UrteilGrunderwerbsteuer ist zum Teil verfassungswidrig
Ausnahmen in der Grunderwerbsteuer sorgen dafür, das manche Immobilienkäufer weniger bezahlen. Das Verfassungsgericht hat diese Ausnahmen jetzt gekippt.
18.07.2015, von JOACHIM JAHN
Das Bundesverfassungsgericht hat zentrale Gesetzesvorschriften zur Grunderwerbsteuer gekippt. Der Bundestag muss diese Regelungen sogar – was eine große Ausnahme bei Karlsruher Urteilen ist – sechs Jahre lang rückwirkend ändern. Die höchsten Richter sehen einen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot, weil Immobilien sowie Land- und Forstwirtschaft in manchen Fällen deutlich zu günstig bewertet werden.
Im Kern geht es daher um Bestimmungen im Bewertungsgesetz, die sie für die Erbschaft- und Schenkungsteuer bereits im Jahr 2006 außer Kraft gesetzt hatten. Weitere Korrekturen daran werden derzeit auch im Zuge der geplanten Reform der Erbschaftsteuer diskutiert, die die Richter ebenfalls angeordnet hatten.
Das „vereinfachte Ertragswertverfahren“ ist ein Problem
Normalerweise bemisst sich die Grunderwerbsteuer nach dem Kaufpreis. Gibt es jedoch keine konkrete Gegenleistung, etwa weil die Immobilie einer Personengesellschaft gehört und deren Inhaber wechseln, richtet sich der Fiskus nach einer „Ersatzbemessungsgrundlage“. Betroffen von der neuen Entscheidung sind hierbei drei Konstellationen. Für bebaute Grundstücke gilt das „vereinfachte Ertragswertverfahren“. Dieses führt dem Gericht zufolge zu Bewertungen, die im Schnitt um die Hälfte unter dem aktuellen Marktwert liegen. Zwar gibt es einen starren Vervielfältigungsfaktor von 12,5, um aus laufenden Erträgen einen Wert zu bestimmen. Aber auch dieser sei „strukturell ungeeignet“, um nahe genug an den Verkehrswert zu kommen.
Zudem verwarfen die Richter die Vorschriften für unbebaute Grundstücke im Fall von Umstrukturierungen und Transaktionen der Eigentümergesellschaft. Deren Wert wird bislang bei 80 Prozent der amtlichen Bodenrichtwerte angesetzt. Damit werde aber lediglich ein Niveau von etwa 70 Prozent des Marktwerts erreicht, kritisieren die Richter. Und drittens kassierten sie die Maßstäbe für land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitz. Diese erfassten bei Veränderungen im Gesellschafterbestand nur rund 10 Prozent des Marktwerts, stellten die Richter fest.
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Harsche Worte
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts springt mit der Politik ziemlich harsch um. Ein ausreichender Sachgrund für diese erhebliche Ungleichbehandlung sei nicht erkennbar, schreibt er in seiner Begründung. Die Abweichungen vom gemeinen Wert könnten nicht mit Lenkungszielen gerechtfertigt werden. „Verfolgt das Gesetz mit der Gegenleistung als Regelbemessungsgrundlage offensichtlich ausschließlich das fiskalische Ziel, die steuerrelevanten Grunderwerbsvorgänge nach dem Verkehrswert zu besteuern, darf es bei der Ersatzbemessungsgrundlage keinem davon abweichenden Ziel nachgehen.“
Die Unterschiede seien auch nicht vom Versuch des Gesetzgebers getragen, die Regeln durch „Typisierung oder Pauschalierung“ möglichst einfach handhabbar zu machen, rügen die acht Richter außerdem. (Az.: 1 BvL 13/11 und 14/11). Dieses Verdikt geht auf eine Vorlage des Bundesfinanzhofs zurück, der die Bestimmungen bereits im Jahr 2011 für unzulässig gehalten und den Kollegen in Karlsruhe vorgelegt hat.
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