Gläubiger-Angebot abgelehntTsipras kündigt Volksabstimmung über Gläubiger-Angebot an
Bewegung im griechischen Schuldenstreit? Von wegen! Die griechische Seite hat ein neues Angebot der Gläubiger rundweg abgelehnt. Ministerpräsident Tsipras wählte dazu drastische Worte – und kündigte an, das griechische Volk entscheiden zu lassen.
26.06.2015
Erwartungen auf eine Einigung im griechischen Schuldenstreit haben sich am Freitagabend wieder relativiert. Die griechische Regierung habe das neue Angebot der Gläubiger, das offenbar die Finanzierung des Landes bis November sicherstellen würde, zurückgewiesen. Das meldeten übereinstimmend die staatliche griechische Nachrichtenagentur ANA , die Zeitung „The Guardian“ und die Nachrichtenagentur AFP.
Am Abend äußerte sich Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras dann selbst zu der bis Samstag gesetzten Frist, sich mit sowohl mit dem Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Zentralbank, als auch mit der EU-Kommission zu einigen: In einer Fernsehansprache kündigte Tsipras an, die Griechen sollen in einer Volksabstimmung entscheiden, ob die Regierung in Athen das Sparprogramm akzeptieren soll. Er habe bereits Staatspräsident Pavlooulos sowie die größte Oppositionspartei, die konservative Nea Dimokratia, informiert. Wie griechische Medien berichteten, solle die Abstimmung schon am nächsten Sonntag stattfinden.
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„Die Partner haben uns ultimativ aufgefordert, noch mehr Sparlast zu akzeptieren“, sagte Tsipras. Diese Maßnahmen würden lediglich ein weiteres Schrumpfen der griechischen Wirtschaft bewirken. „Manche der Institutionen und der Partner haben wohl die Absicht, ein ganzes Volk zu demütigen“, warf Tsipras den Geldgebern vor. Am Samstag werde „das Parlament tagen, um diese Volksabstimmung zu genehmigen“, sagte der griechische Premier weiter. „Ich werde das Ergebnis Eurer Entscheidung akzeptieren“, sagte Tsipras. Griechenland werde am Samstag zudem eine kleine Verlängerung des laufenden Hilfsprogramms beantragen.
Zuvor hatte Tsipras erklärt die europäischen Prinzipien gründeten nicht "auf Erpressung und Ultimaten". Seine Regierung werde "im Namen des europäischen und griechischen Volkes weiter kämpfen". Sein Finanzminister Giannis Varoufakis sagte: "Wenn man von mir verlangt, ein eindeutig nicht lebensfähiges Abkommen zu unterschreiben, werde ich es nicht machen."
Endgültige Entscheidung am Samstag
Zuvor hatte es zunächst so ausgesehen als sei in die Verhandlungen zwischen der griechischen Regierung und ihren Gläubigern Bewegung gekommen. Am Rande des EU-Gipfels in Brüssel war ein neues Angebotspapier der Kreditgeber an Athen bekannt geworden. Nach diesem Vorschlag würde das am 30. Juni auslaufende Hilfsprogramm noch einmal um fünf Monate verlängert. Voraussetzung dafür wäre jedoch gewesen, dass die Regierung in Athen auf die Spar- und Reformvorschläge der Gläubiger eingeht, die sie auf dem Treffen der Eurogruppe am Donnerstag noch abgelehnt hatte. In Verhandlungskreisen hieß es am Freitag zunächst, die griechische Seite habe sich mittlerweile bewegt. In den abendlichen Meldungen klang das dann wieder ganz anders.
Eine endgültige Entscheidung fällt auf jeden Fall erst auf dem abermaligen Treffen der Euro-Finanzminister an diesem Samstag. Dieses ist mittlerweile von ursprünglich 17 Uhr auf 14 Uhr vorverlegt worden. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) äußerte sich im Vorfeld bereits skeptisch. „Ich kann nicht sagen, was das Ergebnis sein wird, es steht 50 zu 50“, sagte er auf einer Konferenz in Frankfurt. Man dürfe keinem Mitgliedstaat erlauben, „ohne Grenzen Geld auszugeben und andere Mitgliedstaaten dann dafür haften zu lassen“.
Drei Quellen für das Angebot der Gläubiger
Das jüngste, nun anscheinend schon wieder abgelehnte Angebot der Kreditgeber hatte zum Ziel, Griechenland mit den noch verfügbaren Mitteln des bestehenden Hilfsprogramms bis November zu finanzieren und in dieser Zeit über neue Hilfen zu verhandeln. Demnach benötigt Griechenland ein weiteres Drei-Jahres-Programm. In den kommenden fünf Monaten braucht Athen 15,5 Milliarden Euro. Es handele sich nicht um „neues Geld“, hieß es in Brüssel.
Das Angebot der Gläubiger speist sich aus drei Quellen. Aus Mitteln des Euro-Krisenfonds EFSF sind 8,7 Milliarden Euro veranschlagt. Es handelt sich zum einen um die letzte reguläre Kredittranche an Athen von 1,8 Milliarden Euro aus dem aktuellen Programm. Außerdem sollen aus den bisher für die Bankenrekapitalisierung zweckgebundenen Mitteln von 10,9 Milliarden 6,9 Milliarden Euro zu Gunsten des griechischen Staates umgewidmet werden, sodass für die maroden Banken nur noch 4 Milliarden Euro zur Verfügung stünden. Offen blieb zunächst, ob diese Kapitalspritze für die Finanzinstitute ausreicht. Unklar war auch, ob die Umwidmung der zweckgebundenen Mittel juristisch möglich ist.
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Weitere 3,5 Milliarden Euro sollen vom Internationalen Währungsfonds (IWF) kommen. Es handelt sich um jene Mittel, deren Auszahlung im Prinzip schon im vergangenen Herbst vorgesehen war, die wegen des schon damals erheblichen Reformrückstands aber zurückgehalten wurden. Vorgesehen ist schließlich die Freigabe bisher gesperrter Zinserträge aus dem Anleihenaufkaufprogramm (SMP) der Europäischen Zentralbank (EZB). Veranschlagt sind dafür aus dem vergangenen Jahr 1,8 Milliarden Euro und für dieses Jahr 1,5 Milliarden Euro.
Die SMP-Erträge aus dem vergangenen Jahr könnten gegebenenfalls sofort freigegeben werden. Mit ihnen könnte Athen die IWF-Kredite von 1,6 Milliarden Euro zurückzahlen, die schon am Dienstag fällig werden. Insgesamt bekäme Griechenland die Kredite bis November in vier Tranchen ausbezahlt.
Abgesehen davon, dass es mittlerweile nicht mehr danach aussieht, als wäre Alexis Tsipras bereit zu einer Annahme des neuesten Angebots: Selbst wenn es zur Einigung zwischen ihm und den Gläubigern kommt, muss auch das griechische Parlament zustimmen. Eine Billigung jedweder nun noch möglichen Einigung ist bis spätestens Montagmorgen notwendig. Denn danach müsste dann noch der Bundestag darüber beraten, ob er der Auszahlung neuer Mittel zustimmt. Ob Tsipras eine Mehrheit in seiner eigenen Koalition hat, ist fraglich. Oppositionsparteien haben allerdings angekündigt, für einen Kompromiss mit den Gläubigern zu stimmen.
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