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Freitag, 14. Dezember 2012

EZB will brisante Griechen-Berichte nicht offenlegen

EZB will brisante Griechen-Berichte nicht offenlegen


Die Zentralbank hat untersucht,
wie die Investmentbank
Goldman Sachs Athen
half, ein Milliarden-Defizit zu
verschleiern und sich in den
Euro zu schmuggeln. Nun will
die EZB diese internen
Berichte nicht herausgeben.
ppl. FRANKFURT, 13. Dezember. Mehrere
Abgeordnete des Haushaltsausschusses
des Bundestages haben scharfe Kritik
an der Europäischen Zentralbank geübt,
weil diese zwei interne Untersuchungsberichte
zur Rolle von Goldman Sachs bei
der Verschleierung griechischer Haushaltsdefizite
nicht veröffentlicht. „Goldman
Sachs hat Griechenland dabei geholfen,
sich die Mitgliedschaft in der Eurozone
zu erschleichen“, sagt der CDU-Haushaltspolitiker
Klaus-Peter Willsch und
spielt auf eine mögliche Rolle von EZBPräsident
Mario Draghi an: „Dass unser
heutiger Zentralbankpräsident, der von
2002 bis 2005 Vizepräsident Europa von
Goldman Sachs in London war, in solche
Machenschaften verwickelt sein könnte,
beunruhigt mich zutiefst. Der Sachverhalt
muss lückenlos aufgeklärt werden“,
sagte Willsch dieser Zeitung.
Auch der EZB-kritische FDP-Finanzpolitiker
Frank Schäffler schlug in dieselbe
Kerbe: „Wir brauchen Licht im Dunkel.“
Die Unabhängigkeit von Zentralbanken
reiche nicht weiter als ihr geldpolitisches
Mandat. „Außerhalb dessen
sind sie politisch wie rechtlich verantwortlich.
Ein Sonderrecht für Zentralbanken
darf es nicht geben, sonst werden
sie zum intransparenten Staat im Staat.“
Auch der SPD-Haushaltspolitiker Carsten
Schneider forderte mehr Transparenz
von der EZB. Dies gelte auch für
„alle Unterlagen im Zusammenhang mit
Griechenland-Transaktionen, die zumindest
den Parlamenten zugänglich sein
müssten“, sagte er gegenüber „Welt online“.
Hingegen sagte der stellvertretende
Unionsfraktionschef Michael Meister,
die Unabhängigkeit der EZB sei zu respektieren.
Die Grenze der Transparenz
sei dort erreicht, wo mehr Offenheit den
Auftrag der EZB gefährdet.
Hintergrund des Streits ist ein Urteil des
Gerichtshofs der Europäischen Union in
Luxemburg von Ende November. Die Richter
wiesen damit eine Klage der Nachrichtenagentur
Bloomberg gegen die EZB ab,
die schon vor zwei Jahren eine Herausgabe
von zwei internen Dokumenten beantragt
hatte. „Die Verbreitung dieser Dokumente
hätte den Schutz des öffentlichen Interesses
im Hinblick auf die Wirtschaftspolitik
der Union und Griechenlands beeinträchtigt“,
lautet die Kemaussage der Richter.
Im ersten der beiden Dokumente ging
es um komplizierte Währungsswaps, welche
die Investmentbank Goldman Sachs
für die griechische Regierung konstruiert
hatte und mit denen Athen vor Einlm

tritt in die Währungsunion 2001 einen
verdeckten Kredit im Milliardenhöhe erhielt,
der nicht in der offiziellen Schuldenstand-
und Defizitstatistik auftauchte.
Der zweite Bericht bezieht sich auf
die Briefkastenfirma Titlos, die von der
privaten National Bank of Greece 2009
gegründet wurde, die 2005 die Swap-Papiere
von Goldman Sachs gekauft hatte.
Sie reichte sie dann bei der EZB als Sicherheiten
ein, um sich frisches Geld zu
leihen. Beide Transaktionen sind nur in
groben Zügen bekannt, das genaue Vorgehen
und die Verantwortung für die Defizitverschleierung
liegen im Dunkeln.
Das Gericht der Europäischen Union
befand nun, dass die beiden Berichte
vom März 2010 lediglich - wie die EZB
argumentiert - „Momentaufnahmen“ gewesen
seien. Die EZB begründete ihre
Weigerung zur Veröffentlichung damit,
dass die Informationen „veraltet“ gewesen
seien. ,;Daher würde die Verbreitung
dieser Informationen ein hohes und gravierendes
Risiko einer schwerwiegenden
Irreführung der Öffentlichkeit im Allge-

meinen und der Finanzmärkte im Besonderen'darstellen.“
Sie hätte sich auch negativ
auf Griechenlands Zugang zu neuen
Krediten auswirken können, schrieb
das Luxemburger Gericht.
Die Nachrichtenagentur Bloomberg
prüft derzeit, ob sie den Fall bis vor den
EuGH tragen soll. „Ich hoffe, dass Bloomberg
in Revision geht“, sagt der CDU-Abgeordnete
Willsch. „Schuldige der Griechenland-
Transaktionen müssen zur Rechenschaft
gezogen werden, eventuell
droht Verjährung“, warnt er. Willsch will
das Thema auf der nächsten Sitzung des
Haushaltsausschusses ansprechen und
die Bundesregierung befragen. „Der Vorwurf
übelster Tricksereien durch Griechenland
ist ungeheuerlich“, sagt Uwe H.
Schneider, Direktor des Instituts für deutsches
und internationales Bankrecht an
der Universität Mainz. „Die EZB verliert
unser Vertrauen, wenn sie sich auf Vertraulichkeit
beruft. Das schürt den Verdacht,
dass der Vorwurf begründet ist.“
Der Jurist Gunnar Beck, der an der
Universität von London EU-Recht lehrt,
kritisierte, die Zentralbank habe zu viel
Ermessensspielraum, was die Veröffentlichung
der Papiere angeht. „Manche unken,
dass darin Verweise auf Draghis Rolle
sein könnten. Es wäre im Interesse der
EZB, die Dokumente offenzulegen, denn
10 Jahre alte Vorgänge werden die Märkte
nicht destabilisieren, es sei denn, es
wird etwas vertuscht.“ Draghi kam Anfang
2002, also nach Griechenlands Eintritt
in den Euro und nach Abschluss der
Swap-Geschäfte, zu Goldman Sachs. Zuvor
lehrte er kurz an der Kennedy School
of Government und war viele Jahre im
hohen italienischen Staatsdienst.

FAZ Print 14.12.2012


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