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Freitag, 14. Dezember 2012

Zyprisches Dilemma Retter für russische Milliarden gesucht


Zyprisches DilemmaRetter für russische Milliarden gesucht

 ·  Die Troika steht vor einem Dilemma. Rettet sie Zypern und seine Banken, könnten davon russische Oligarchen profitieren. Tut sie es nicht, steht der Zusammenhalt des Euroraums in Frage.
© AFPDie Bank of Cyprus ist 487 Millionen Euro wert; dies entspricht einem Anteil von 54 Prozent an der gesamten Marktkapitalisierung aller zyprischen Aktien
In den europäischen Rettungsprogrammen spielt Zypern zwar nur eine kleine Rolle, aber eine höchst delikate. Kaum jemand war daher am Donnerstag überrascht, dass die Euro-Finanzminister abermals keine Entscheidung über die von Zypern erwünschten Finanzhilfen getroffen haben. Im Juni stellte Zypern den Hilfsantrag, nun wird der Staat im südöstlichen Mittelmeer vorerst auf Januar vertröstet. Finanziell wären die rund 17 Milliarden Euro Hilfsgelder, um die es dem Vernehmen nach geht, für die Euroländer und den Internationalen Währungsfonds (IWF) problemlos zu stemmen. Doch noch stärker als andernorts sieht sich die europäische Politik Rechtfertigungsproblemen für ihr Tun ausgesetzt.
Zypern besitzt nicht nur einen im Verhältnis zur Größe der Volkswirtschaft völlig überdimensionierten Finanzsektor, dieser ist auch noch eng mit der griechischen Wirtschaft verknüpft und zu einem Gutteil durch russische Einlagen finanziert. Gerade dieser Punkt sorgt für Rechtfertigungsprobleme. Zypern hat seit Jahren eine Politik niedriger Steuern und eines möglichst umfassenden Schutzes der Privatsphäre von Bankkunden verfolgt. Seit dem Ende der Sowjetunion führte dies zu einem immer stärkeren Kapitalzufluss aus Russland. Das wirtschaftliche Zentrum der Insel, die Stadt Limassol, wird nicht selten als Limassolgrad bezeichnet. Hier hat sich eine nicht unbedeutende russische Gemeinde gebildet, mit zahlreichen russischen Geschäften, Restaurants und einer russisch-orthodoxen Kirche. Rund 15.000 Russen leben mittlerweile permanent im griechischen Teil Zyperns, der insgesamt knapp 800.000 Einwohner aufweist.

Erste finanzielle Schieflage wurde von Russland behoben

Doch nicht nur die Russen zog es nach Zypern. Die Zahl der Holdinggesellschaften ausländischer Eigner erhöhte sich vor allem in den neunziger Jahren auf mehrere Zehntausend. Dem Vernehmen nach schätzten die Investoren die Tatsache, das niemand nachfragte, woher das angelegte Kapital ursprünglich stammte. Zypern lebte gut davon. Das Pro-Kopf-Einkommen liegt mit mehr als 20.000 Euro weit über dem der syrischen, libanesischen oder türkischen Nachbarn.
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© F.A.Z.
Im Zuge des EU-Beitritts im Jahr 2004 und der Euro-Einführung 2008 musste Zypern zwar einige Gesetze erlassen oder verschärfen, die dem Kampf gegen Korruption und Geldwäsche dienten. Es steht allerdings der Vorwurf im Raum, dass dies nur auf dem Papier geschehen sei, jedoch kaum praktische Auswirkungen gehabt habe. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ zitierte jüngst aus einem Papier des Bundesnachrichtendienstes (BND), wonach eine Rettung der zyprischen Banken letztlich vor allem russischen Oligarchen, Geschäftsleuten und Mafiosi dienen würde, die ihr Schwarzgeld in Zypern angelegt haben. Auf mehr als 20 Milliarden Euro schätzt der BND demnach das von Russen bei Banken in Zypern angelegte Geld.
Eine erste finanzielle Schieflage Zyperns wurde denn auch von Russland behoben, das im vergangenen Jahr, als der Zugang zu den Finanzmärkten für Zypern schon äußerst teuer, wenn nicht sogar unmöglich gewesen wäre, einen Kredit über 2,5 Milliarden Euro gewährte. Spätestens im nächsten Frühjahr dürfte das Geld aufgebraucht sein. Dann werden nämlich zyprische Staatsanleihen in Höhe von 2,3 Milliarden Euro fällig.

Auch am Aktienmarkt gibt es wenig Zutrauen

Eine neue bilaterale Lösung wäre dem zyprischen Staatspräsidenten Dimitris Christofias nun auch am liebsten. Formal Kommunist, hat er in Moskau studiert und einen Doktorgrad in Geschichte erworben, spricht fließend Russisch und ist für seine enge Verbindung nach Moskau bekannt. Ihm wäre es ein Greuel, sich unter das Diktat der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und IWF begeben zu müssen, die nun schon mehrfach das Land besuchten. Schon erste Reformschritte führten am Dienstag zu Tumulten im Parlament von Nikosia. Forderungen der Gläubiger von Banken sollten teilweise in Aktien der Institute gewandelt werden und so die Banken entlasten.
Gleichwohl deuten sich bislang keine weiteren Hilfen aus Russland an. Auch Besuche in China erbrachten bislang nicht die gewünschten Finanzhilfen. Und dies, obwohl Zypern derzeit Lizenzen für 13 Gasfelder im Südosten der Insel vergibt, die sich als lukrativ erweisen könnten. Die zyprischen Banken haben eine Bilanzsumme von etwa 150 Milliarden Euro und damit das Neunfache des Bruttoinlandsprodukts. Eine Stabilisierung dieses Finanzsektors gilt selbst den Russen als Fass ohne Boden.
Auch am Aktienmarkt gibt es wenig Zutrauen in eine gedeihliche Entwicklung der zyprischen Finanzinstitute. Der Aktienmarkt an der Börse in Nikosia ist klein und kommt insgesamt auf einen Marktwert von nicht einmal einer Milliarde Euro. In vielen Papieren findet kein regelmäßiger Handel statt. Allerdings wurden für deutsche Anleger vor ein paar Jahren Zertifikate auf den zyprischen Aktienmarkt begeben. Wer in diesen Papieren Geld angelegt hat, dürfte kaum Freude empfinden. Der Index der Börse in Nikosia ist seit Juni 2007 von 5512 Punkten auf 123 Punkte eingebrochen.

Mit spirituellem Zuspruch

Diese fürchterliche Baisse ist nicht zuletzt auf den Niedergang der börsennotierten Banken zurückzuführen. Da ihnen ihr kleines Heimatland nicht genügend Geschäftsmöglichkeiten bot, expandierten sie ins Ausland und hier vor allem nach Griechenland. Die dortige schwere Krise hat auch die führenden zyprischen Banken leiden lassen. Die Bank of Cyprus ist heute noch 487 Millionen Euro wert; dies entspricht einem Anteil von 54 Prozent an der gesamten Marktkapitalisierung aller zyprischen Aktien. Die Bank ist nicht nur in ihrem Heimatland und in Griechenland tätig, sondern unter anderem auch auf den Kanalinseln und in Russland.
Die zweitgrößte Bank, die Hellenic Bank, erreicht nur einen Börsenwert von 104 Millionen Euro, kann sich aber auf spirituellen Zuspruch stützen: Das Erzbistum Nikosia ist mit einem Anteil von 7,3 Prozent der größte bekannte Aktionär. Andere börsennotierte Unternehmen wie Vassiliko Zement, der Getränkegroßhändler Andreou & Paraskevaidis und der Hotelbetreiber A. Tsokkos sind noch einmal sehr viel kleiner.

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