Donnerstag, 16. Juli 2015
Bafin-Schreiben über Deutsche BankAngetrieben von Gier nach "Geldbergen"
Das Image der Deutschen Bank ist ohnehin schon zermackt, da weht dem Wall Street Journal ein Brief der Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin ins Haus, der noch tiefere Abgründe bei dem Institut offenbart: Grenzenlose Gier, Wegschauen, Verschleiern.
Einsichten in die Chefetage der Deutschen Bank: Unwahrheiten, schludrige Kontrollen und Wegschauen aus Gier nach mehr Profit. Was Bankenaufseher Frauke Menke bei der Aufarbeitung des Zinsskandals beobachtet hat, dürfte nicht ohne Konsequenzen bleiben. Ihr bereits in Teilen publik gewordener Brief liegt dem Wall Street Journal in der Langversion vor.
Der darin erhobende Vorwurf der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) wiegt schwer: Sechs Führungskräfte hätten über Jahre hinweg versuchte Marktmanipulationen nicht verhindert.
Das Ergebnis ihrer Untersuchungen sei unter dem Strich "besorgniserregend", schreibt Menke. Die Bank hätte enorme Kosten gespart, wenn die Verantwortlichen zumindest nachträglich mit den Zinsmanipulationen anders umgegangen wären. Auch der Vertrauensschaden wäre dann nicht so groß gewesen.
Aussagen aus dem Zusammenhang gerissen?
Die Deutsche Bank versucht seit Jahren, eine bessere hausinterne Kultur einkehren zu lassen und ihren Respekt in der Öffentlichkeit wieder zu gewinnen. Auch das Vertrauen der Investoren ist nach den hohen Aktienverlusten und Rekordstrafen angeschlagen. Der Brief dürfte nun die Investoren alarmieren. Die ungelösten Probleme in der Bank könnten weitere regulatorische Strafen nach sich ziehen, heißt es darin.
Heftige Kritik ernten vier amtierende Vorstände und zwei weitere Führungskräfte in Schlüsselpositionen. Sie seien ihren Kontrollpflichten nur nachlässig nachgekommen und hätten die Aufseher selektiv oder inakkurat informiert, heißt es in dem Brief.
Die Deutsche Bank weist die Kritik der Aufseher zurück. Die Verfehlungen bedauere sie "zutiefst" und habe die internen Prozesse verbessert, sagte ein Sprecher der Bank. Der Bafin-Report reiße die Aussagen im Bericht der Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young aus dem Zusammenhang. Anshu Jain weise den Vorwurf, die Aufseher in die Irre geführt zu haben, als haltlos zurück, erklärte der Sprecher.
Die BaFin, die die Abberufung von Vorständen verlangen kann, wollte den Brief nicht kommentieren.
Jain schwärmt von Geldbergen
Tief blicken lassen die Originaltöne, die die Bafin zitiert. In einem Telefongespräch mit seinem Vorgänger Josef Ackermann springt Jain für Christian Bittar in die Bresche. Jain schwärmt von den "Geldbergen", die der Libor-Händler der Bank bringe. Bittar, der damals drohte den Arbeitgeber zu wechseln und als eine der Schlüsselfiguren im Libor-Skandal gilt, beschrieb Jain damals als jemanden, der "garantiert Geld macht". Ob Ackermann nachgefragt hat, wie man an den letztlich unberechenbaren Kapitalmärkten "garantiert" Geld verdienen kann, geht aus dem Brief nicht hervor. Bekannt ist nur die Boni-Höhe, die Bittar zugesprochen wurde: 80 Millionen Euro.
Der an die Vorstandsriege der Bank adressierte Brief ist im Original in deutscher Sprache geschrieben. Die 37 Seiten lange englische Version wurde im Auftrag der Deutschen Bank übersetzt und ist auf den 11. Mai datiert. Die Co-Vorstandchefs Jain und Jürgen Fitschen hatten am 7. Juni ihre Rücktrittspläne bekannt gegeben.
Der Bafin-Brief macht allerdings erst deutlich, was sich an der Spitze der Bank noch nicht geändert hat. Die Deutsche Bank hatte im April dieses Jahres eine Strafe von 2,5 Milliarden US-Dollar gezahlt, damit die Libor-Untersuchungen in den USA und Großbritannien beendet werden. In dem Brief zeigt Menke auf, wie die Bank mit der Aufarbeitung umgegangen ist.
Aufsicht schaute nicht so genau hin
Angefangen mit Stephan Leithner, der bereits das Rechtsressort abgegeben hat. Ihm wirft die Bafin vor, unvollständige und unzutreffende Angaben zu der Rolle von Händlern bei den Zinsmanipulationen gemacht zu haben. Der Bitte nach einem Kommentar kam er nicht nach. Leithner ist inzwischen in der Bank für Personal und Compliance verantwortlich, also für regelkonformes Verhalten der Mitarbeiter.
Dem ehemaligen Finanzvorstand Stefan Krause bescheinigt die Aufsicht, bei offensichtlichen Problemen angeblich nicht genau genug hingeschaut zu haben. Die von ihm geleiteten Untersuchungen seien nicht akkurat und unabhängig genug gewesen. Krause ist für das Global Transaction Banking, die Abwicklungseinheit sowie für die Tochter Postbank verantwortlich. Dass die Systeme der Bank regelwidriges Verhalten überhaupt erst möglich machten, kreidet die Bafin dem Chief Operating Officer Henry Ritchotte an. Ein Sprecher der Bank sagte, Ritchotte habe an einer Verbesserung der Systeme gearbeitet. Krause wollte die Vorwürfe nicht kommentieren.
Der Jain-Vertraute und Leiter der Vermögensverwaltung, Michele Faissola, soll Informationen zurückgehalten haben. Obwohl sich verdächtige Hinweise häuften, habe Faissola hartnäckig an den Prozessen zur Feststellung des Libor festgehalten. Diese Versäumnisse stuft die Bafin als "schwerwiegend" ein. Wie eine mit der Angelegenheit vertraute Person sagte, hat Faissola der Bafin zurückgeschrieben und die Vorwürfe abgestritten.
Lieber Probleme abstreiten statt sie ansprechen
Die Regulatoren stellen in Frage, ob Faissola und Jain tatsächlich nichts von den Manipulationen gewusst haben. Jains Erklärung, warum die Bank nicht früher eingegriffen und problematisches Verhalten ihrer Mitarbeiter verhindert hat, kam bei den Aufseher nicht an. Ihr Urteil: "Nicht überzeugend".
Im Schlaglicht stehen auch andere Schlüsselfiguren, die für die Einhaltung von Regeln und Sicherheitsvorschriften sind: Risiko-Chef Stuart Lewis und Chefjurist Richard Walker. Die Bafin wirft Lewis und Walker vor, sie hätten Anfragen der US-Aufseher zu Zinsmanipulationen nicht genug Gewicht beigemessen. Zudem hätten sie im Rahmen der regulatorischen Untersuchungen gegenüber der Bafin nicht nur irreführende Angaben gemacht, sondern sogar die Rolle von Mitarbeitern im Zinsskandal verschleiert. Menke spricht von einer Kultur in der Bank, in der Probleme lieber abgestritten werden anstatt sie offen anzusprechen.
Ein Sprecher der Deutschen Bank bezeichnete die Anschuldigungen gegen Richard Walker als "unbegründet".
Besser der Presse nichts sagen
Mit ihrer Kritik ist die Bafin nicht allein. Auch die amerikanischen und britischen Aufseher haben der Bank bei der Aufarbeitung des Zinsskandals Irreführung vorgeworfen.
Intern hatte die Bank bereits im April 2008 über mögliche Libor-Manipulationen gesprochen, nachdem das Wall Street Journal auf der Titelseite die Verlässlichkeit des Zinssatzes in Frage gestellt hatte. Fast fünf Jahre später, im Februar 2013, schrieb Vorstand Leithner in einer E-Mail an den Konzernsprecher Michael Golden: "Es wäre besser", wenn die Diskussionen aus dem Jahr 2008 "gegenüber der Presse nicht erwähnt werden, da ansonsten die Frage aufkommt, warum niemand bei der Deutschen Bank damals reagiert hat". So geht es aus dem Bafin-Bericht hervor.
Doch die Salamitaktik der Bank zahlte sich nicht aus. Die öffentliche Kritik an der Bank flammte erst richtig auf, als ihre Rolle im Libor-Skandal immer deutlicher ans Licht kam. Vor allem Jain hatte als ehemaliger Verantwortlicher für das Investmentbanking ein Glaubwürdigkeitsproblem. In seinem Abschiedsbrief an die Mitarbeiter bleibt Jain vage, warum er geht. Jain hatte erst am 20. Mai offiziell die Verantwortung für die Umsetzung der Strategie übernommen.
Am 27. April hatten Jain und Fitschen ihre Strategie für die Bank vorgestellt und von einem Meilenstein gesprochen. Doch der Druck auf das glücklose Führungsduo wurde immer größer. In einem Interview mit dem Wall Street Journal kurz vor der Hauptversammlung schien sich Aufsichtsratschef Paul Achleitner von Jain und Fitschen bereits zu distanzieren. Als dann vierzig Prozent der Aktionäre eine Entlastung des Vorstands verweigerten, ging es plötzlich schnell. Das schwächste Ergebnis in der Geschichte der Deutschen Bank verfehlte bei Jain nicht seine Wirkung. Die Führung der Bank liegt nun in den Händen von John Cryan.
Quelle: n-tv.de , Madeleine Nissen, Eyk Henning, David Enrich und Jenny Strasburg, DJ
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