Geldwäsche, Betrug: Der Skandal um Argentiniens Ex-Präsidenten Kirchner schlug hohe Wellen. Doch die Ermittlungen liefen zäh, wurden ausgebremst. Erst jetzt zeigen sich neue Spuren – in die Schweiz.
21.06.2015
DISKUSSION
0 Kommentare
MEHR ZUM THEMA
Einer der grössten Politskandale Argentinies nahm im April 2013 seinen Lauf: Journalisten enthüllten ein enormes Korruptions- und Geldwäschenetz um den ehemaligen Präsidenten Néstor Kirchner, der 2010 verstarb. Jetzt zeigt sich: Aus diesem Netz führen mehr Spuren in die Schweiz als auch schon bekannt.
Das offenbart eine 230 Seiten dicke Ermittlungsakte, die Handelszeitung.ch vorliegt. Auf dieser Grundlage stellte der argentinische Staatsanwalt Guillermo Marijuán am Freitag Antrag auf Anklage. Der Vorwurf im Kern: Mehrere mit Kirchner verbundene Personen hätten mit ausgeklügelten Methoden Geldwäscherei begangen und so Millionen von Dollar vor dem argentinischen Steuramt versteckt.
Beschuldigter lebt im Tessin
Die Namen der Beschuldigten sind bereits früher publik geworden. Einer von ihnen ist der Italo-Argentinier Néstor Marcelo Ramos, der auf der malerischen Tessiner Halbinsel Caslano lebt. Dessen Firma Helvetic Services Group war bereits unter dem vorherigen Ermittler, Staatsanwalt José María Campagnoli, in den Fokus der Justiz geraten. Nun nimmt ihn Staatsanwalt Marijuán zum ersten Mal direkt ins Visier: Er will ihn angeklagt sehen.
Im Zentrum der kriminiellen Aktivitäten soll der einflussreiche Bauunternehmer Lázaro Báez gestanden haben, ein Kirchner-Mäzen. Er soll von überbezahlten öffentlichen Aufträgen profitiert und das dabei illegal verdiente Geld via Scheinfirmen und Konten im Ausland weissgewaschen haben, namentlich bei den Banken Lombard Odier und Safra Sarasin in der Schweiz.
Justiz ausgebremst, aber nicht gestoppt
Gegen dessen Umfeld ging die argentinische Justiz bereits vor. Die Ermittlungen des damals zuständigen Staatsanwaltes Campagnoli brachten auch die jetzige Präsidentin und Ehefrau des verstorbenen Präsidenten, Cristina Fernández de Kirchner, in Bedrängnis. Doch Campagnolis Untersuchungen kamen zum Erliegen – wurde der politische Druck zu gross?
Auf jeden Fall blieb das in der Schweiz angestrengte Rechtshilfeersuchen ohne Folgen. Wegen fehlender Informationen von Seiten der Argentinier stellte die Bundesanwaltschaft Ende 2014 die Verfahren ein und gab blockierte Vermögenswerte in Millionenhöhe wieder frei.
«Ausgeklügelte Methode»
Doch dies war nur ein vorübergehender Sieg von Báez und Co., denn nun nimmt die Justiz unter der Ägide von Staatsanwalt Guillermo Marijuán einen neuen Anlauf. Es zeigt sich, dass die Aktivitäten des Netzwerks noch grösser waren als bisher bekannt. Marijuán schreibt in der Akte: «Die Involvierten haben eine ausgeklügelte Geldwäschereimethode angewandt. Um ans Ziel zu kommen, wurden sie in mehreren Ländern aktiv.»
Staatsanwalt Marijuáns Ermittlungen decken diverse verdächtige Geschäfte ab: Immobiliendeals, das Verschieben von 22 Millionen Dollar in die Schweiz oder Transfers von 33 Millionen Dollar durch Aktientransfers mittels der Firma Financial Net. Auch die Fussballerfirma Vansomatic wird wie schon im alten auch im neuen Bericht mehrfach erwähnt – bis vor zwei Tagen war deren Inhaber Pablo Bentancur noch mit 40 Prozent am Superleague-Club FC Lugano beteiligt.
Entscheidung liegt beim Richter
Nun liegt der Ball im Feld des zuständigen Richters Sebastián Casanello: Er muss prüfen, ob die vorgebrachten Resultate für eine Anklage reichen und wird in den kommenden Wochen über das weitere Vorgehen entscheiden.
Anfragen von handelszeitung.ch zum Ermittlungsbericht wurden von Helvetic Services Group bis Publikationszeitpunkt nicht beantwortet: Bei der Firma im Tessin nahm für eine Stellungnahme niemand das Telefon ab.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen