Kursverfall in ChinaMachtlos gegen den Börsenabsturz
Der Aktienmarkt in Schanghai verliert so viel wie seit acht Jahren nicht. Anleger vertrauen offenbar nicht auf die Eingriffe der Regierung. In Frankfurt und New York zittern Händler.
27.07.2015, von HENDRIK ANKENBRAND, SCHANGHAI
Zwei Wochen lang war es relativ ruhig auf dem chinesischen Aktienmarkt. Doch mit der Ruhe war es am Montag vorbei: Die Kurse an der Schanghaier Börse fielen bis zum Handelsschluss um 8,5 Prozent – so heftig wie seit dem Jahr 2007 nicht mehr. In der Folge verlor der deutsche Aktienindex Daxebenfalls bis zum Nachmittag zwei Prozent.
Die Aktie des Volkswagen-Konzerns, der nach mancher Analystenrechnung bisher mehr als 60 Prozent seines jährlichen Nettogewinns mit dem Verkauf von Autos und Ersatzteilen nach und in China erzielt hat, gab um knapp 1,5 Prozent nach. Der Konzern hat im Reich der Mitte in den Monaten von Januar bis Juni zum ersten Mal seit einer Dekade weniger Autos verkauft als im Jahr zuvor. Auch die Händler an der Wall Street erwarteten wegen des Schanghaier Kurssturzes eine schwache Woche. An den westlichen Finanzmärkten wird vor allem eine Frage diskutiert: Legt nach Chinas Börse nun auch die chinesische Realwirtschaft eine harte Landung hin?
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Diese Interpretation hatten die schlechten Zahlen eines Einkaufsmanagerindexes für den Monat Juli genährt. Die schlechten Daten waren jedoch schon Ende vergangener Woche veröffentlicht worden und hatten keine starke negative Reaktion an den Börsen hervorgerufen. Dass die Gewinne der Industriekonzerne im Juni im Vergleich zum Vorjahresmonat leicht geschrumpft sind, wie das nationale Statistikamt am Montag in Peking mitteilte, war erwartet worden.
Ausschlaggebender für die Panikverkäufe zum Wochenbeginn ist folgende Interpretation: Die Anleger verlieren den Glauben daran, dass Chinas Regierung die Börse auf immer und ewig durch massive Eingriffe in den Markt stützen wird – und verkaufen.
Es ist eine Deutung, die sich am Montag indirekt auch die chinesischen Staatsmedien zueigen machten. Neben der amerikanischen Notenbank, deren Zinserhöhung auf sich warten lasse, machten die Sprachrohre der Regierung vor allem den Internationale Währungsfond (IWF), der wie die Fed seinen Sitz in Washington hat, für den abermaligen Kurssturz in China verantwortlich.
Zeitungsberichten zufolge hat der IWF Ende vergangener Woche die chinesische Regierung gedrängt, die massiven Eingriffe in den Aktienmarkt zur Kursstützung zurückzufahren und eine Ausstiegsstrategie zu präsentieren. Die chinesische Regierung hat nach den ersten Kursrückgängen im Juni über Zentralbank und staatliche Geschäftsbanken gigantische Summen in den Markt gelenkt und die Aktien großer Staatskonzerne in großem Umfang aufgekauft.
Auch 21 staatliche Brokerhäuser mussten sich zum Kauf der restlichen Aktien verpflichten, die noch übrig waren, nachdem 1400 Titel vom Handel ausgeschlossen wurden, was die Hälfte der Marktkapitalisierung darstellt. Zu guter Letzt hat das Ministerium für öffentliche Sicherheit Verkäufer von Aktien polizeilich verfolgen lassen.
Konflikt um Staatseingriffe
Staatliche Interventionen seien dann in Ordnung, falls Chaos auszubrechen drohe, soll der IWF Peking mitgeteilt haben. Generell dürften sich jedoch Preise, wie etwa für Aktien, allein durch die Marktkräfte bilden. Eine solche Mahnung seitens des IWF hätte Gewicht, weil der Währungsfonds in diesem Jahr über die Aufnahme des chinesischen Renminbi in den Korb der so genannten Sonderziehungsrechte entscheidet, was seinen Aufstieg zu einer Weltwährung erheblich beschleunigen würde. Doch zuvor müsste Peking seine Finanzmärkte weiter öffnen. Mit der Staatsintervention passiert jedoch derzeit das Gegenteil.
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Die „Volkszeitung“, das Sprachrohr von Kommunistischer Partei und Regierung, hat erst in der vergangenen Woche in einem langen Leitartikel die Eingriffe verteidigt und betont, dass der Staat abermals die Aktienkurse „ohne zu zögern“ steuern werde, wenn dies „notwendig“ sei. Dies sei eine „internationale Norm“, westliche Regierungen hätten nach dem Fall der Lehman-Bank ebenso in den Markt eingegriffen und Leerverkäufe verboten. Dass der damalige Chef der Börsenaufsicht SEC damals kurz nach dem Leerverkaufs-Verbot die nur kurzfristig wirkende Maßnahme als „größten Fehler meiner Amtszeit“ bezeichnet hatte, schrieb die „Volkszeitung“ allerdings nicht.
Andere chinesische Medien berichten derweil immer häufiger über Anleger, die wütend über die Rolle der Regierung im Aktienmarkt sind. Das renommierte Wirtschaftsmagazin Caixin berichtete am Montag von einem Fondsmanager, der am vergangenen Mittwoch in Peking von einem Hochhaus sprang. Der langjährige Händler galt demnach als depressiv. In den zurückliegenden Wochen hatte er öffentlich die Regierung angeklagt, die ein Jahr währende Hausse, in der die Kurse an Chinas Börsen um 150 Prozent gestiegen waren, künstlich fabriziert und nach dem Crash fatale Interventionsschritte eingeleitet und so den Markt zerstört zu haben. Der Suizid des Händlers, wurde in Chinas sozialen Medien breit diskutiert.
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