Wegen der weitreichenden kollektiven Bindung der Bondholder, die sich aus dem Gesamtzusammenhang des SchVG 2009 ergibt, sind Änderungen der ALB nicht nur mit Wirkung ab Beschlussfassung der Gläubigerversammlung, sondern auch für davor liegende Zeiträume möglich, z.B. wenn der Zins rückwirkend zum letzten Zinstermin angepasst werden soll, so wie es Solar8 jetzt beabsichtigt. Ich bin auch der Meinung, dass das funktioniert, aber 100% sicher ist das noch nicht.
Zwar sagt der BGH im Urteil II ZR 381/13:
Die Ermöglichung von Mehrheitsentscheidungen für die in § 5 Abs. 2 SchVG aufgezählten Änderungen der Anleihebedingungen ist kein unzulässiger rückwirkender Eingriff in die Rechte der Anleihegläubiger.
Aber Vorsicht: Der BGH bezieht sich hier auf Altanleihen, die vor 2009 emittiert wurden. Mit "kein unzulässiger rückwirkender Eingriff" sagt der BGH nicht, dass man Kuponzinsen rückwirkend ändern kann, sondern er sagt nur, dass man Altanleihen über einen Opt-in dem neuen Recht (also den Möglichkeiten des § 5 II SchVG) unterstellen kann und dass dies kein unzulässiger Rückgriff ist. Damit ist aber noch nichts über die konkrete Anwendung des § 5 II SchVG gesagt, d.h. ob man rückwirkend Kuponzinsen etc. ändern kann.

Im Weiteren führt der BGH allerdings aus:
Soweit das Berufungsgericht wegen der bereits abgelaufenen Laufzeit für die Genussscheine der Beklagten von einer unzulässigen Rückwirkung ausgegangen ist, ist nicht die Rückwirkung der Übergangsvorschrift des § 24 Abs. 2 SchVG betroffen, sondern die Zulässigkeit einer Laufzeitverlängerung im konkreten Einzelfall und damit die Wirksamkeit des Beschlusses der Gläubiger nach dem Schuldverschreibungsgesetz.
Dem kann man dann doch entnehmen, dass der BGH rückwirkende Änderungen der ALB billigt. Wenn ein Vertragsende durch Gläubigerbeschluss rückwirkend annulliert werden kann, dann können auch alle andere ALB-Regelungen wie Kuponzins etc. rückwirkend geändert werden. Wir sind uns insoweit einig.

Allerdings darf man die Frage stellen, ob der BGH an diesem Einzelfall und mit diesem kurzen Satz die große Tragweite der Thematik wirklich abschließend überdacht hat. Das OLG Frankfurt hat nämlich in einem aktuellen Urteil - wohl unter Kenntnis des BGH-Urteils - in einem anderen Fall der Rückwirkung einen Riegel vorgeschoben und gesagt, dass Änderungen erst ab Beschlussfassung der Gläubigerversammlung gelten und nicht für Zeiträume davor.

Insoweit kann man rolf's Geschäftsmodell noch nicht gänzlich begraben. Es hat noch eine kleine Rest-Chance, die ich bei etwa 15% einschätze ...