Gesamtzahl der Seitenaufrufe

Montag, 27. Oktober 2014

Italiens Banken werden zum Sorgenfall: Gleich neun Geldhäuser des Landes rasselten durch den Bilanzcheck der Europäischen Zentralbank. Doch auch bei den deutschen Instituten ist längst nicht alles so schön, wie es aussieht.

26. Oktober 2014, 19:19 Uhr

Neun Durchfaller im Stresstest

Der Verlierer heißt Italien

Von Anne Seith, Frankfurt am Main
Italiens Banken werden zum Sorgenfall: Gleich neun Geldhäuser des Landes rasselten durch den Bilanzcheck der Europäischen Zentralbank. Doch auch bei den deutschen Instituten ist längst nicht alles so schön, wie es aussieht.

Das Epizentrum der Eurokrise ist längst nicht mehr Griechenland, sondern Italien - zumindest nach diesem Sonntag scheint es so, an dem in Frankfurt pünktlich zur Mittagszeit die Ergebnisse des großen Bilanzchecks der europäischen Bankenbranche verkündet wurden.
25 Institute sind bei dem Check durchgefallen, verkündete der Vizepräsident der Europäischen Zentralbank (EZB) Vítor Constâncio. Darunter seien allein neun italienische Häuser. 9,7 Milliarden Euro frisches Kapital fehlte den Instituten insgesamt. Vor allem die traditionsreiche Banca Monte dei Paschi steht miserabel da: Gäbe es wirklich eine Krise, wie sie der Stresstest im schlimmsten Szenario simulierte, hätte sie am Ende gar keine eigenen Finanzmittel mehr übrig.
Es ist ein Armutszeugnis. Immerhin hatten die Banken mehr als ein Jahr Zeit, um ihre Häuser in Ordnung zu bringen und frisches Geld zu suchen, mit dem sich mögliche Schocks abfedern lassen. Die meisten übrigen der 130 Institute der Eurozone, die die Europäische Zentralbank überprüft hat, kamen deshalb auch wesentlich besser weg als zunächst gedacht. Rechnet man die Aufräumarbeiten der Banken aus diesem Jahr dazu, müssen in den nächsten sechs bis neun Monaten noch 13 Banken insgesamt zehn Milliarden Euro frisches Geld auftreiben.
Falsche Sicherheit
Entsprechend erleichtert zeigten sich europäische und deutsche Aufseher bei der Präsentation der Ergebnisse in Frankfurt. Die Bilanzprüfung sei ein Meilenstein, erklärt EZB-Vizepräsident Constancio, der das öffentliche Vertrauen in den Bankensektor endlich wiederherstellen könnte.
Doch die vergleichweise guten Ergebnisse täuschen auch eine Sicherheit vor, die es so nicht gibt. Das gilt vor allem für das miserable Abschneiden der italienischen Häuser. "Das Land steht wirtschaftlich sehr schwach da. Das hinterlässt natürlich Spuren in den Bankbilanzen. Die Kreditausfallraten sind zum Beispiel in den letzten Jahren deutlich gestiegen", sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank.
Das Drama werde seit Wochen diskutiert, deshalb dürfte es nicht unmittelbar für große Turbulenzen an den Finanzmärkten sorgen, glaubt der Ökonom. Doch das macht es nicht besser. "Wenn Italien es nicht schafft, einen glaubwürdigen Reformkurs durchzusetzen, wird das Land in jeder Hinsicht in Schwierigkeiten kommen", sagt Hans-Peter Burghof, Bankenprofessor an der Universität Hohenheim. "Irgendwann werden die Kapitalgeber sagen, dem traue ich nicht mehr." Spätestens dann werde das Geld wieder knapp werden, und die Eurokrise sei zurück.
Schon in der jetzigen Situation werden einzelne Banken des Landes, die jetzt nach frischem Geld suchen, wohl am Ende den Staat um Hilfe bitten müssen, schätzt Burghof. "Und der muss dann womöglich den europäischen Rettungsschirm ESM anzapfen", fügt er hinzu. Woher solle das Geld schließlich sonst kommen.
Doch auch im Rest der Eurozone besteht keinen Grund, die Champagnerkorken knallen zu lassen. Denn immer wieder bescheinigen Wissenschaftler den Banken Europas bedenkliche Schwäche. Vor allem in der Eurozone sei ein Großteil nicht fähig, nachhaltig Kredite für die Wirtschaft bereitzustellen, hieß es etwa kürzlich in einer Untersuchung des Internationalen Währungsfonds (IWF). Ein anderes internationales Forscherteam bescheinigte dem Sektor, er sei im Vergleich zur restlichen Wirtschaft gefährlich aufgebläht und viel zu konzentriert.
Die Bundesbank mahnt Fusionen an
Es war ein Vorstand der Bundesbank, der die Feierstimmung am Sonntag deshalb auch gewaltig trübte. Andreas Dombret, einer der obersten Bankenaufseher des Landes, saß im trauerdunklen Anzug zwischen mehreren Aufsichtskollegen und las den heimischen Bankmanagern trotz aller guten Ergebnisse die Leviten. "Die deutschen Banken müssen sich zunehmend dem internationalen Wettbewerb stellen und hier schneiden sie nicht so gut ab", sagte Dombret. Und nur wenn Banken nachhaltig Geld verdienten, könnten sie auf Dauer auch Krisen überstehen.
Derzeit aber verdienen auch Deutschlands Banken bedenklich wenig Geld. Einer Studie der Unternehmensberatung Bain zufolge betrug die Eigenkapitalrendite zwischen 2011 und 2013 gerade einmal mickrige 1,6 Prozent. Lange vorbei sind die Zeiten, als Ex-Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann von einer Zielmarke von 25 Prozent schwadronierte.
Bei der Reform ihrer Geschäftsmodelle liegen die hiesigen Häuser "auf den hinteren Plätzen", wie Dombret heute betonte. Um zu sehen, wie recht er hat, muss man sich nur jene Häuser genauer ansehen, die lange als Wackelkandidaten galten und jetzt doch noch irgendwie durch den Stresstest gerutscht sind. Die HSH Nordbank etwa brachte es selbst im schlimmsten Stress-Szenario noch auf eine Eigenkapitalquote von 6,1 Prozent. Gefordert waren 5,5 Prozent.
Die HSH habe ihre Kapitalstärke bewiesen, tönten die Hamburger Banker daraufhin stolz in einer Pressemitteilung. Dabei sind die Probleme des Hauses alles andere als gelöst. Der weltgrößte Schiffsfinanzierer nämlich sitzt auf Abermilliarden von wackeligen Krediten, weil die Handelsschifffahrt in der vielleicht größten Krise ihrer Geschichte steckt.
Auch andere deutsche Banken haben gewaltige Probleme: "Die mittelgroßen Häuser stürzen sich jetzt alle auf den Mittelstand", sagt Finanzprofessor Burghof. "Die Frage ist, wie viele man in diesem Bereich denn braucht."
Bundesbanker Dombret mahnte denn auch schon mal Fusionen unter den deutschen Geldhäusern an - und kündigte gleichzeitig auch für die Zukunft harte Kontrollen an. "Nach dem Stresstest ist vor dem Stresstest", warnte Dombret. Und auch die neue EZB-Aufsichtschefin Danièle Nouy machte klar, dass mit Milde in Zukunft nicht zu rechnen sei. Man werde allen Schwächen, die man bei dem Stresstest erkannt habe, weiter nachgehen kündigte sie an. Der Stresstest sei zwar sehr erfolgreich verlaufen, erklärte die Französin mit der gestrengen Aura einer Lateinlehrerin. "Gleichzeitig ist er aber nur der Startpunkt für unsere neue Aufgabe. "

Mehr auf SPIEGEL ONLINE:

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen