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Freitag, 2. Mai 2014

Trading With the Enemy Act // Das US-Justizministerium strebt nach Angaben von Sachkennern ein Strafverfahren gegen BNP Paribas an, weil diese Wirtschaftssanktionen gegen den Iran umgangen haben soll.

USA planen Strafverfahren gegen BNP Paribas und Credit Suisse

Europäischen Großbanken droht mit einem solchen Doppelschlag der Verlust der Geschäftslizenz in den USA.

    Von ANDREW R. JOHNSON, ANDREW GROSSMAN und CHRISTOPHER M. MATTHEWS
[image]AFP
Skyline von Manhattan: Von hier aus planen US-Staatsanwälte einen Doppelschlag gegen zwei europäische Großbanken, die mit dem Verlust ihrer US-Geschäftslizenz rechnen müssen.
US-Ermittler drohen in einem Doppelschlag mit Strafverfahren gegen zwei europäische Großbanken – ein bisher einmaliges Vorgehen, das für die Bankenszene ein Supergau wäre. Noch allerdings suchen Regierungsbeamte unter Federführung des US-Justizministeriums nach Wegen, um die katastrophalste Folge einer doppelten Strafanzeige zu verhindern: ein Verlust der Geschäftslizenz der französischen BNP Paribas BNP.FR -3,20% und der Schweizer Credit Suisse Group CSGN.VX -0,32% .
Das US-Justizministerium strebt nach Angaben von Sachkennern ein Strafverfahren gegen BNP Paribas an, weil diese Wirtschaftssanktionen gegen den Iran umgangen haben soll. Die Credit Suisse hingegen soll US-Kunden bei der Steuerhinterziehung geholfen haben.
Wie eine gut informierte Person mitteilt, hat die Finanzaufsichtsbehörde des Bundesstaates New York im Fall der BNP Paribas in Gesprächen mit Strafverfolgern und Aufsehern durchblicken lassen, dass sie die New Yorker Handelsgenehmigung der Bank nicht einziehen würde, wenn die Bank andere Strafen bekäme. Die BNP Paribas könnte nach Angaben der informierten Person etwa ihre Berechtigung verlieren, Geschäfte über ihre New Yorker Büros abzuwickeln. Außerdem müssten einzelne Angestellte mit Strafen rechnen.
Die US-Notenbank Federal Reserve, die ebenfalls die Banken in den USA reguliert, habe sich allerdings noch nicht entschieden, ob sie die Geschäftslizenzen der Bank intakt lassen würde, sagen mit der Angelegenheit vertraute Personen.
Sprecher von BNP und Credit Suisse lehnten einen Kommentar ab. Ein Sprecher der Credit Suisse hatte zuvor gesagt, dass die Bank weiterhin daran arbeite, die Ermittlungen des Justizministeriums in den steuerbezogenen Angelegenheiten aufzuklären.
US-Justizminister Eric Holder macht nach Auskunft eines Insiders seit einiger Zeit Druck auf die Ermittler, die endlich festlegen sollen, wie die Banken zu einem Schuldeingeständnis in den Strafverfahren gebracht werden könnten. Ein derartiger Schritt käme aber einer strafrechtlichen Verurteilung gleich. Und die Strafverfolger fürchten schon, dass Aufsichtsbehörden wie die Fed und das New York State Department of Financial Services den Banken ihre Geschäftslizenzen für die USA entziehen könnten, heißt es aus gut unterrichteten Kreisen.
Die New York Times berichtete erstmals über mögliche Strafanzeigen.
Die Debatte zeigt, zwischen welch gegensätzlichen Zielen die Aufsichtsbehörden und Strafverfolger lavieren: Sie wollen einerseits zwar die großen Finanzsünder bestrafen, andererseits aber nicht das Finanzsystem schädigen. Selbst wenn eine Bank ihre Geschäftslizenzen letztlich behalten dürfte, ist unklar, ob sie ein Strafverfahren überleben würde. Kunden könnten trotzdem abwandern – etwa wenn es ihre eigenen Regeln verbieten, mit verurteilten Firmen Geschäfte zu machen, oder wenn sie den Eindruck bekommen, dass der angeschlagene Ruf der Kreditinstitute auf sie abfärben könnte.

Anwälte sprechen von potenziell katastrophischen Folgen

„Es ist ein komplett unbekanntes Terrain", sagt Andrew Sandler, geschäftsführender Partner der Kanzlei Buckley Sandler, die Banken vertritt. „Es gibt da viele potenziell katastrophische" Auswirkungen, „die wahrscheinlich noch gar nicht vollständig durchdacht sind".
Der BNP Paribas drohen Strafzahlungen von rund 2 Milliarden US-Dollar sowie ein Strafverfahren wegen Verletzung von US-Wirtschaftssanktionen gegen den Iran und andere Länder. Das berichtet eine Person, die unmittelbar mit der Angelegenheit vertraut ist. Der Vorstoß ist Teil eines Schlags der amerikanischen Behörden gegen Gesetzesbrecher aus der Finanzwelt, der zunehmend an Tempo gewinnt und europäische Banken in Unruhe versetzt.
Als die Strafverfolger der Bezirksstaatsanwaltschaft von Manhattan im Jahr 2009 ihre Ermittlungen gegen die Bank aufnahmen, waren sie von der Ungeheuerlichkeit und dem Volumen an Handelsgeschäften, welche die US-Sanktionen brachen und trotzdem von der Bank abgewickelt wurden, entsetzt, sagt eine weitere gut informierte Person.
Die Ermittler der Bundesstaatsanwaltschaft in Manhattan stießen im Jahr 2010 zu dem Untersuchungsverfahren gegen die BNP hinzu, und nach Angaben einer gut unterrichteten Person prüfen beide Ermittlungsbehörden seit Anfang dieses Jahres, ob sie Strafanzeige gegen den Mutterkonzern von BNP stellen können. Aber während sie das berieten, hatten sie stets auch die Warnungen von Bankvorständen und ihren Anwälten im Ohr, dass ein Strafverfahren ein Finanzinstitut in den Bankrott treiben könnte.
In den vergangenen Wochen hätten sich die Strafverfolger mit den zuständigen Aufsichtsbehörden der BNP getroffen, um dafür zu sorgen, dass die Bank infolge eines Strafverfahrens nicht ihre Geschäftslizenz für die USA verliere, sagt ein Sachkenner. Dieser Insider mahnt jedoch, dass die Verhandlungen noch laufen und eine Einigung nicht sicher sei.

Die Strafverfolger verlieren zunehmend die Geduld

Die Tatsache, dass die Aufsichtsbehörden sich bisher nicht in der Lage sahen zu versichern, dass sie gegen Banken im Falle eines Schuldeingeständnisses nicht vorgehen würden, frustriert die Strafverfolger und ist mit ein Grund dafür, dass sie Banken in ihren jüngsten Untersuchungsverfahren bisher nicht strafrechtlich angezeigt haben. Jetzt aber erhöhen die Ermittler den Druck auf die Aufsichtsbehörden: Sie sollen ihnen klare Antworten geben, was ein Strafverfahren oder ein Schuldeingeständnis der Banken für Konsequenzen hätte.
Die Staatsanwälte erwägen nach Angaben einer mit der Sache vertrauten Person außerdem, die Banken unter verschiedenen anderen US-Wirtschaftssanktionsgesetzen anzuklagen, darunter dem International Emergency Economic Powers Act und dem Trading With the Enemy Act. Ein Verfahren unter dieser Rechtsprechung hätte jedoch nicht automatisch Strafzahlungen zur Folge.
Für BNP und Credit Suisse bliebe noch die Möglichkeit, dass sich die Staatsanwälte und Aufseher auf einen gemeinsamen Vergleich einlassen, in dem sie eine Aussetzung der Strafverfolgung vereinbaren müssten. Dann würde eine strafrechtliche Verurteilung verhindert, sofern die Banken bestimmte Bedingungen einhielten. Wann ein möglicher Vergleich mit der BNP geschlossen werden könnte, ist unklar. Eventuell könnte es aber schon im kommenden Monat einen solchen Pakt geben, sagt eine eingeweihte Person.
Kontakt zum Autor: redaktion@wallstreetjournal.de

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