Die Lateinische Münzunion
Das folgende 20. Jht. sollte dem Land bzgl.
wirtschaftlicher- und politischer Turbulenzen keine Besserungen
zeitigen, auch wenn – aus politischen Gründen – die Länder Frankreich,
Italien, Belgien und die Schweiz das chronisch instabile Land im bereits
erwähnten Jahre 1868 in die Lateinische Münzunion einbanden. Anders als
bei der Einführung des Euro, gab es bei der einige Jahre zuvor
gegründeten Währungsunion keine Aufnahmebedingungen. Das Prinzip dieser
Münzunion ähnelte dem des heutigen Euroraumes: Alle Länder prägten
Münzen (und zwar auch in Gold- und Silber) mit eigenen
Währungsbezeichnungen – französischer und belgischer Franc,
schweizerische Franken, italienische Lira und eben auch die griechische
Drachme. Sie hatten allesamt exakt den gleichen Durchmesser und hatten
vor allem ein vertraglich festgelegtes Gewicht aus 835-er Silber bzw.
900-er Gold. Man verpflichtete sich zur gegenseitigen Annahme der
Münzen. Weil deren Nennwert dem Metallwert in Gold entsprach, waren sie
ein bestens bewährtes und akzeptiertes Zahlungsmittel in den genannten
Partnerländern. Auch außerhalb dieses Währungsraumes erfreute sich das
„lateinische“ Geld großer Beliebtheit. Länder wie Spanien, die meisten
anderen Balkan-Staaten und auch die k.u.k.-Monarchie Österreich-Ungarn
lehnten sich an dieses System stark an.
Doch beim Geld hörte auch damals schon die
Freundschaft auf: Die notorisch klammen Länder Italien und Griechenland
nahmen die Vorgaben nicht immer ganz so genau: Sie veränderten
Gewichtsanteile und begannen, zusätzlich das damals relativ neue
Papiergeld in ihren Ländern einzuführen. Ihren Bürgern, die aus den
anderen Ländern der Union mit Gold- und Silbermünzen nach Hause
zurückkehrten, gaben diese beiden Staaten im Tausch immer mehr
Papiergeld. Das galt zwar nur im eigenen Land, der Münzunion wurden so
aber wertvolle Gold- und Silbermünzen entzogen. Die wirtschaftlich
starken Unionsländer nahmen diese Umtriebe zwar zunächst hin, waren aber
verständlicherweise zunehmend empört. Der schweizerische Botschafter in
Paris beispielsweise sprach von der „unglücklichen Heirat mit
Griechenland“. Leider sei man sie „einmal eingegangen – die Folgen
müssen wir weiter tragen“.
Vierzig Jahre nach dem Beitritt, nämlich 1908,
hatten die Länder der Münzunion schließlich genug: Sie warfen
Griechenland förmlich hinaus; griechisches Geld galt fortan nur noch in
Griechenland. Die Mitgliedsländer zogen die noch kursierenden
griechischen Münzen aus dem Geldkreislauf und schickten sie nach Athen.
Verbliebene Restbestände wurden später eingeschmolzen. Derweil zeichnete
sich das Land am Vorabend des Ersten Weltkriegs unverändert auch durch
eine fortgesetzte politische Instabilität aus: 1913 wurde König Georg I.
ermordet.[7]
Ergänzend sei an dieser Stelle gesagt: Wie anders
aber die damalige politische und wirtschaftliche Union des
Habsburgerlandes mit ihren beiden Reichshälften von Trans- und
Cisleithanien umging. Beide Reichshälften hatten, unter Einschluss ihrer
beiden jeweils zugehörigen Gebiete, ein seit dem berühmten Ausgleich
von 1867 gleichberechtigtes Münz- und Währungsregal. Keine Reichshälfte
übervorteilte dabei die jeweils andere Seite, man konnte sich stets
aufeinander verlassen – und zwar auch unter dem Vorzeichen, dass das
Land ob seines großen Selbstverteidigungsbedarfes und hoher
administrativer Kosten (wegen der Vielvölkersituation) vergleichsweise
öffentlich hoch verschuldet war. 1892 wurde mit Blick auf eine
Währungsvereinfachung und hinsichtlich einer Verschlankung des
Außenhandels in starker Anlehnung an die Lateinische Münzunion die
k.u.k. Goldkrone aus der Taufe gehoben. Eine Goldkrone (ungar.: Korona)
entsprach, wie ein Franken in der lateinischen Münzunion, jeweils fast
exakt 0,3 Gramm Feingold. Anders als das seinerzeit fragwürdige Benehmen
Griechenlands blieb das Währungsverhältnis beider Reichshälften
zueinander bis zum Ende des Ersten Weltkriegs im besten gegenseitigen
Vertrauen stabil – dies auch, nachdem man kriegsbedingt anno 1914 die
Edelmetallmünzen aus dem Zahlungsverkehr einziehen musste.[8]
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