VerfassungsgerichtsurteilSchuldenschnitt der Hypo Alpe ist verfassungswidrig
Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat den Schuldenschnitt bei der Hypo Alpe Adria kassiert. Jetzt schöpfen deutsche Banken und Versicherer wieder Hoffnung - und für Österreich könnte es noch teurer werden.
28.07.2015, von CHRISTIAN GEINITZ, WIEN UND MARKUS FRÜHAUF
Die Chancen, dass deutsche Banken und Versicherer ihre Forderungen von 7 Milliarden Euro an die österreichische Krisenbank Hypo Alpe Adria nicht völlig abschreiben müssen, sind gestiegen. Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat am Dienstag den vor einem Jahr gesetzlich verfügten Schuldenverzicht über insgesamt 1,7 Milliarden Euro gekippt. Die staatliche Abwicklungsbank der Hypo Alpe Adria, die Heta, wird dadurch mit 800 Millionen Euro belastet. Zur Begründung hieß es, dass das vom Parlament verabschiedete Sondergesetz einen „Verstoß gegen das Grundrecht auf Schutz des Eigentums“ bedeute. Das Gesetz werde vollständig aufgehoben und könne auch nicht nachträglich „repariert“ werden.
Autor: Christian Geinitz, Wirtschaftskorrespondent für Ostmittel- und Südosteuropa mit Sitz in Wien. Autor: Markus Frühauf, Redakteur in der Wirtschaft.
Deutsche Banken und Versicherer, die zu den Hauptgläubigern der Heta gehören, zeigten sich erleichtert. Sie hoffen, dass jetzt auch das im März dieses Jahres verhängte Moratorium auf weitere Hypo-Schulden von 10 Milliarden Euro annulliert wird und dass sich ein weitererSchuldenschnitt abwenden lässt. Das Gericht machte aber klar, dass die Behandlung des dafür zugrundeliegenden Bankensanierungsgesetzes einem separaten Verfahren obliege. Seit März bedient die Heta diese Verbindlichkeiten, im Wesentlichen Anleihen, nicht mehr. Dieses Moratorium läuft bis Mai 2016. Offenbar plant die österreichische Regierung einen Schuldenschnitt von 50 Prozent. Nach dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs dürfte dies aber nun schwerer fallen. Denn die Verfassungsrichter machten klar, dass auch hier die Forderungen der Gläubiger nicht einfach für erloschen erklärt werden könnten.
Kärnten kann die Schulden nicht mehr bedienen
Im Sommer 2014 wollte die österreichische Regierung erstmals Hypo-Schulden streichen. Dabei handelte es sich um Nachranganleihen, die vom österreichischen Bundesland Kärnten garantiert wurden, und um Forderungen des früheren Eigentümers, der Bayerischen Landesbank, über 800 Millionen Euro. Seit drei Wochen arbeiten die bayerische und die österreichische Regierung an einer außergerichtlichen Einigung. Österreich schlägt der Bayern LB eine Zahlung von 1,23 Milliarden Euro vor. Insgesamt hat das Münchner Institut aber noch Forderungen von 2,7 Milliarden Euro.
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Das Bundesland Kärnten hatte die Schulden der Hypo Alpe Adria in der Spitze mit 25 Milliarden Euro garantiert, also mit mehr als dem Zehnfachen des Landeshaushalts. Das Institut war ein wichtiges Machtinstrument des früheren und inzwischen verstorbenen Landeshauptmanns Jörg Haider. Da Kärnten dafür nicht mehr bürgen kann, greift die österreichische Regierung nun zu dem Mittel eines Schuldenschnitts. Wien muss das Bundesland darüber hinaus mit Notkrediten vor der Insolvenz bewahren. Insgesamt hat die Skandalbank die österreichischen Steuerzahler 5,5 Milliarden Euro gekostet. Die ehemalige Kärntner Landesbank Hypo Alpe Adria hatte sich auf dem Balkan derart verhoben, dass sie vor der Insolvenz stand. Die Bayern LB hatte das Kärntner Institut im Jahr 2007 gekauft. Zwei Jahre später musste es in einer Art Notverstaatlichung 2009 an die österreichische Zentralregierung verkauft werden. Nach eigenen Angaben kostete dies die Bayern LB 3,7 Milliarden Euro.
Deutsche Banken fühlen sich bestätigt
Für Österreich droht die Hypo-Rettung noch teurer zu werden. Denn die Heta befindet sich in einem desolaten Zustand. Ihr fehlen 7 Milliarden Euro an Kapital. Nun kommen weitere Belastungen hinzu, weil die Verfassungsrichter den ersten Schuldenschnitt untersagt haben. Haftungserklärungen eines Bundeslandes dürften nicht im Nachhinein durch Gesetze zunichtegemacht werden, erklärten sie. Das Gericht monierte zudem, dass die Gläubiger ungleich behandelt worden seien: Gemäß einer Stichtagsregelung sollten Verbindlichkeiten, die vor Ende Juni 2019 fällig würden, erlöschen, spätere Forderungen jedoch nicht. Ein „Haftungsschnitt“ nur für bestimmte Anleger, in diesem Falle die Nachranggläubiger, sei verfassungswidrig, stellten die Richter klar. Geklagt hatten gegen die Regelungen unter anderem die Bayern LB, die österreichischen Versicherungen VIG und Uniqa sowie eine Tochtergesellschaft der Weltbank.
Die deutschen Banken fühlen sich durch das Urteil bestätigt. Der Verfassungsgerichtshof habe einen gravierenden, dauerhaften und in seinen Folgen unabschätzbaren Vertrauensverlust für Österreich abgewendet, erklärte Liane Buchholz, Hauptgeschäftsführerin vom Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB), dem die Landesbanken angehören. Sie sprach von einem klaren Stop-Signal, das nun auch zum Umdenken beim immer noch fortbestehenden Moratorium anregen sollte. Nach Ansicht der privaten Banken hat das Hypo-Alpe-Adria-Sondergesetz gegen die EU-Kapitalverkehrsfreiheit und gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. „Gleiches gilt aus unserer Sicht auch für das Moratorium über die Heta“, sagte Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer vom Bundesverband deutscher Banken (BdB). Auf eine Entscheidung darüber müssen die deutschen Gläubiger noch warten. Buchholz sieht die österreichische Regierung aber unter Druck: Verlorengegangenes Vertrauen bei nationalen und internationalen Investoren zurückzugewinnen stellt ihrer Ansicht nach eine Herkules-Aufgabe dar. „Regeln gelten für alle und können im laufenden Spiel nicht geändert werden“, sagte sie.
Gegen das Moratorium haben einige deutsche Banken schon geklagt. Andere wollen zunächst mit der österreichischen Regierung sprechen.
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