Dienstag, 23. Juni 2015
Wer das Geld hat, hat die MachtEntscheidet Draghi über die Schuldenkrise?
Einer der wichtigsten Akteure in der griechischen Schuldenkrise hält sich derzeit mit Statements zurück: EZB-Chef Mario Draghi. Dabei haben die anderen Mitspieler keinen Verhandlungsspielraum mehr, wenn er den Geldhahn zudreht.
Drei Anhebungen in drei Tagen: Die Europäische Zentralbank hat erneut den finanziellen Notkreditrahmen der sogenannten ELA-Hilfen (Emergency Liquidity Assistance) erweitert – Medienberichten zufolge um fast eine Milliarde auf nun annähernd 89 Milliarden Euro.
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Angesichts der massiven Kontoabhebungen der Griechen füllt die EZB seit vergangenem Mittwoch regelmäßig die Geldautomaten wieder auf. Und steht für weitere Aktionen bereit: "Die EZB wird per Telefonschaltung jederzeit zusammentreten, wenn es nötig ist", zitiert "Die Welt" einen griechischen Bankoffiziellen. In der vergangenen Woche haben die Griechen jeden Tag rund eine Milliarde Euro von ihren Konten abgehoben. Am Montag sei das Volumen aber auf 500 bis 700 Millionen Euro zurückgegangen, hieß es aus Bankkreisen.
Was die weltweiten Börsen, Politiker und griechischen Bürger beruhigt, kommt in der EZB selbst nicht gut an. Ginge es nach einigen EZB-Notenbankern, darunter Bundesbankchef Jens Weidmann, wäre dieser Geldfluss schon lange unterbrochen worden. Denn die Gelder, die seit vier Monaten von der EZB wöchentlich und nun scheinbar täglich bewilligt werden, sollten eigentlich keine Dauerfinanzierung darstellen.
Der ursprüngliche Grund für die Ausgabe der ELA war die schwache Bonität der griechischen Anleihen. Seit Mitte Februar wollte die EZB die Bonds nicht mehr als Pfand für frisches Zentralbankgeld akzeptieren. Seitdem müssen die griechischen Banken den Umweg über die ELA-Notfallhilfen gehen, die aber um einiges teurer als der Leitzins der Euro-Zone sind.
Der Solvenz-Trick
Doch wie kann es sein, dass die Nothilfen überhaupt verteilt werden? Schließlich dürfen sie laut EZB-Regelwerk nur vergeben werden, wenn die erhaltenden Banken solvent sind – was Experten bei den griechischen Instituten stark in Zweifel ziehen. Alles eine Frage der Sichtweise: Solange es eine fundierte Aussicht auf eine politische Einigung zwischen der Regierung in Athen und ihren Gläubigern gibt, geht die EZB angesichts der zu erwartenden Milliarden-Euro-Hilfen einfach von einer Solvenz aus.
Ist die EZB allerdings nicht mehr von einer praktikablen Lösung im Schuldenstreit überzeugt, kann sie den Geldhahn auch zudrehen. Werden die ELA-Kredite aber eingestellt, müsste Athen Kapitalverkehrskontrollen einführen, um das Geld im Land zu halten. Noch schlimmer wäre es, wenn EZB-Chef Mario Draghi entscheidet, die 89 Milliarden Euro umgehend zurückhaben zu wollen – das würde die prompte Pleite des Bankensektors bedeuten.
Dass er fähig wäre, Hilfsgelder zu stoppen, hat Mario Draghi bereits in der Zypern-Krise 2013 bewiesen – dort wurden anschließend die Kapitalverkehrskontrollen eingeführt und die Sparguthaben der Bürger waren kein Tabu mehr. Der EZB-Chef hat also das letzte Wort und könnte den Verhandlungserfolg erzwingen.
Was durchaus zum Wohl der Bürger sein kann. Findet etwa Jürgen Habermas. In einem Gastbeitrag für die "Süddeutsche Zeitung" erinnert der Philosoph daran, wem die Bürger der Euro-Zone es zu verdanken haben, dass im Sommer 2012 ihre Währung nicht kollabierte: "Mit der Ankündigung, notfalls Staatsanleihen in unbegrenzter Höhe anzukaufen, hatte er für die Euro-Gruppe die Kastanien aus dem Feuer geholt. (…) Die Regierungschefs waren unfähig, im europäischen Gemeininteresse handeln, sie blieben ihren jeweils nationalen Interessen verhaftet und verharrten in Schockstarre." Klingt vertraut.
Quelle: n-tv.de , mit DJ
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