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Freitag, 24. Juli 2015
Netzwerk bis nach NordafrikaMafia plündert deutsche Solar-Kraftwerke
Das organisierte Verbrechen bedient sich im großen Stil an deutschen Solaranlagen. Die Branche reagiert mit Schweigen. Viele Fälle werden nicht zur Anzeige gebracht, manchmal kaufen die Betreiber sogar ihre eigenen Module zurück.
Es ist eine nächtliche Blitzaktion. Mit einem Bolzenschneider durchtrennen die Diebe den Zaun einer Photovoltaikanlage bei Schwerin und stehen vor tausenden, ungesicherten Solarmodulen. Sie montieren fast 200 Module ab, laden sie vermutlich in einen oder mehrere Kleintransporter und verschwinden. "Dafür haben die wohl höchstens zwei Stunden benötigt, für uns bedeutet das einen Schaden von 42.000 Euro", erzählt Thomas Werner. Der Haustechniker der Anlage hat den Diebstahl als erster bemerkt, als er am nächsten Tag die Anlage kontrolliert.
Die Professionalität der Täter lässt darauf schließen, dass hier keine Gelegenheitsdiebe am Werk waren. Das organisierte Verbrechen hat das Geschäft mit gestohlener Solartechnologie fest im Griff. In der Regel kundschaftet ein Team die Anlage aus, prüft Zugänge, Sicherheitstechnik und Fluchtmöglichkeiten. Ein zweites Team führt den Einbruch durch. Die Spezialisten wissen, wie sie die Module, Kabel und Wechselrichter schnellstmöglich abmontieren, ohne sie zu beschädigen.
Auch der Weiterverkauf der Solarmodule ist hochprofessionell organisiert, die Solar-Mafia hat mehrere Geschäftsfelder auf dem Schwarzmarkt geschaffen:
- Viele Module werden über Italien per Schiff nach Nordafrika geschmuggelt, wo sie zum Beispiel in Bewässerungsanlagen eingesetzt werden.
- Auch in Osteuropa gibt es einen großen Markt für geklaute Solarmodule, auch wenn die Diebe hier aufgrund verschärfter Kontrollen vorsichtig geworden sind.
- Das Geschäft floriert nicht nur im Ausland: Selbst deutsche Betreiber lassen bei ihren Konkurrenten stehlen, wenn diese besonders gefragte Module installiert haben.
Eine besonders perfider Geschäftszweig: Die Diebe verkaufen bestohlenen Anlagenbetreibern einfach ihre eigenen Module zurück. Denn Solarparks sind teilweise von staatlichen Fördergeldern abhängig. Gestohlene Module zu ersetzen, kann allerding mehrere Wochen dauern, weshalb viele Betreiber das Angebot der Diebe annehmen, ihre dringend benötigten Module zurückzukaufen.
"Jeder Porsche ist besser gesichert"
Auf dem Schreibtisch des Sachverständigen für Sicherheitstechnik Markus Piendl landen viele der großen Diebstähle. Die Betreiber seien selbst nicht ganz unschuldig, sagt Piendl. "Jeder Porsche in der Garage ist besser gesichert als eine Photovoltaikanlage. Oft haben wir Schäden von einer Viertelmillion Euro bei einem einzigen Diebstahl" sagt Piendl.
Meistens soll lediglich ein Zaun Diebe draußen halten. Kameras, Alarmanlagen und GPS-Tracker in den Modulen gibt es kaum. Dabei kosten verlässliche Sicherheitssysteme weniger, als Diebe bei einem einzigen Diebstahl an Schaden verursachen. Der Betreiber bemerkt einen Verlust oft erst, wenn die Anlage weniger Strom liefert als üblich. Die Täter sind dann längst verschwunden.
Dieben wird es in deutschen Solarkraftwerken leicht gemacht, und oft müssen sie nicht einmal mit einer Strafverfolgung rechnen. "Viele Betreiber fürchten, dass ihre Versicherung nach dem Diebstahl eine Aufrüstung der mangelhaften Sicherheitstechnik fordert oder den Vertrag kündigt" erklärt Markus Piendl. "Kleinere Diebstähle werden deshalb oft verschwiegen."
Italiens Mafia ist einen Schritt weiter
Die Rechnung für diese Unbekümmertheit: Mindestens 25 Millionen Euro Schaden pro Jahr allein durch die bekannt gewordenen Diebstähle und den Ausfall der betroffenen Anlagen. Den tatsächlichen Schaden schätzen Experten wegen der Verschwiegenheit der Branche allerdings auf ein Vielfaches. Besonders schmerzhaft für die Energieunternehmen ist der oft wochenlange Ausfall der Anlagen bis neue Module geliefert und montiert werden.
Die Solar-Mafia stiehlt allerdings nicht nur Solarmodule, sie soll auch eigene Solarparks in Italien betreiben. Die Branche dort gilt als noch verschwiegener und undurchsichtiger als in Deutschland. Oft ist es schwierig, überhaupt herauszufinden, wer der Eigentümer einer Anlage ist. Solarparks sollen in Italien deshalb auch zur Geldwäsche benutzt werden.
Quelle: n-tv.de
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