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Mittwoch, 2. April 2014

Weil ihr ein hochverzinsliches Sparprodukt zu teuer wurde, hat eine Sparkasse ihre Kunden aus den Verträgen gedrängt. Nun untersucht ein Gericht den Fall – mit Signalwirkung für alle Sparer.

31.03.14

Prozess

Sparkasse will ihr Zinsversprechen brechen

Weil ihr ein hochverzinsliches Sparprodukt zu teuer wurde, hat eine Sparkasse ihre Kunden aus den Verträgen gedrängt. Nun untersucht ein Gericht den Fall – mit Signalwirkung für alle Sparer.Von Anne Kunz und Karsten Seibel

Eine Filiale der Sparkasse Ulm: Der Streit um die Kündigung gut verzinster Sparverträge wird nun vor dem Landgericht ausgetragen
Foto: dpaEine Filiale der Sparkasse Ulm: Der Streit um die Kündigung gut verzinster Sparverträge wird nun vor dem Landgericht ausgetragen

Die Scala-Affäre kratzt an der lupenreinen Reputation der deutschen Sparkassen. Weil sie ihr in der Niedrigzinsphase zu teuer wurden, hat die Sparkasse Ulm ihre Kunden und eigenen Mitarbeiter aus hochverzinslichen Sparverträgen gedrängt. Dabei behauptete der Vorstand kühn ein Kündigungsrecht zu haben.
Die Empörung ist groß. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg und der Anwalt Christoph Lang sorgten dafür, dass sich nun das Landgericht Ulm mit dem kundenunfreundlichen Verhalten des Instituts auseinandersetzt. Am ersten Prozesstag zu Wochenbeginn legten beide Parteien ihre Positionen dar.
Die Richterin machte grundsätzlich deutlich, dass die Sparkasse ein Vertragsangebot gemacht hat, an das sie sich halten müsse. Ein Urteil gab es allerdings noch nicht, das Gericht vertagte sich auf Juli. Zunächst soll noch geprüft werden, ob die Sparkasse Kunden tatsächlich mit einer Kündigung gedroht hat.
Angefangen hat alles vor 20 Jahren. Die Ulmer Sparkasse setzte einen Hochzins-Sparvertrag auf, bei dem sie ihren Kunden versprach, zusätzlich zum jeweils aktuellen Zins einen Bonus zu zahlen, der sich wie bei einer Treppe jedes Jahr erhöht und so auf bis zu 3,5 Prozent steigen kann. Die Laufzeit betrug 25 Jahre. Zudem konnten die Kunden die monatlichen Raten auf bis zu 2500 Euro erhöhen, jederzeit beliebige Summen abheben, die Sparraten aussetzen oder den Vertrag kündigen.
Was für die Kunden im Niedrigzinsumfeld paradiesisch war, wurde für das Institut zur Hölle. Bereits 2005 stoppte Sparkassenchef Manfred Oster den Verkauf des Produkts. Doch dann sah sich Oster gezwungen, auch die bereits laufenden Kundenverträge umzuwandeln, weil die unvorhersehbare Zinslast für das Institut gefährlich zu werden drohte.
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Das Geschäftsmodell ist lädiert

Seit die Staatsschuldenkrise tobt und der Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, versucht, den strauchelnden Mitgliedsländern der Währungsunion mitniedrigen Leitzinsen zu helfen, bröckelt das Geschäftsmodell der Sparkassen. Bundesweit sank der Zinsüberschuss aller Sparkassen auf 23 Milliarden Euro.
Die Ulmer sind mit ihren Scala-Verträgen besonders stark getroffen. Einen Großteil der Kunden konnte das Institut mit Alternativangeboten aus den Verträgen locken. Doch etwa 4000 Kunden leisten Widerstand. Ihnen droht die Sparkasse deshalb mit Kündigung.
Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg sieht dies kritisch. Sie ist der Auffassung, dass die Bank dies nicht darf. Deshalb haben die Verbraucherschützer beim Landgericht Ulm eine Unterlassungsklage eingereicht.
Der Sparkasse soll gerichtlich untersagt werden, sich weiter auf ein Kündigungsrecht zu berufen. Rechtsanwalt Lang will in einer zweiten Verhandlung prüfen lassen, ob die Ulmer Sparkasse eine Erhöhung der monatlichen Sparraten zu Recht verweigerte.

Bonuszinsen noch nicht bezahlt

"Es steht die Frage im Raum, ob die Sparkasse sich aus einem Sparvertrag lösen darf, obwohl sie die versprochenen Bonuszinsen noch nicht bezahlt hat", sagte Niels Neuhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg zum Ziel der Klage.
Sollte die Sparkasse als Sieger aus den Rechtsstreitigkeiten hervorgehen, könnte dies durchaus Folgen über Ulm hinaus haben. "Sollte eine Kündigung hier möglich sein, ist dies das Ende des Prämiensparvertrags, wie wir ihn bislang kannten", sagte Nauhauser im Vorfeld der Verhandlung. Aber von einem Erfolg gehe er nicht aus.
Eine Kündigungswelle lukrativer Sparverträge in Deutschland beobachten Verbraucherschützer bislang nicht. "Wir hatten damit gerechnet, dass nach Ulm weitere Sparkassen aktiv werden, um hohe Zinsversprechen aus der Vergangenheit loszuwerden", sagte Annabel Oelmann, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.
Doch über den Fall Ulm hinaus sei ihr bis heute kein anderer Fall bekannt. Offenbar waren keine Sparverträge so attraktiv aus Kundensicht und so unattraktiv aus Sparkassensicht gewesen wie jene der Sparkasse in Baden-Württemberg. "Die Kunden anderer Sparkassen können sich höchstens darüber ärgern, dass ihr Haus ihnen nie so ein tolles Produkt angeboten hatte", sagte Oelmann.
Dass grundsätzlich die Gefahr gesehen wird, dass auch andere Institute früher oder später in einer Kündigung den letzten Ausweg sehen, zeigt eine Veröffentlichung der Verbraucherzentrale Thüringen unter der Überschrift "Nicht unter Druck setzen lassen und auf Vertragserfüllung bestehen".
Betroffene Kunden sollten entsprechende Schreiben ihrer Bank oder Sparkasse nicht einfach hinnehmen. Kunden hätten ein Recht auf Erfüllung ihres langfristig mit dem Geldinstitut vereinbarten konkreten Vertrages.

Auch andere müssen kämpfen

Die Finanzkrise und die sich anschließende Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank machen freilich nicht nur der Sparkasse Ulm zu schaffen. Auch Lebensversicherer und Bausparkassen haben mit den Versprechen der Vergangenheit zu kämpfen – mit unterschiedlichem Erfolg.
Während die Lebensversicherer weiterhin an die Garantiezusagen von bis zu vier Prozent aus den 90er-Jahren gebunden sind, das hat die Finanzaufsicht BaFin wiederholt deutlich gemacht, haben Bausparkassen den Gesetzgeber auf ihrer Seite. Sie dürfen Kunden kündigen, die ihre Bausparverträge aus der Hochzinszeit bereits überspart haben.
"Diese Kündigungswelle läuft unverändert weiter, immer wieder wenden sich Verbraucher an uns", sagte Oelmann. Machen könne sie in der Regel nichts, höchstens den Ratschlag geben, den Vertrag bei 80 Prozent stehen zu lassen und nicht voll zu besparen. Dann könne die Bausparkasse auch nicht kündigen.
Von ehemals 28.000 Scala-Verträgen sind noch rund 8000 übrig. Davon ist nach Angaben eines Sprechers der Sparkasse Ulm etwa die Hälfte stillgelegt oder mit Kleinstbeträgen bestückt. Diese würden von der Sparkasse nicht angerührt.
Den Inhabern der anderen Hälfte habe das Geldinstitut ein Alternativangebot unterbreitet. Sie hätten ihren Scala-Vertrag bislang nicht gegen einen anderen getauscht.
Die Bank hat in neuen Konditionen den Scala-Sparern für eine Laufzeit von maximal sieben Jahren Zinsen zwischen 2,0 und 3,75 Prozent angeboten. Kritiker halten die Alternativen für deutlich weniger attraktiv als die Konditionen der Scala-Verträge: Zum Teil gibt es keine monatlichen Einzahlungsmöglichkeiten. Zudem ist die Verfügung über das Guthaben nur eingeschränkt oder gar nicht möglich.

Stehen weitere Klagen an?

Rechtsanwalt Lang hat vor wenigen Tagen die Frage aufgeworfen, ob die Sparkasse Ulm den variablen Grundzins zu den Scala-Verträgen zutreffend berechnet und festgesetzt hat. Er will seine Klage zu dieser Frage erweitern.
Wann sich das Gericht damit beschäftigen wird, ist noch unklar. Möglicherweise könnte die Sparkasse zu einer Neuberechnung der Zinsen verurteilt werden. Sollte dies der Fall sein, ist nach Angaben des Anwalts zu erwarten, dass die Sparkasse Zinsgutschriften für die Vergangenheit leisten muss.
http://www.welt.de/finanzen/article126418469/Sparkasse-will-ihr-Zinsversprechen-brechen.html

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