UnternehmensanleihenNeue Finanzkrise könnte aus China kommen
Die Rating-Agentur Standard&Poor’s warnt: Die Unternehmensschulden in China wachsen bedenklich. Noch sei dies ein Randrisiko, aber wenn es sich manifestiert, wird es unschön.
17.07.2015
© REUTERSDie Anleihen des Solarunternehmens Boading Tianwei ließ die chinesische Führung im März platzen - ein Novum
Die Finanzkrise ist einige Jahre vorbei und doch noch in böser Erinnerung. Nichts fürchten Menschen und Märkte mehr als eine neuerliche Krise dieses Ausmaßes. Glaubt man der Rating-Agentur Standard & Poor’s (S&P), so wird derzeit allerdings die Saat einer neuerlichen Krise gesät.
Abermals ist es nicht das in Boom-Zeiten belächelte und in Krisenzeiten beneidete Europa, von wo eine Krise ihren Anfang nehmen könnte, sondern die (vermeintlichen) Herzen der Weltwirtschaft: Amerika und vor allem China. Kleinere Risiken gebe es auch in Lateinamerika.
Es sind auch diesmal nicht die Immobilienkredite, sondern die Unternehmensschulden, die der Agentur Sorgen machen. S&P geht davon aus, dass das Gesamtvolumen der umlaufenden Unternehmensschulden bis 2019 insgesamt 71 Billionen Dollar erreichen wird, davon rund 28 Prozent an ganz neuen Schulden, 52 Prozent aus Refinanzierungen.
© FAZ.NETWährend die Unternehmssschulden in Europa relativ sinken, scheinen sie in China ins Uferlose zu wachsen.
Von den 20 Billionen Dollar an neuen Schulden soll mehr als die Hälfte auf China entfallen, ein Sechstel auf die Vereinigten Staaten, wohingegen sich der Euroraum mit 6 Prozent fast schon bescheiden ausnimmt und sogar hinter Indien zurückbleibt.
Die Wachstumsrate in China sei zwar weiter höher als fast überall sonst, aber die Risiken stiegen ebenfalls, sagt Jayan Dhru, Leiter der Abteilung für Infrastruktur- und Unternehmensratings. „Das rapide Wachstum der Verschuldung, intransparente Märkte und eine gemessen am BIP hohe Verschuldungsquote sind alles Anzeichen für vergleichsweise hohe Kreditrisiken in China“.
Auch in den Vereinigten Staaten sei der Markt für Anleihen hochverschuldeter Unternehmen ein Hinweis auf wachsende Risiken. „Die Saat einer künftigen Schuldenkrise könnte in diesen beiden Regionen bereits gelegt sein.“
Dabei sinkt der Finanzierungsbedarf insgesamt gegenüber früheren Projektionen sogar etwas. S&P führt dies unter anderem auf den dauerhaften Rückgang der Rohstoffpreise zurück. Verantwortlich für den Kreditboom seien vor allem die niedrigen Zinsen in den Industrieländern, die Anleger auf der Suche nach Rendite in amerikanische Hochzinsanleihen und in die Schwellenländer treibe.
Allerdings sieht die Agentur keine unmittelbare Gefahr. Es handele sich um sogenannte Randrisiken – allerdings waren es auch just sogenannte Randrisiken, die am Ende die Finanzkrise auslösten. Diese hatten Fachleute ebenfalls schon Jahre vorher gesehen – doch solange Marktteilnehmer darin eben Randrisiken sehen, werden diese von den unmittelbaren Akteuren vernachlässigt, bis aus den Randrisiken unmittelbare Gefahren- oder gar handfeste Krisenszenarien werden. „Heute könnte sehr gut wie die gute alte Zeit aussehen, wenn sich irgendwann die Randrisiken manifestieren“, schreibt daher das Analysten-Team um Uhru.
Das Ausmaß der chinesischen Unternehmensschulden ist enorm. Laut S&P beträgt sie das Achtfache der Staatsschulden. Die Kreditwürdigkeit der börsennotierten Unternehmen habe sich seit 2009, also etwa dem Beginn der jüngsten Finanzkrise, nach Maßstäben der Agentur um eine Note verschlechtert. Das steht in Kontrast zu den Industrieländern, vor allem dem Euroraum, wo sich die Bewertungen verbessert haben.
Indes täuscht dieser Eindruck offenbar, zumindest soweit es die Vereinigten Staaten betrifft. Zwar habe sich die durchschnittliche Kreditqualität nicht verändert, heißt es von S&P, jedoch sei dies der Tatsache zu verdanken, dass finanziell besser dastehende Unternehmen liquide Mittel gehortet hätten. Hoch verschuldete Unternehmen hätten dagegen die niedrigen Zinsen genutzt, um mehr Schulden aufzunehmen. Insgesamt habe sich die Kreditqualität dieser Unternehmen um etwa eine halbe Note verschlechtert.
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Das hauptsächliche Randrisiko sieht S&P in China. Daran ändert auch nichts, dass die Agentur davon ausgeht, dass sie im Falle steigender Ausfallraten Staatseingriffe für wahrscheinlich hält. Deren Art und Ausmaß sei indes unsicher: Die gemischten Ergebnisse der Interventionen in der jüngsten Krise am Aktienmarkt belegten dies. Sorgen macht den Analysten in diesem Zusammenhang auch der Immobilienmarkt. Trotz einiger Neubewertungen und sinkender Preise blieben die Risiken für den Wert der Sicherheiten hoch.
Für die Vereinigten Staaten gelte, dass der Anstieg der Unternehmensschulden erst noch dabei sei, seinen Höhepunkt zu erreichen, doch stellten die aller Voraussicht nach bald steigenden Zinsen ein Risiko dar.
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