei getötet und fünf weitere Menschen seien verletzt worden, bei den "Separatisten" habe es eine unbekannte Zahl an Opfern gegeben, so Innenminister Awakow.
Ein "Anti-Terror-Einsatz" habe begonnen, hatte er zuvor auf seiner Facebook-Seite geschrieben und mit den Worten geschlossen: "Möge Gott mit uns sein." Auch in Russland und der Ukraine wird heute Palmsonntag und damit der Beginn der Karwoche begangen.
Einheiten aller Sicherheitskräfte des Landes seien beteiligt, schrieb Awakow. Er forderte die Bewohner von Slawjansk auf, das Stadtzentrum zu räumen, in ihren Häusern zu bleiben und sich von den Fenstern fernzuhalten. Reporter berichteten von Militär-Hubschraubern, die über der Stadt zu sehen waren.
Journalisten vor Ort sprechen zwar von einer "äußerst angespannten" Lage, doch von dem angekündigten Einsatz in der Stadt sei nichts zu sehen. "Viele Menschen auf den Straßen. Kein Anzeichen eines Angriffs", twitterte ein Reporter. Ein anderer berichtete allerdings später, er höre Schüsse von automatischen Waffen.
Unbestätigten Berichten zufolge haben ukrainische Sicherheitskräfte versucht, von pro-russischen Gruppen errichtete Straßensperren an den Zufahrten zu Slawjansk aufzulösen. Es wird spekuliert, dass die in Slawjansk gehörten Schüsse dabei gefallen sind und es dort die vom Innenminister genannten Opfer gegeben hat.
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n-tv-Korrespondent Dirk Emmerich berichtete aus Slawjansk, dass Demonstranten einen menschlichen Schutzschild vor den Barrikaden in der Nähe der besetzten Polizeistation gebildet haben. Bis zu 100 Zivilisten - viele von ihnen ältere Frauen - versammelten sich, riefen Durchhalteparolen und forderten lautstark ein Referendum über die Zukunft der Region.
In Jenakijewo, dem Heimatort des entmachteten und nach Russland geflohenen Präsidenten Viktor Janukowitsch, brachten Menschen am Sonntag mit Polizeizentrale und Stadtrat weitere Gebäude in ihre Gewalt. Auch in der 470.000.Einwohner-Stadt Mariupol soll ein Gebäude besetzt worden sein.
Kritik an Russland
Gruppen in Kampfanzügen hatten am Vortag unter "Russland! Russland!"-Rufen dutzender Zivilisten die Kontrolle über das Polizeikommissariat und den Sitz des Geheimdienstes SBU in Slawjansk übernommen. Die 100.000-Einwohner-Stadt liegt rund 60 Kilometer von der Großstadt Donezk entfernt. Auch in Donezk stürmten pro-russische Gruppen das Hauptquartier der Polizei, indessen es in Kramatorsk und Krasnyi Lyman nach Angriffen "bewaffneter Kämpfer" auf Verwaltungsgebäude Schusswechsel mit den Sicherheitskräften gab.
Schwedens Außenminister Carl Bildt machte Russland für die Lage verantwortlich. "Massive Eskalierung der Destabilisierungs-Strategie", twitterte er. Es handele sich um eine koordinierte Aktion, um Schlüsselteile der Ost-Ukraine zu kontrollieren. Das wäre ohne Russland nicht passiert. "Russland muss fordern, dass die illegalen bewaffneten Gruppen ihre Waffen niederlegen, besetzte Gebäude verlassen und die demokratische Ordnung akzepzieren."
Seit Wochen fordern pro-russische Kräfte eine Angliederung der Region an Russland nach dem Vorbild der Krim oder zumindest ein Referendum über mehr Autonomie der Region. Eine föderalistische Ukraine lehnt die Übergangsregierung in Kiew aber ab - sie fürchtet ein Auseinanderbrechen des Landes. Die Präsenz uniformierter, bewaffneter und offenkundig gut organisierter Gruppen schürt den Verdacht, dass es sich wie bereits auf der Krim um russische Militärangehörige handelt. Die massive russische Truppenpräsenz an der Grenze schürt zudem die Sorge vor einer Intervention.
Die Regierung in Kiew hatte den Separatisten eine Frist bis Freitag gesetzt, um die Besetzungen zu beenden. Sie sieht von Russland gesteuerte Provokateure hinter den Besetzungen. Der Kreml weist das zurück.
Russlands Außenminister Sergej Lawrow warnte am Samstag in einem Telefonat mit seinem US-Kollegen John Kerry davor, Gewalt gegen die pro-russischen Aktivisten anzuwenden. Dies würde eine diplomatische Lösung des Konflikts unterlaufen. Russland hat der Nato zufolge bis zu 40.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine stationiert.
Ziel ist "Deeskalation"
Derweil verlangte Außenminister Frank-Walter Steinmeier wenige Tage vor dem Krisengipfel zur Ukraine von Russland Signale der Entspannung. "Das alles kann nur gehen, wenn Russland eigene Entspannungsbeiträge liefert wie zum Beispiel den weiteren Rückzug von Streitkräften entlang der Grenze", sagte der SPD-Politiker, der momentan Japan besucht. Das Vierertreffen sei erst "der Beginn der Arbeit". Am kommenden Donnerstag wollen die USA, Russland, die Ukraine und die Europäische Union in Genf erstmals direkt miteinander beraten. Ziel sei zunächst "Deeskalation", sagte Steinmeier. "Langfristiges Ziel muss sein, dass wir den politischen und wirtschaftlichen Kollaps der Ukraine verhindern und dafür sorgen, dass diese Ukraine als Land beieinanderbleibt. Das ist schwieriger als sich viele vorstellen."
Bei dem Treffen soll auch der drohende Gasstreit zur Sprache kommen. Kanzlerin Angela Merkel warb bei einem Besuch in Athen für eine einheitliche Haltung der Empfängerländer russischen Erdgases im Fall von Versorgungsproblemen. Auch die Brüsseler EU-Kommission setzt sich dafür ein. Deren Chef José Manuel Barroso hat bereits am Freitag einen entsprechenden Brief an die EU-Staats- und Regierungschefs geschrieben.
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte zuvor die sofortige Tilgung von Milliardenschulden der prowestlichen Regierung in Kiew gefordert. Die Ukraine ist das wichtigste Transitland für Gas aus Russland. Wegen unbezahlter Rechnungen hatte Russland der Ukraine 2009 das Gas zeitweilig abgedreht, was zu Engpässen auch in der EU führte. Im Streit mit Russland um drastische Gaspreiserhöhungen zeigt sich die Ukraine weiter unnachgiebig. "Wir sehen keinen Grund für eine Preisänderung", sagte der Chef des Staatskonzerns Naftogas, Andrej Kobolew, dem Magazin "Serkalo Nedeli". Kiew werde die Zahlungen an Moskau bis zu Gesprächen aussetzen. Die Ukraine schuldet Russland etwa 2,2 Milliarden US-Dollar für Gas. Die EU-Außenminister wollen am Montag eine Zahlungsbilanzhilfe von einer Milliarde Euro für die vor dem Staatsbankrott stehende Ukraine billigen.
Quelle: n-tv.de , jga/jve/AFP/dpa/rts
http://www.n-tv.de/politik/Tote-bei-Anti-Terror-Einsatz-in-der-Ukraine-article12652786.html
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