Staatsschatz
Putin steuerte Russland in die 1200-Tonnen-Gold-Falle
Russlands Präsident legte den Staatsschatz in Gold an. So wollte er sich von der Dollar-Herrschaft lösen – und vom Kursanstieg in Krisenzeiten profitieren. Wie sich zeigt, war das ein großer Fehler. Von Nando Sommerfeldt ,Holger Zschäpitz
Ideologie kostet. Diese Erfahrung muss Wladimir Putin derzeit machen. Der russische Präsident verfolgt seit Jahren das Ziel, sich vom Westen zu emanzipieren. Da wollte es so gar nicht in sein Weltbild passen, dass der russische Staatsschatz vor allem in Dollar investiert ist. Also sann er nach Alternativen.
Der Euro als zweitwichtigste globale Devise kam spätestens mit Ausbruch der Krim-Krise nicht mehr als Anlagemedium für Moskau in Betracht. Die Währung des ehemaligen Bruderlandes China, der Renminbi, ist bis heute nicht frei konvertierbar und scheidet damit als Reservewährung ebenfalls aus.
Für Putin blieb also nur noch eine Option – Gold. Das Edelmetall kennt keinen Hegemon, ist somit immun gegen politisch motivierte Manöver. Also kaufte der Kreml zielstrebig ein und schichtete seine Reserven konsequent um.
Goldbestände mehr als verdreifacht
Seit 2007 hat das Land seine Goldbestände mehr als verdreifacht. Waren es vor acht Jahren erst 400 Tonnen, die die Russen in den Tresoren bunkerten, ist der "Schatz" bis heute auf 1275 Tonnen gestiegen. Allein im Juni sind noch einmal 24,2 Tonnen hinzugekommen. Russland hält nunmehr die sechstgrößten Reserven des Edelmetalls weltweit. Nur die USA, Deutschland, Italien, Frankreich und China horten noch mehr Gold.
Doch der Kreml hat plötzlich einen neuen Gegner. Es ist nicht die Administration in Washington, die in der jüngsten Zeit den Dollar verstärkt dazu nutzt, die eigenen Machtinteressen weltweit durchzusetzen. Es sind die Launen des kapitalistischen Finanzmarktes, die Putins goldene Unabhängigkeits-Erklärung vom Westen zum teuren Abenteuer machen. Das Metall ist bei den Investoren aus der Mode gekommen und Putin muss mit ansehen, wie der russische Staatsschatz durch die Turbulenzen an den Rohstoff-Börsen kleiner und kleiner wurde.
Unzenpreis so niedrig wie seit 2010 nicht mehr
Zuletzt ist der Wert des Edelmetalls dramatisch eingebrochen. Der Unzenpreis fiel unter die Marke von 1100 Dollar und war damit so wenig wert wie zuletzt im März 2010. Das fatale für Putin: Seit Anfang 2014 hat der Goldpreis gut ein Fünftel verloren, das fällt just in die Zeit, da der russische Präsident wegen der Krim-Krise in einen regelrechten Kaufrausch geraten war.
Der Wertverlust für Putins Reich ist brutal. Der heutige Goldschatz der Russen ist mit 45 Milliarden Dollar gerade noch so viel wert wie im Herbst 2011. Allerdings hat Putin seither den Edelmetallhort um 439 Tonnen aufgestockt – ohne dass der gesamte Goldschatz auch nur einen Cent an Wert gewonnen hat.
Im Klartext: Legt man den aktuellen Unzenpreis zugrunde, hätte der Kreml-Chef gut 15 Milliarden Dollar verplempert. Für hiesige Maßstäbe scheint die Summe verkraftbar. Schließlich soll das kleine Griechenland weitere 94 Milliarden Dollar (86 Milliarden Euro) an Hilfsgeld bekommen. Für russische Dimensionen sind die 15 Milliarden Dollar allerdings viel Geld. Der gesamte Staatsschatz ist gerade noch 358 Milliarden Dollar wert, der Goldschwund hat damit rund fünf Prozent ausgelöscht.
Goldschmelze verhindert Aufschwungshoffnung
Der Zeitpunkt der Goldschmelze könnte nicht schlechter sein. Gerade konnte Putin noch Hoffnung schöpfen, die Rezession seiner Wirtschaft schnell hinter sich zu lassen. Nun macht ihm nicht nur der Goldpreis einen Strich durch die Rechnung. Der gesamte Rohstoff-Komplex befindet sich im Abwärtssog. Ablesen lässt sich das am Bloomberg Commodity Index, der von Gold über Kupfer bis Zucker die wichtigsten Schätze der Erde enthält. Dieser ist auf den tiefsten Stand seit zwölf Jahren gefallen.
Dabei ist die russische Ökonomie zum guten Teil von ihren Rohstoffexporten abhängig. Selbst vor den verhängten Sanktionen machten Öl, Gas und Erze drei Viertel der Ausfuhren des Landes aus. Wenn diese Devisen-Quelle jetzt weniger stark sprudelt, ist Putin umso mehr auf seine Reserven angewiesen.
Den Konflikt mit dem Westen konnte er sich nur dank des üppigen Staatsschatzes "leisten". Seit Beginn der Auseinandersetzungen musste die russische Notenbank rund 150 Milliarden Dollar der Notreserve auflösen, um die Firmen zu stützen, die ihre Dollar-Kredite nicht mehr bedienen konnte oder schlicht die milliardenschweren Abflüsse zu finanzieren.
Investoren und Unternehmen ziehen Kapital ab
In den vergangenen 15 Monaten sah sich das Land einer Kapitalflucht im Volumen von gut 200 Milliarden Dollar gegenüber. Ein Teil des flüchtigen Kapitals konnte über die Einnahmen aus den Ölverkäufen gedeckt werden, ein anderer Teil nur durch die Auflösung der Devisenreserven. Ohne seinen wertvollen Schatz hätte das Land längst Bankrott anmelden müssen.
Und es könnte noch schlimmer kommen. Die Investmentbank Goldman Sachs(Link: http://www.welt.de/themen/goldman-sachs/) rechnet damit, dass Gold schon bald unter die Marke von 1000 Dollar rutschen wird. "Die Stärke des Dollar wird anhalten und damit schwindet die Bedeutung des Goldes als Ersatzwährung weiter", begründet Goldman-Analyst Jeffrey Curie seinen Pessimismus und macht damit auf das größte Dilemma für Putin aufmerksam. Denn dessen ursprünglicher Plan, sich von der wichtigsten Währung des Westens loszusagen, ist damit ganz offenbar gescheitert.
Kreml im Gold gefangen
Doch ein Zurück gibt es für den Kreml nicht. Er ist regelrecht in der Gold-Falle gefangen. Die Milliarden sind nun im Edelmetall gebunden und lassen sich nicht so einfach für kurzfristige Hilfen mobilisieren. Müsste Putin einen Teil des Goldschatzes liquidieren, würde er den Goldpreis noch schneller auf Talfahrt schicken und damit sein Land weiter ruinieren. Das kann und wird er nicht tun.
Stattdessen muss er seiner anti-westlichen Linie treu bleiben, und hoffen, dass die russische Bevölkerung nicht merkt, dass die Ideologie ihres beliebten Präsidenten sie noch mehr Geld kostet.
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