Kampf gegen den ISAmerikanische Militärplaner hoffen auf „kriegsentscheidende Wende“
Amerika und die Türkei nähern sich an im Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“. Die Nutzung türkischer Stützpunkte ist für Washington dabei von großer Bedeutung - vor allem für den Einsatz bewaffneter Drohnen.
24.07.2015, von ANDREAS ROSS, WASHINGTON
Die Amerikaner kennen die Türkei seit langem als stolzen Partner, der sich auch der Nato-Führungsmacht nicht einfach unterordnet. 2003 war das Parlament in Ankara dem damaligen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan in den Rücken gefallen und hatte dessen Genehmigung an die Regierung von George W. Bush zurückgezogen, über die Türkei im Nordirak einzumarschieren. Dennoch waren Mitarbeiter der Regierung von Präsident Barack Obama im vorigen Sommer überrascht, wie hartnäckig der Verbündete sich weigerte, seine Luftwaffenstützpunkte für den Kampf gegen den „Islamischen Staat“ (IS) zu öffnen. Fast ein Jahr nach den ersten amerikanischen Luftangriffen auf IS-Stellungen im Nordirak soll sich das nun ändern. Die am Freitag von Präsident Erdogan bestätigte Bereitschaft der Türkei, amerikanische Kampfflugzeuge von den Stützpunkten Incirlik und Diyarbakir aus Angriffe in Syrien fliegen zu lassen, ist für das Pentagon von hoher taktischer Bedeutung. Sie ermöglicht eine Intensivierung des Kampfs gegen die Dschihadisten in Nordsyrien ohne Soldaten am Boden.
Der Stützpunkt Incirlik liegt nur etwa hundert Kilometer von der syrischen Grenze entfernt. Eine amerikanische Luftwaffeneinheit und andere Nato-Kräfte sind dort ständig stationiert, doch die Türkei hat volle Souveränität. Wegen tiefer Differenzen mit Washingtons Syrien-Politik hatte Ankara bisher nur den Start unbewaffneter Aufklärungsdrohnen erlaubt. Wenn deren Bilder Ziele für Luftschläge in Nordwestsyrien ermittelten, musste ein Kampfflugzeug aus dem Irak, Jordanien oder gar einem noch weiter entfernten Golfstaat oder einem Flugzeugträger angefordert werden. Dadurch ging viel Zeit verloren. Wenn die Amerikaner und ihre Partner den Stützpunkt Incirlik nahe der Stadt Adana nun auch für bemannte wie unbemannte Kampfflugzeuge nutzen dürfen, können nicht zuletzt bewaffnete Drohnen wesentlich länger über dem vom IS gehaltenen Territorium östlich der syrischen Stadt Aleppo kreisen, da sich ihr Weg zur „Tankstelle“ drastisch verkürzt. Manche Militärplaner in Washington sehen darin eine Chance für eine „spielentscheidende“ Wende im Kampf gegen den IS: Von einem „game changer“ sprach ein Regierungsmitarbeiter.
Türkei sieht sich zunehmend vom IS bedroht
In einem Telefonat am Mittwoch hatten die Präsidenten Obama und Erdogandie Einigung besiegelt. Die Details hatte der amerikanische Sonderbeauftragte John Allen kürzlich in Ankara ausgehandelt; zuvor hatte Vizepräsident Joe Biden bei Erdogan auf Entgegenkommen gepocht. Allen sagte, die alte türkische Forderung, eine Schutzzone in Nordsyrien einzurichten, in der sich Kräfte gegen das Regime von Präsident Baschar al Assad formieren können, seien nicht Gegenstand der Gespräche gewesen. Die Türkei stört sich daran, dass Obama in Syrien nur gegen den IS und andere militante Dschihadisten, nicht aber gegen das Regime von Präsident Baschar al Assad vorgehen will. Den amerikanischen Unterhändlern kam nun zupass, dass sich die Türkei zunehmend selbst vom IS bedroht sieht.
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Washington bekannte sich öffentlich vage dazu, die Türkei beim Kampf gegen das Einsickern von Dschihadisten aus Syrien zu unterstützen. Details über etwaige konkrete Zugeständnisse an die Türken wurden in Washington zunächst nicht bekannt. Verhandelt wird nach einem Bericht der Zeitung „Washington Post“ weiterhin darüber, ob türkische Soldaten im westlichen Grenzgebiet zu Syrien am Boden eingesetzt werden könnten, um Ziele für amerikanische Luftschläge zu markieren. Parallel bilden und rüsten die Vereinigten Staaten sogenannte moderate syrische Kämpfer dazu aus, am Boden Luftschläge anzufordern; in Washington wurde aber noch nicht der Befehl erteilt, die Kämpfer dazu einzusetzen.
Anfang Juli hatte Verteidigungsminister Ashton Carter mitgeteilt, dass bisher überhaupt erst 60 Kämpfer ausgebildet worden seien. Anfangs war als Ziel ausgegeben worden, jährlich 3000 bis 5000 Kämpfer auszubilden, um eine Truppe von 15.000 Mann zu bekommen. Laut Carter wird von 7000 Anwärtern der Hintergrund überprüft. Amerika fürchtet, dass Waffen in die falschen Hände gelangen könnten.
Im Irak haben nach Angaben des Pentagons derweil rund 3000 von amerikanischen Soldaten ausgebildete und ausgerüstete irakische Soldaten begonnen, Stellungen rund um die vom IS gehaltene Stadt Ramadi zu beziehen. In „einigen Wochen“ könne die Rückeroberung beginnen, an der keine Milizen teilnehmen sollen. Geplant ist amerikanische Luftunterstützung.
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