UnternehmensanleihenGanz normale Fonds werden gefährlich
30.11.2013 · Anleger haben Milliarden in Fonds investiert, die auf Firmenanleihen setzen. Deren Kurse steigen und steigen. Kann das gutgehen? Betroffen sind nicht nur unter Anlagedruck stehende Großinvestoren, sondern auch Privatanleger.
Von DENNIS KREMER
Wenn Notenbanker eine Warnung aussprechen, tun sie dies nie laut, sondern stets mit Zurückhaltung. Nie offen, sondern verklausuliert. Die Bundesbank hat es in dieser Disziplin zu einiger Meisterschaft gebracht.
Alle vier Wochen gibt sie ihre Einschätzungen en détail in einem mehr als hundert Seiten umfassenden „Monatsbericht“ heraus, der wegen seiner vielen Fachbegriffe auf den ersten Blick nicht gerade ein großes Leseabenteuer verspricht. Wer sich aber in der November-Ausgabe bis auf Seite 44 zum Unterkapitel „Anleihen“ durchkämpft, findet dort einige bemerkenswerte Sätze, die bei genauerer Analyse Anleger beunruhigen sollten.
Eine „erneut gesunkene Risikoaversion der Marktteilnehmer“ sei zu beobachten. Und angesichts der derzeit niedrigen Leitzinsen in Europa und Amerika gebe es eine „anhaltende Suche der Investoren nach Rendite“. Was so harmlos klingt, drücken Vermögensverwalter wie Marco Herrmann von der Münchner Gesellschaft Fiduka drastischer aus: „Anleger kaufen zurzeit wie verzweifelt jede Firmenanleihe, die sie bekommen können.“
Suche nach Rendite um jeden Preis, kaum noch Angst vor Risiken – wenn beides zusammenkommt, ist an den Finanzmärkten oft eines nicht mehr fern: die Gefahr einer Preisblase. Dies ist die Angst, die sich hinter den verklausulierten Sätzen der Bundesbank verbirgt und die auch viele Profianleger derzeit umtreibt: dass die Kurse von Unternehmensanleihen in naher Zukunft kräftig fallen könnten. Richtig gehört, von Unternehmensanleihen. Denn auch wenn derzeit alle Welt besonders auf die Rekordjagd am Aktienmarkt schaut und über die Möglichkeit eines Rückschlags debattiert, macht sich die Mehrzahl der Profis ganz andere Sorgen: In einer Umfrage der Fondsgesellschaft Allianz Global Investors gaben fast 70 Prozent an, dass sie die größte Gefahr einer Blase bei Anleihen sehen - und zwar mitnichten nur bei Staatsanleihen, sondern mindestens genauso bei Firmenanleihen.
Kein Puffer gegen Verluste
Nun könnte sich mancher Privatanleger fragen: Was bitte hat dies mit mir zu tun? Eine ganze Menge. Rund 160 Milliarden Euro haben die Deutschen derzeit in Anleihefonds investiert, die auch auf Firmenanleihen setzen. Und 9,2 Milliarden Euro sind diesen Fonds allein in diesem Jahr zugeflossen. Erleiden Anleihen Kursverluste, trifft das also auch alle Privatanleger, die dort ihr Geld investiert haben.
Doch was genau bedeutet das eigentlich, eine Blase? Und wie sicher ist es, dass sie gerade auf dem Markt für Firmenanleihen bald zerplatzen wird? Die erste Frage ist leicht zu beantworten - allerdings nur in der Theorie: Eine Blase entwickelt sich stets, wenn der Preis für Wertpapiere kaum noch etwas mit der wirtschaftlichen Lage der Firmen zu tun hat, die die Papiere ausgegeben haben. Platt gesagt: Anleger greifen quasi blind zu und kaufen alles, was sie kriegen können.
Die Antwort auf die zweite Frage ist noch schwieriger, ja eigentlich unmöglich. Denn in der Geschichte der Kapitalmärkte hat sich eines stets gezeigt: Wann genau eine Blase zum Zerbersten kommt, weiß im Vorhinein niemand. Kein leichtes Geschäft also. So kann auch bei Firmenanleihen niemand sagen, wann genau es zum großen Knall kommen wird. Aber es gibt Indizien dafür, dass es so kommen wird.
Das erste Indiz beschreibt Vermögensverwalter Herrmann so: „Bei vielen Anleihen erhalten Anleger kaum noch eine Kompensation für das Risiko, das sie eingehen.“ Ein Beispiel: Die jüngste Anleihe des Chemiekonzerns BASF bietet Investoren bei fünfjähriger Laufzeit gerade einmal einen Zinskupon von 1,5 Prozent. Nun zählt das Unternehmen zu den solidesten der Bundesrepublik - wo soll da das Risiko sein? Ganz einfach: Bei einem so niedrigen Zinssatz reicht schon ein minimaler Kursrückgang von mehr als 1,5 Prozent aus, um ein schlechtes Geschäft zu machen - die Einbuße lässt sich durch die Zinseinnahmen dann nicht mehr kompensieren. Mit anderen Worten: Es gibt so gut wie keinen Puffer gegen Verluste.
Anleihen mit der schlechteste Ratingnote werden gekauft
Das gilt für die meisten soliden Firmenanleihen in Europa: Im Schnitt bringen sie bei fünfjähriger Laufzeit derzeit gerade einmal 1,9 Prozent Rendite ein. Vor zwei Jahren waren dies noch mehr als drei Prozent. Das klingt nicht nach einer großen Veränderung, ist aber bei Anleihen eine gewaltige Verschiebung. Da sich deren Kurse stets entgegengesetzt zu den Renditen entwickeln, heißt das im Umkehrschluss nämlich: Die Kurse sind gestiegen, als gäbe es kein Morgen.
Warum aber ignorieren die Investoren solche Risiken? Weil sie, und das ist Indiz Nummer zwei, faktisch dazu gezwungen sind. Denn oft verlangen die Anlagerichtlinien gerade von Großinvestoren wie Versorgungswerken, dass diese nur Anleihen mit einer guten Ratingnote kaufen dürfen. Die Auswahl sollte zwar eigentlich groß genug sein: In diesem Jahr kommen schließlich so viele Firmenanleihen auf den Markt wie seit 2009 nicht mehr. Doch das Problem ist: Selten wurden gleichzeitig so viele Anleihen fällig, allein bei Firmenanleihen sind es nach Angaben der Ratingagentur Moody’s im kommenden Jahr in Deutschland Papiere mit einem Volumen von mehr als 42 Milliarden Euro. Diese frei werdenden Gelder müssen wieder angelegt werden – zu Bedingungen, die die Unternehmen mehr oder weniger diktieren können. Schließlich würde das Geld auf dem Bankkonto überhaupt keine Zinsen einbringen. „All das kann zu einer ungesunden Risikoverlagerung auf die Investoren führen“, sagt Uwe Burkert, Leiter Anleiheanalyse der Landesbank Baden-Württemberg. Klar ausgedrückt: Der Anlagedruck ist so riesig, dass die Investoren fast alles mit sich machen lassen. Auch das ist Zeichen einer Blase.
Wozu die Anlagenot außerdem führt, zeigt ein Blick auf eine spezielle Art von Firmenanleihen, die lange wegen ihres hohen Risikos als verpönt galten - sogenannte High-Yield-Anleihen. Dazu zählen Anleihen von Unternehmen, die die Ratingagenturen als hochriskant einstufen. Früher trauten sich nur Spezialisten an die Papiere heran, mittlerweile scheint die Investoren auch dieses Risiko nicht mehr zu schrecken: Haben sie (wie viele Fondsgesellschaften) keine strengen Anlagerichtlinien, kaufen sie derzeit sogar Anleihen mit der Bewertung „CCC“, um sich höhere Renditen zu sichern. Das ist die schlechteste Ratingnote, die es gibt - fallen die Papiere aus, sehen Anleger ihr Geld in aller Regel nicht wieder. Dennoch wurden nie so viele „CCC“-Anleihen begeben wie in diesem Jahr.
Aktien schlagen Anleihen
Trotz all dieser Anzeichen: Bislang hat sich der Markt wenig darum gekümmert. Muss die Blase also bald platzen? Nicht in jedem Fall. Aber ein starker, allgemeiner Renditeanstieg (ausgelöst etwa durch eine Abkehr der amerikanischen Fed von ihrer Niedrigzinspolitik) hätte dramatische Folgen: Firmenanleihen mit niedrigen Zinskupons würden auf einmal unattraktiv und drastisch im Kurs fallen.
Zwar brauchen sich Investoren, die einzelne Anleihen kaufen und diese bis zum Ende der Laufzeit halten wollen, um solche Kursrückschläge nicht zu scheren. Denn sofern die Unternehmen nicht in die Insolvenz schlittern, zahlen sie die Papiere zu einem Kurs von 100 Prozent zurück. Leiden aber würden viele Anleihefonds – schließlich sieht es ihr Geschäftsmodell vor, an steigenden Kursen zu verdienen und Anleihen eben nicht bis zur Fälligkeit zu halten. Alle Sparer, die ihr Geld dort investiert haben, käme dies teuer zu stehen.
Privatanleger können darum Folgendes tun: Haben sie schwache Nerven und besitzen Anteile an einem Fonds, der stark auf High-Yield-Anleihen setzt, sollten sie über einen Verkauf nachdenken. Auch ein Blick in den monatlichen Fondsbericht kann helfen: Dort ist die durchschnittliche Laufzeit aller Anleihen (Duration) angegeben, in die der Fonds investiert. Je niedriger sie ausfällt, desto besser kann der Fonds Kursverluste abfedern. Wer lieber nach Alternativen sucht, kann sich Aktien ansehen: Trotz stärkerer Schwankungen schlagen Aktien von soliden Firmen wie BASF deren Anleihen in der Wertentwicklung um Längen (siehe Grafik). Dass wie im Falle des angeschlagenen Stahlkonzerns Thyssen-Krupp die Anleihe vor der Aktie liegt, ist dagegen die absolute Ausnahme.
Jetzt zu handeln kann jedenfalls nicht schaden. Denn wie gesagt: Wann genau die Blase platzt, weiß man immer erst hinterher.
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