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Freitag, 30. Mai 2014

Bei dem Rechtsstreit geht es um Klagen von Gläubigern, die bei den Umschuldungen argentinischer Staatsanleihen 2005 und 2010 einen Schuldenschnitt um mehr als zwei Drittel der Forderungen abgelehnt hatten. Ein Gericht in New York hatte Argentinien 2012 dazu verurteilt, zwei Hedgefonds den vollen Nominalwert zuzüglich aufgelaufener Zinsen in Gesamthöhe von 1,3 Milliarden Dollar zu zahlen. Gleichzeitig verpflichtete das Gericht die mit der Abwicklung von Argentiniens Schuldenzahlungen beauftragten Banken, zunächst die Ansprüche der Umschuldungsverweigerer zu bedienen, bevor sie Zahlungen an andere Gläubiger leisten. Argentinien hat gegen das Urteil Einspruch beim Obersten Gerichtshof eingelegt. Sollte Argentinien den Rechtsstreit definitiv verlieren, könnten Umschuldungsverweigerer insgesamt Forderungen von 15 Milliarden Dollar stellen, kalkuliert die argentinische Regierung. Dies würde für das Land „eine ernste und imminente Gefahr eines neuen Zahlungsausfalls“ bedeuten, sagten Vertreter der argentinischen Regierung diese Woche in einer Eingabe beim amerikanischen Verfassungsgericht.


Einigung im SchuldenstreitArgentinien verspricht Rückzahlung von 9,7 Milliarden Dollar

Seit seiner Staatspleite im Jahr 2001 hat Argentinien keine Zahlungen mehr an die Gläubigerländer geleistet. Nun verspricht das südamerikanische Land, Schulden in Höhe von 9,7 Milliarden Dollar binnen fünf Jahren zu begleichen.
© DDP / SECRETARIA DE TURISMO ARGENTINAVergrößernBuenos Aires
Zwölf Jahre nach seinem Staatsbankrott hat Argentinien eine Einigung mit dem Pariser Club über die Rückzahlung von 9,7 Milliarden Dollar Schulden erzielt. Die Zahlungen an die Gläubigergemeinschaft, der 19 reiche Industrieländer angehören, sollen mit einer ersten Tranche von 650 Millionen Dollar im Juli beginnen und bis Mai 2015 eine Mindestzahlung von 1,15 Milliarden Dollar erreichen. Gemäß der jetzt erzielten Rahmenvereinbarung sollen die gesamten Rückstände innerhalb von fünf Jahren ausgeglichen werden, heißt es in einer Mitteilung des Pariser Clubs. Argentinien hatte seit seiner Staatspleite von Ende 2001 keine Zahlungen mehr an die Gläubigerländer geleistet. In dem jetzt vereinbarten Zahlungsbetrag sind darum erhebliche Straf- und Verzugszinsen enthalten.
Argentinien erhofft sich von der Einigung mit der Gläubigergemeinschaft den Zugang zu neuen Krediten aus dem Ausland. Seit dem Staatsbankrott hat Argentinien im Ausland keine Anleihen mehr emittiert. Fällig werdende Fremdwährungsschulden werden aus den Devisenreserven gezahlt. Auf eine zunehmende Devisenknappheit reagiert die Regierung seit drei Jahren mit einer strengen Rationierung von Importen und Devisenkäufen. Nachdem Verlust von einem Drittel seiner Devisenreserven innerhalb eines Jahres hatte Argentinien im Januar eine Abwertung des Peso um 23 Prozent zugelassen.
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Argentinien erwartet nach der Einigung mit dem Pariser Club insbesondere die Wiederaufnahme von staatlichen Kreditversicherungen sowie neue Investitionen aus den Gläubigerländern. In den vergangenen Jahren musste der argentinische Staat selbst den Bau von Kraftwerken aus laufenden Einnahmen finanzieren, weil Lieferanten wie die Siemens AG aufgrund der Zahlungsrückstände Argentiniens keine staatliche Deckung für Exportkredite erhielten. Der Pariser Club teilte jetzt mit, die Kreditagenturen der Mitgliedsländer könnten die Deckung von Exportgeschäften wieder aufnehmen, „sofern sie dies wünschen“. Automatisch ist die Wiederaufnahme der Kreditgeschäfte mithin nicht. Details wird Argentinien nun mit jedem einzelnen Gläubigerland getrennt aushandeln müssen.
Deutschland ist mit einem Anteil von etwa 30 Prozent der größte Einzelgläubiger, gefolgt von Japan. Die Höhe der Rückzahlungsquoten soll davon abhängen, in welchem Umfang die Investitionen aus den Gläubigerländern zunehmen, teilte das argentinische Wirtschaftsministerium mit. Sollten die Investitionen nicht in ausreichendem Maße fließen, könne die Rückzahlung auf sieben Jahre gestreckt werden.

Probleme mit anderen Altschuldnern noch nicht gelöst

Der Pariser Club begrüßte die Fortschritte die Argentinien bei der Normalisierung seiner Beziehungen zur internationalen Finanzgemeinschaft erreicht habe. 93 Prozent der 2001 notleidend geworden Anleiheschulden hat das Land in mehreren Umschuldungsrunden restrukturiert. In jüngster Zeit zahlte Argentinien eine Entschädigung von 5 Milliarden Dollar an den spanischen Ölkonzern Repsol für die 2012 erfolgte Verstaatlichung der argentinischen Ölgesellschaft YPF. Freilich sind nicht alle Konflikte mit Altgläubigern gelöst. Eine Schicksalsstunde für Argentiniens Schuldenprobleme steht Mitte Juni an. Dann könnte der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten entscheiden, ob er den Antrag Argentiniens auf Revision eines Urteils zugunsten rebellischer Altgläubiger annimmt oder nicht.
Bei dem Rechtsstreit geht es um Klagen von Gläubigern, die bei den Umschuldungen argentinischer Staatsanleihen 2005 und 2010 einen Schuldenschnitt um mehr als zwei Drittel der Forderungen abgelehnt hatten. Ein Gericht in New York hatte Argentinien 2012 dazu verurteilt, zwei Hedgefonds den vollen Nominalwert zuzüglich aufgelaufener Zinsen in Gesamthöhe von 1,3 Milliarden Dollar zu zahlen. Gleichzeitig verpflichtete das Gericht die mit der Abwicklung von Argentiniens Schuldenzahlungen beauftragten Banken, zunächst die Ansprüche der Umschuldungsverweigerer zu bedienen, bevor sie Zahlungen an andere Gläubiger leisten. Argentinien hat gegen das Urteil Einspruch beim Obersten Gerichtshof eingelegt. Sollte Argentinien den Rechtsstreit definitiv verlieren, könnten Umschuldungsverweigerer insgesamt Forderungen von 15 Milliarden Dollar stellen, kalkuliert die argentinische Regierung. Dies würde für das Land „eine ernste und imminente Gefahr eines neuen Zahlungsausfalls“ bedeuten, sagten Vertreter der argentinischen Regierung diese Woche in einer Eingabe beim amerikanischen Verfassungsgericht.

Argentinische Wirtschaft schlittert in Rezession

Argentiniens Wirtschaft schlittert unterdessen in die Rezession. Nach Schätzung des Beratungsunternehmens OJF y Asociados ist die Wirtschaftsaktivität in den ersten vier Monaten um 0,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken. Die Industrieproduktion brach allein im April um 6 Prozent ein. Auch der Handel und das Baugewerbe liegen klar im Minus. Eine Rekordernte von Sojabohnen, die in diesen Wochen eingefahren wird, sollte derzeit eigentlich für Entspannung sorgen. Die wichtigste Devisenquelle des Pampalandes könnte in diesem Jahr kräftiger denn je sprudeln. Dennoch nimmt die Nervosität in Südamerikas zweitgrößter Volkswirtschaft wieder zu. Auf dem Devisen-Parallelmarkt ist der Kurs des Peso in den vergangenen Tagen abermals unter Druck geraten. Der Aufschlag, der am Schwarzmarkt auf den streng kontrollierten offiziellen Dollarkurs bezahlt wird, sprang in zwei Wochen von 30 auf 45 Prozent – ein deutliches Zeichen, dass die Argentinier verstärkt Zuflucht in harter Währung suchen.
© REUTERSVergrößernArgentiniens Wirtschaftsminister Axel Kicillof
Angesichts der angespannten Lage streitet die Regierung intern offenbar über den Kurs der Wirtschaftspolitik. Wirtschaftsminister Axel Kicillof mache den Zentralbankchef Juan Carlos Fábrega für die negative Entwicklung der Konjunktur verantwortlich, heißt es. Fábrega hatte im Januar die drastische Abwertung des Peso zugelassen und gleichzeitig die Zinsen zur Abschöpfung von Liquidität auf fast 30 Prozent verdoppelt. Während die Inflation durch die Abwertung neuen Schub erhielt und zuletzt auf 38 Prozent schnellte, kam die Kreditvergabe praktisch zum Erliegen. Nachdem die Notenbank innerhalb eines Jahres mehr als ein Drittel ihrer Devisenreserven verloren hatte, war Fábrega indes kaum eine andere Wahl geblieben, als mit Abwertung und Zinserhöhung die Notbremse zu ziehen.
Die Hauptursache für Inflation und Devisenschwund sehen Ökonomen in der expansiven Fiskalpolitik, die in den letzten Jahren zunehmend durch die Notenpresse finanziert wurde. Weil dadurch zu viele Pesos in Umlauf kommen, fliehen die Argentinier in den Dollar. Fábrega verlange von Kicillof darum eine Drosselung der Staatsausgaben, die weiter mit einer Jahresrate von 40 Prozent zunehmen, heißt es. Um Gerüchten über seinen bevorstehenden Rücktritt entgegenzutreten, veröffentlichte Fábrega vergangene Woche eine Erklärung, in der er „vermeintliche Differenzen“ im Wirtschaftskabinett „mit Nachdruck“ zurückwies. Dass Fábrega gleichzeitig betonte, alle Entscheidungen über die Wirtschaftspolitik würden von Staatspräsidentin Cristina Kirchner persönlich getroffen, wurde indes als indirekte Bestätigung seiner Meinungsverschiedenheiten mit Kicillof gewertet. Staatschefin Kirchner, die ideologisch wohl dem jungen Keynesianer Kicillof näher steht, möchte offenbar jedoch nicht auf die 40 Jahre Erfahrung des Bankfachmanns Fábrega in Argentiniens erratischem Finanzwesen verzichten.

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