Sonntag, 28. Juni 2015
"Sicher ist sicher"Griechen leeren ihre Konten
Während Touristen durch Athen schlendern, bilden sich an den Geldautomaten lange Schlangen. Die einen genießen die Sonne, andere fürchten die Kapitalkontrollen. Und einer sagt: "Na und?"
"Scheißkerle", schimpft der Taxifahrer ungefragt. "Alles Scheißkerle." Wen er damit meint? Alle Politiker, die griechischen, die europäischen, alle. Aber einer sei der größte von allen: Der ehemalige Ministerpräsident Giorgos Papandreou. "Steuern, Steuern, Steuern", schreit Stephanos, der seit 20 Jahren Taxi fährt und sich kaum beruhigen kann. "Dann bekommen wir die Drachme eben wieder. Mir doch egal."
Das ist ein starker Kontrast zu der Stimmung, die im Flugzeug herrschte, das eine halbe Stunde vorher in Athen gelandet ist. Mit überschwänglicher Freude hatte eine der Stewardessen den Passagieren "Herzlich willkommen im Urlaub" entgegengeflötet.
500 Euro im Monat
Wer hier Urlaub macht, macht Urlaub in einem Krisenland. Es ist schon bizarr, wie nahe Ferien und Zukunftsangst beieinander liegen. Während die einen sich auf die schönsten Tage des Jahres freuen, stehen die anderen an Geldautomaten und räumen ihr Konto leer. Denn niemand weiß, ob dort bald statt Euro Drachmen liegen. Es ist ein Bankwalk, kein Bankrun, der hier stattfindet. Ein stetiger Fluss von Menschen, die Geld abheben. Das hat etwas überaus Beunruhigendes.
"Sicher ist sicher", sagt Kostas, der am zentralen Syntagma-Platz in der Schlange steht. Auch er ärgert sich über die Politiker. "Die haben uns das eingebrockt." Ein silberner Mercedes Cabrio fährt vor - die Fahrerin reiht sich in die Schlange vor dem Geldautomaten ein. Antonios steht bereits dort: Seine Geschäfte laufen schlecht. Er spricht davon, wie sich die Krise auf sein Leben auswirkt. Er sei freiberuflich und müsse mittlerweile von 500 Euro monatlich leben, sagt er.
Auf dem Platz demonstrieren derweil ein paar Hundert Athener, die bei dem angekündigten Referendum mit "Nein" stimmen wollen. Er habe auch Geld abgehoben, sagt Evangelos, der sich kürzlich als Versicherungsmakler selbständig gemacht hat. Allerdings nicht alles. Als die ersten Meldungen eintreffen, dass die griechischen Banken am Montag nicht öffnen werden, gibt er sich gelassen: "Na und?", sagt er. "Dann kann ich eben nur noch ein paar Euro am Tag abheben. Für's Leben reicht es." Rund um den Platz werden die Schlangen vor den Geldautomaten noch länger.
"Toll, ich habe Varoufakis gesehen"
Unweit vom Syntagma-Platz befindet sich das Finanzministerium. Yanis Varoufakis kommt von einem Gespräch mit Bank-Vertretern zurück. "Wird es Kapitalkontrollen geben?", fragen die zahlreichen Journalisten, die sich um ihn drängen. Was Varoufakis antwortet, ist nicht zu verstehen. Die zahlreichen Kameraleute und Fotografen giften sich an, es ist laut. Varoufakis gelangt durch den Pressetross ins Gebäude, zwei griechische Kameramänner schreien sich an. Die Nerven liegen blank, kurz sieht es so aus, als würden sich die beiden prügeln. "Toll, ich habe Varoufakis gesehen", sagt eine griechische Passantin zu ihrem Freund.
An den beiden Geldautomaten ganz in der Nähe des Ministeriums gibt es keine Schlangen - weil es dort kein Geld mehr gibt. Eine ältere Dame, ein älterer Herr, ein junger Mann, sie alle versuchen dort vergeblich, an Bares zu kommen. Davon merken die Touristen in bunten Hemden, die an diesem schönen Sommernachmittag durch Athen bummeln, nichts. "Das sollen sie auch gar nicht", sagt Kostas.
Quelle: n-tv.de
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