Bewertung italienischer Staatsanleihen: Die seltsamen Maßstäbe der EZB
Wenn es um die Bewertung von Anleihen geht, will die EZB unabhängig und transparent sein. Doch das gelingt nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen nicht immer. Bei vielen italienischen Staatspapieren stützt sich die Notenbank auf eine Bonitätsnote, die laut der Rating-Agentur gar nicht für diese Anleihen gilt.
Hamburg - Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit sind zwei wichtige Säulen, auf denen eine erfolgreiche Notenbankpolitik ruht - da sind sich die Experten einig. Aber verlässlich und glaubwürdig wem gegenüber? Den Bürgern? Den Banken? Den Regierungen?
Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE misst die Europäische Zentralbank (EZB) teilweise mit sehr ungewöhnlichen Maßstäben, wenn es um die Bewertung von Staatsanleihen geht, die Banken als Sicherheit für Kredite bei ihr hinterlegen. Konkret geht es um 116 italienische Staatspapiere ohne Zinscoupon, sogenannte Stripped Bonds oder kurz: Strips. Sie werden aktuell von der EZB und der nationalen italienischen Notenbank mit der Note "A" bewertet - obwohl die Noten der Rating-Agenturen dies eigentlich nicht hergeben.Durch die "A"-Bewertung begünstigt die EZB all jene Banken, die solche Papiere als Sicherheiten einreichen, wenn sie sich bei der Notenbank Geld leihen. Das dürften vor allem italienische Finanzinstitute sein. Je schlechter die Ratings ausfallen, desto höher sind die Abschläge, die die Notenbank auf eingereichte Staatsanleihen vornimmt. Die Banken können sich mit einer "A"-Bewertung also mehr Geld leihen als mit einer schlechteren Note.DBRS hat die Papiere nie bewertet
Bei der Bewertung von Sicherheiten stützt sich die EZB auf die Noten von vier Rating-Agenturen. Während die großen Gesellschaften S&P, Moody's und Fitch Italiens Kreditwürdigkeit längst auf einen "B"-Status heruntergestuft haben, sichert bisher einzig die kleinere Agentur DBRS die "A"-Bewertung der 116 italienischen Strips-Anleihen in den Listen der EZB.
Das Problem: Die Agentur selbst hat gegenüber SPIEGEL ONLINE erklärt, dass ihre Ratings für Strips gar nicht anwendbar seien: "DBRS bewertet aktuell keine Strips in Europa, Asien oder den Vereinigten Staaten, da wir hier noch eine klare analytische Entscheidung hinsichtlich derer Kreditwürdigkeit treffen müssen."
Eigentlich hatte DBRS die betroffenen italienischen Staatsanleihen auch nie im Einzelnen bewertet. Sie hatten ihre sehr gute Einstufung der Tatsache zu verdanken, dass die italienische Notenbank stattdessen das besagte Länder-Rating von DBRS für Italien herangezogen hatte - und das, obwohl die Rating-Agentur Fitch bereits 107 gleichartigen italienischen Anleihen ein "B" verpasst hatte.
Plötzlich schweigt die Agentur
Bei Stripped Bonds handelt es sich um Wertpapiere ganz besonderer Art: Die Ableger von festverzinslichen Anleihen werden verkauft, um mit den erzielten Einnahmen die fälligen Zinsen für andere Wertpapiere zu bezahlen. Außerdem haben sie einen sogenannten Zero Coupon: Die Rendite für diese Strips mit zum Teil langer Laufzeit wird erst bei deren Fälligkeit ausbezahlt, bis dahin sieht der Anleger in solchen Papiere kein Geld. Der Gewinn des Anlegers ergibt sich aus der Differenz des Kaufpreises und der Rückzahlung bei Fälligkeit der Anleihe. Es ist also eine Anlage, die viel Vertrauen des Käufers in die zukünftige Zahlungsfähigkeit des Verkäufers voraussetzt. In diesem Fall gilt das Vertrauen künftiger italienischer Regierungen. Und das muss lange währen: 56 dieser Strips haben Restlaufzeiten von mehr als zehn Jahren, 30 davon werden nicht vor 20 Jahren ausgezahlt, die drei letzten erst 2041.
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So etwas nennt man wohl eine Notbremse.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/bewertung-von-staatsanleihen-die-seltsamen-massstaebe-der-ezb-a-930098.html
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