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Mittwoch, 6. November 2013

Schutzlos in der Insolvenz? Am Fall Suhrkamp scheiden sich die Geister

Schutzlos in der Insolvenz?
Am Fall Suhrkamp scheiden sich die Geister


BERLIN, 5. November. Die Querelen um
den angeschlagenen Suhrkamp-Verlag haben
einen Grundsatzstreit zwischen Insolvenz-
und Gesellschaftsrechtlern ausgelöst.
Hat das nun knapp zwei Jahre alte
„Gesetz zur weiteren Erleichterung der
Sanierung von Unternehmen“ (ESUG)
die Möglichkeit geschaffen, Minderheitseigner
über den Tisch zu ziehen? Der Vorwurf:
Wenn Mehrheitsgesellschafter und
Geschäftsführung künstlich eine Finanzkrise
herbeiführen, können sie seither
mit den Mitteln der Insolvenzordnung einen
unliebsamen Mitgesellschafter ausbooten.
Denn das ESUG hat Entscheidungen
gegen den Willen von Miteigentümern
bis hin zur faktischen Enteignung
erleichtert, damit diese sich nicht einer
Rettung des Unternehmens in den Weg
stellen können - etwa durch eine Einigung
mit Gläubigern, denen im Tausch
für ihre Forderungen Firmenanteile zugesprochen
werden (Debt-Equity-Swap).
Auf dem „beutschen Insolvenzverwalterkongfess
2013“ in Berlin ging jetzt der
Züricher Privatrechtler Ulrich Haas hart
mit den Kritikern des ESUG ms Gericht.
Haas, der sich in Deutschland habilitiert
hatte, stellte dabei einen Gastbeitrag des
Mannheimer Gesellschaftsrechtlers Carsten
Schäfer in den Mittelpunkt, der auf
dieser Rechtsseite erschienen war (F.A.Z,
vom 21. August)
. HaasJ These: Auch im
Insolyenzverfahren ist ein Minderheitsgesellschafter
keineswegs schutzlos dem
Spiel der Mehrheitsgesellschafter ausgeliefert.
Missbrauchs- und Manipulationsmöglichkeiten
würden weitgehend durch :
die Regeln der Insolvenzordnung ausgeschlossen.
Eine „ganze Reihe von Hürden“ zählte
Haas zum Beleg für diese Einschätzung
auf. So müsse aas Insolvenzgericht prüfen,
ob überhaupt ein Insblvenzgrund vorliege.
Gutachter würden eingeschaltet,
und bei Missbrauch drohten Schadensersatzforderurigen.
Sein Fazit unter Hinweis
auf einen Entscheid des Frankfurter
Oberlandesgerichts in der Suhrkamp-Fehde
zugunsten der Verlagsinhaberin
(F.A.Z. vom 4. Oktober; Az.: 5 U 135/13):
Das reformierte Insolvenzrecht schützt
Minderheitsgesellschafter aucfi nicht
schlechter als das Gesellschaftsrecht: Außerdem
sei vom Mitgliedschaftsrecht des
Gesellschafters in der Krise ohnehin
nichts übrig - bis zur „Vollabwicklung“ eines
Unternehmens hätten Minderheitseigner
schon immer die Konsequenzen eines
Insolvenzverfahrens hinnehmen müssen.
Gesellschaftsrechtler Schäfer lässt jedoch
nicht locker. Auch wenn versucht
wird, ein Unternehmen nach den Regeln
der Insolvenzordnung zu retten, sei die
Treuepflicht der Mitinhaber untereinander
nicht außer Kraft gesetzt, schreibt er
in einem Beitragi der demnächst in der
„Zeitschrift für Wirtschaftsrecht“ (ZIP)
erscheint. Verletze die Mehrheit diese
„Treubindung“, gebe es auch keine „Aufopferungspflicht“
der Minderheit. Diese
stehe im Übrigen unter dem Vorbehalt,
dass den Gesellschaftsanteilen, über die
im Insolvenzplan verfügt werden soll, nur
noch ein Restwert zukomme. Namentlich
Insolvenzrichter müssten einsehen, „dass
sie nunmehr auch auf die Interessen etwaiger
Minderheitsgesellschafter zu achten

haben“. JOACHIM JAHN

FAZ Print 6.11.2013

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